Freitag, 19. Juli 2024

Geldwäsche in der Strafrechtspraxis


Dr. Hans Richter, OStA a. D., ehem. Hauptabteilungsleiter der Schwerpunktabteilungen für Wirtschaftsstraftaten der Staatsanwaltschaft Stuttgart 

Meine verehrte Mitkolumnistin, Frau Rechtsanwältin Kamp, hat im vorangegangenen Heft 06/2024 (S. 196 f.) einen ebenso kompetenten wie zielgerichteten Überblick über das Anti Money Laundering Package (AML-Paket) der EU gegeben und angekündigt, dass ich Ihnen den strafrechtlichen Geldwäsche-Begriff vorstellen und seine Anwendung in der Praxis schildern werde. Dem will ich gerne Folge leisten, muss aber einen Warnhinweis vorausschicken: Das Geldwäschestrafrecht der Praxis steht in einer Zeitenwende (wobei ich weiß, dass sich dieser Begriff in einer inflationären Phase befindet): Die vorgestellte Rechtssetzung der EU führt zu einer grundlegenden Veränderung der Verdachtsschöpfung, deren Ausmaß noch nicht absehbar ist. Ich will deshalb zunächst anhand eines Praxisfalles Einblick in die Normstruktur der Geldwäsche gem. § 261 StGB und dessen Handhabung durch Staatsanwaltschaft und Polizei geben (I.) und danach (II.) auf die aktuellen Entwicklungen der Neuorganisation der Informationswege und ihrer Aufklärungs- und Weiterleitungszuständigkeiten geben, die Grundlage der Strafverfolgung in diesem Bereich ist.

I. Geldwäsche im Goldhandel

1. Beispielsfall

G, der Geschäftsführer einer insolvenzreifen Schmuckhandels-GmbH, plante Liquidität aufgrund einer neuen Geschäftsidee zu schöpfen, um sein Unternehmen zu retten. Sein Freund F, der ein Gewerbe als Automatenaufsteller betreibt, will ihm dabei helfen: Einige seiner Automaten befinden sich an von Geschäftsleuten frequentierten Orten und sind hinreichend gesichert, um darin „10 g Goldbarren“ gegen Kartenzahlung anzubieten. In Absprache mit F erwarb G unter Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit seiner GmbH 10 solcher Barren zum Stück-Preis von 600 € (Zahlungsziel von 4 Wochen) von V und übergab diese Barren plangemäß dem F, der sie in einem seiner Automaten zum Kauf anbieten sollte. Den Erlös wollten sie teilen. Die GmbH wurde insolvent; ihr Insolvenzverwalter konnte den Verbleib der Goldbarren nicht feststellen. Als die gegen den F ermittelnde Steuerfahndung die Goldbarren bei diesem findet, behauptet F, diese stünden im Eigentum des G.

Im Insolvenzstrafrechtsfall bezüglich der S-GmbH (in dem schon der Verdacht des Betruges durch G zum Nachteil des V geprüft wird) gesteht F das geschilderte Zusammenwirken mit G und belegt damit seine Tatbeteiligung am gemeinschaftlichen Betrug und der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung des G.

Zu prüfen bleibt die Strafbarkeit wegen Geldwäsche (§ 261 StGB). Die bei F sichergestellten Goldbarren sind Tatobjekte dieser Norm – sie haben „Vermögenswert“ und stammen aus einer rechtswidrigen Tat (dem Betrug). Wäre z. B. ein Barren verkauft worden und befände sich das hierfür gezahlte Geld im Automaten, würde auch dieses „aus der Tat herrühren“. Wäre die Zahlung (wie naheliegend) auf dem Giro-Konto des F eingegangen, läge eine „Teil-Kontamination“ vor; dabei käme es darauf an, welchen Anteil der kontaminierte Teil an der Gesamtmenge hat (der notwendige Mindestanteil ist in der Rechtsprechung höchst streitig!). F hat die Geldbarren verborgen (§ 261 Abs. 1 Nr. 1 StGB), die Herkunftsfeststellung vereitelt (Nr. 2), sich verschafft (Nr. 3) und diese verwahrt/verwendet (Nr. 4) Dass F Vortatbeteiligter ist, verhindert seine Strafbarkeit nicht, da F die Goldbarren in den Verkehr gebracht und dabei die rechtswidrige Herkunft verschleiert hat (Abs. 7); mögliche Strafbefreiung nach Abs. 8 erlangt er nicht, da er die Tat weder (rechtzeitig und freiwillig) angezeigt noch (unter diesen Umständen) die Sicherstellung der Goldbarren bewirkt hat; Versuch wäre strafbar; der Strafrahmen beträgt bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe, bei einem besonders schwerer Fall (Abs. 5) von 6 Monaten bis zu 10 Jahren. F könnte jedoch Güterhändler nach (Abs. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 16 GWG) sein, dann beträgt die Mindeststrafe 3 Monate.

Ich denke, damit habe ich Ihnen, liebe Leser, eine Vorlage dafür gegeben, selbst festzustellen, zu welchem Ergebnis meine (früheren) Kollegen bezüglich des G gekommen sind.

2. Kriminelle Handelsplattformen

Nur einen kurzen Hinweis will ich auf § 127 StGB geben, der seit 2021 das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet unter Anlehnung an die Strafbarkeit der Gründung/Beteiligung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) unter Strafe stellt: Strafrechtlich neutrale „Handelsplattformen“ können – wie eben auch „Vereinigungen“ – als Mittel oder Form zur Ausübung von Straftaten missbraucht werden. Da dieser Missbrauch regelmäßig in den geschützten Servernetzen des Darknets stattfindet und dieses wiederum häufig auch als „Medium“ der Geldwäsche genutzt wird, führen Ermittlungsmaßnahmen zu einem dieser Tatbestände nicht selten zu Hinweisen auf den jeweils anderen, ohne dass dem Tatverbindungen zugrunde liegen.

II. Verdachtsschöpfung und -weiterleitung im Umbruch; aktuelle Entwicklungen der Neuorganisation der Informationswege

Wie eingangs erwähnt, will ich insofern an die von Frau RAin Kamp vorgestellte Rechtsentwicklung anschließen: Mit der (wie bei allen EU-VOen) stets ohne eine Umsetzung in nationales Recht für alle Rechtsbetroffenen in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Geldwäsche-VO (AML-R) und der (wie alle EU-RL umsetzungsbedürftigen) Geldwäscherichtlinie (AML-D) ist auch die neue EU-Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (AMLA) angesprochen. Mit den jeweiligen Geltungszeitpunkten ist den Regelungen und der neuen Behörde eine führende Rolle mit europäischer Perspektive bei der Aufsicht über die Geldwäschebekämpfung zugedacht. Die European Anti-Money Laundering Authority wird sich vor allem auf die marktrelevantesten Unternehmen der EU konzentrieren; für die übrige Materie wird sie auf die nationalen Aufsichtsbehörden einwirken, nachdem sie Gegenstand der vom Rat der Europäischen Union am 31.05.2024 verabschiedeten neuen Leitlinien zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (Anti-Money Laundering and Combating the Financing of Terrorism – AML/CFT[1]) geworden ist. Diese Richtlinie enthält eine (EU-weit harmonisierte) Liste mit 22 Vortaten, die Geldwäsche darstellen. Einbezogen sind bestimmter Steuerdelikte, Umweltkriminalität und Geldwäsche im Bereich Cyberkriminalität. Die Sorgfaltspflichten (auch) der Finanz- und Kreditinstitute im Hinblick auf „reiche Kunden“ (Nettowert über 50 Mio. €), Barzahlung (Obergrenze 10 T€) und Risiko-Drittländer sind festgelegt und deutlich ausgeweitet. Spezialisten der Finanzkriminalität unter den Strafverfolgern haben für diese neue Behörde bereits die EU-Sprechweise übernommen: EU’s money-laundering watchdog.

Bekannt sind solche Strukturen der Europäischen Überwachung den Verantwortlichen im Bankenbereich schon durch den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM), den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM), das System der EU-Bankenaufsicht (mit der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden) und dem der EU-Kapitalmarktaufsicht ESA (mit EBA für die Bankaufsicht, EIOPA für den Versicherungs-/Pensionsbereich und der ESMA für die Wertpapieraufsicht) als supranationale Aufsicht in diesen Arbeitsbereichen „über“ der deutschen BaFin. Auch die Akteure der Schwerpunktstaatsanwaltschaften legen deren „vorrangige“ Definitionsmacht bei Fällen des Bankenstrafrechts schon ihrer Arbeitsplanung zugrunde.

Organisatorisch ist die Verfolgung der Geldwäsche-Straftaten in den deutschen Staatsanwaltschaften eigenständig (oder als Teil der Überwachung „Organisierter Kriminalität“) geregelt. Die bislang wenig bis kaum funktionierende Meldekette auffälliger Transaktionen „nur aus den Banken“ (die erhebliche Investitionen hierfür aufwenden), war und ist nicht nur für diese Straftaten, sondern auch für die Aufklärung (insbes.) von Wirtschaftsstraftaten im Hinblick auf Tatmittel und Tatbeute von ganz erheblicher Bedeutung. Zwar hat der Gesetzgeber dem Instrumentarium ihrer Einziehung (§§ 73 ff. StGB mit der Rückgewinnhilfe) ausdrücklich jede pönale Wirkung abgesprochen. Verinnerlicht haben aber StA und Strafgerichte, dass dem „Täter die Früchte seiner Tat“ entzogen werden müssen. Gerade in Wirtschaftsstrafsachen ist diese Folge (neben der Kriminalstrafe mit ihrem ethischen Vorwurf und dem damit verbundenen Ansehensverlust in der Gemeinschaft) so gefürchtet wie schmerzhaft.

Die Neureglung des Informationsweges und neuer Aufklärungszuständigkeiten für Finanz-Kriminalität (im Vorfeld des Kriminal-Strafrechts) ist besonders für die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaften von großer Bedeutung. Das betrifft nicht nur die im Fokus der Ermittlungen stehenden Bank-Kunden, sondern (immer wieder auch als deren Folge) Verantwortliche der Banken selbst. Ersetzt wird der sich als ineffizient erwiesene „Meldeweg“ der Meldepflichtigen (z. B.: Bank – BKA – LKA/StA) durch eine komplexe Organisation im Bundesministerium der Finanzen (BMF), dem das Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF) mit seinen 3 Bereichen: Der Aufsicht und administrativen Ermittlung, dem Ermittlungszentrum Geldwäsche (EZG) und der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit, FIU). Die Bearbeitung der Verdachtsmeldungen zur Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Finanzkrimialiät ist Aufgabe der FIU, die hierzu auch etwaige Vortaten (Menschen-/Drogenhandel, Bargeldschmuggel, Betrug u. a.) mit den hierbei anfallenden personenbezogenen Daten einzubeziehen hat. Die Verdachtsmeldungen der FIU werden „Sondereinheiten“ übernehmen: Die Zentrale Ermittlungseinheit Terrorismus, org. Kriminalität, Finanzierungsquellen (Task force), die Spezialeinheit (Cum ex), Zentralstelle Umsatzsteuerbetrug (ZEUS) und die Analyseeinheit risikoorientierte Ermittlungen Steueraufsicht (ARES), letztere als zentrale Ermittlungs- u. Koordinierungsstelle. Die Weiterleitung der Analyseergebnisse und Daten erfolgt an die „Strafverfolgungsbehörden/Nachrichtendienste“. Zwar sind zur „Strafverfolgung“ zutreffen die Staatsanwaltschaften vorgesehen. Diese werden (nunmehr ihrerseits) die (regional zuständige) Polizei einschalten. Ob so sichergestellt ist, dass der polizeiliche Datenbestand der „im alten Meldeweg“ über das BKA einfloss, erfasst und ausgewertet ist, wird sich zeigen müssen. Trotz des erheblichen Personal- und Sachaufwandes und der (voraussichtlich weitergehenden) Einbeziehung von Steuerdaten ist der Erfolg des „neuen Weges mit neuem Personal“ keineswegs sicher.



[1] 6. Geldwäscherichtlinie (6AMLD, die 1AMLD stammt aus 1991!): Richtlinie (EU) 2024/1640 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2024 über die von den Mitgliedstaaten einzurichtenden Mechanismen zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 und zur Änderung und Aufhebung der Richtlinie (EU) 2015/849Text von Bedeutung für den EWR. ABl. L 20241640 v. 19.06.2024; in Kraft 09.07.2024.


Beitragsnummer: 22659

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