Dr. Clemens Stauder, Head of Legal, OLB Bank AG
I. Das Gesetz
Wie kaum ein anderes Land auf der Welt ist Deutschland mit seiner exportorientierten Industrie in globale Handelsströme eingebunden. Die längste Zeit war es dabei von eher untergeordnetem Interesse, unter welchen Bedingungen die Produktion in der Ferne abseits der Heimat erfolgte. Mit dem Lieferkettengesetz wird nun erstmalig der Versuch unternommen, eine unternehmerische Sorgfaltspflicht zur Achtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes gesetzlich zu verankern. Ziel ist dabei zweierlei. Zum einen sollen Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet werden, wobei es nicht um den Export deutscher Arbeits- und Sozialstandards gehen soll, sondern um die Wahrung grundlegender Menschenrechte, wie beispielsweise das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit. Zum anderen werden mit dem Gesetz, das nun auch auf europäischer Ebene verankert wird, aber auch wirtschaftliche Interessen anhand der Lieferketten verfolgt. Gerade in den letzten Jahren, beginnend mit der Corona-Pandemie, sind die Schwächen ferner Produktionsstandorte, die bei dieser Art der Gesetzgebung im Fokus stehen, deutlich geworden. Auch das neu entstandene Bewusstsein, im internationalen Wettbewerb Konkurrenten nicht durch die Verlagerung von Produktions- und Entwicklungsstandorten unfreiwillig zu stärken, ist sicherlich ein nicht zu vernachlässigender Beweggrund, Lieferketten stärker in den Blick zu nehmen. Wird die Produktion in sog. Niedriglohnländern regulatorisch erschwert, kompensiert dies einige durch Verlagerung erzielte Vorteile und entfaltet auf Dauer auch eine Art Rückholeffekt auf die heimische bzw. europäische Industrie.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind im Rahmen des Gesetzes auch Umweltbelange relevant, jedoch nur dann, wenn sie die Ursache für Menschenrechtsverletzungen darstellen, etwa durch vergiftetes Wasser, oder wenn sie dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen.
Nachdem das Gesetz seine Bindungswirkung zunächst für große Unternehmen entfaltete, trifft es seit dem 01.01.2024 auch kleinere Firmen (mit mehr als 1.000 Mitarbeitern im Inland). Konzerngesellschaften werden bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl der Konzernmutter mitberücksichtigt. Betroffen sind Unternehmen jeder Branche und Rechtsform, sofern Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz oder satzungsmäßiger Sitz innerhalb des deutschen Staatsgebiets liegen. [...]
Beitragsnummer: 22729