EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser,
das Editorial bietet die Gelegenheit, nicht nur die jeweils vorliegende Ausgabe zu kommentieren, sondern darüber hinaus unterschiedliche Fragen der bankbetrieblichen Praxis zu adressieren und einen Beitrag zur Meinungsbildung zu leisten. Vor diesem Hintergrund möchte ich auf die Diskussion zur Umsetzung von Basel III eingehen. Der damit verbundene Diskurs hat in den vergangenen Jahren die bankbetriebliche und aufsichtliche Theorie und Praxis geprägt. Zahlreiche Protagonisten haben versucht, Einfluss zu nehmen. Ziel war es stets, die Anforderungen zu minimieren, insbesondere mit Blick auf den IRB-Ansatz. Seien wir ehrlich: Ein Output-Floor war überfällig, die komparative Analyse verschiedener Institute beweist es.
Zwischenzeitlich hat sich die Diskussion um die Eigenkapitalregulierung in viele Richtungen verzweigt. Streitig ist u. a. die Einführung eines sogenannten Green Supporting Factors, in einer weiteren Variante auch für sozial-wirtschaftliche Unternehmen, sowie hohe, fast schon prohibitive Risikogewichtungen für Finanzierungen fossiler Energieträger und Krypto-Assets.
Die im politischen Raum teilweise ohne die notwendige Tiefe geführte Diskussion bedarf der Erinnerung, dass dem Eigenkapital eine Verlustausgleichs- und Haftungsfunktion, jedoch keine gesellschaftspolitische Wertungsfunktion zugewiesen ist. Sofern eine Finanzierung nur auf Grundlage einer politisch gesetzten Taxonomie als per se risikoärmer oder -reicher eingeschätzt werden würde, wird die Aufgabe des Eigenkapitals in Banken und Sparkassen konterkariert. Dies umso mehr, als beispielsweise der Umgang mit der Kernenergie seit Verabschiedung des ersten Atomgesetzes Ende 1959 Irrungen und Wirrungen mancher Entscheidungen illustriert.
Es ist an der Zeit, die Diskussion um die regulatorischen Vorgaben für das Eigenkapital normzweckorientiert auf die essentialia negotii zu reduzieren: Maßgebend ist nicht die gesellschaftliche Beliebigkeit mit ihren unberechenbaren Wechselströmungen, sondern die profunde Analyse der jeweiligen Risiken, ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten und dem erwarteten Verlust. Insofern verbietet sich die unkonditionierte Privilegierung grüner und die Pönalisierung brauner Finanzierungen. Wenn sich im Rahmen der Überprüfung einzelner Risikogewichtungen allerdings eine Inadäquanz ihrer Bemessung zeigt, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, mit Augenmaß zu korrigieren. Das gilt in beide Richtungen. Auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine interessante Lektüre unseres BankPraktiker und hoffe, dass er für Sie erneut viele gute Anregungen für Ihre beruflichen Aufgaben bereithält. Gerade in dieser außerordentlich herausfordernden Zeit kommt es in besonderer Weise auf unsere Kompetenz, unser Engagement und unsere Empathie an, um als verlässlicher und berechenbarer Partner verantwortungsvoll Wirtschaft und Gesellschaft zu dienen.
Mit besten Grüßen
Prof. Dr. Thomas A. Lange
Vorsitzender des Vorstandes der National-Bank AG
und Mitherausgeber des BankPraktiker