Freitag, 31. Januar 2020

Quick-Check Analyse für Kreditentscheider

Dr. Thomas Kohlhase, Senior Credit Analyst, Ampega Asset Management GmbH

 

Bonitätsanalyse

 

Der Bonitätsanalyse kommt im Rahmen des Firmenkundenkreditgeschäftes ein sehr hoher Stellenwert zu. Aus der Analyse von Jahresabschlusszahlen und unterjährigen Daten lassen sich nicht nur wichtige Hinweise über das Risikoprofil eines Kunden gewinnen, sondern auch Ansatzpunkte für Neugeschäft. Die Ergebnisse der Bonitätsanalyse determinieren maßgeblich die damit verbundene Kreditwürdigkeit und den Risikoappetit einer Bank. Über die daraus abzuleitende Ausfallwahrscheinlichkeit wird nicht nur das Pricing bestimmt, sondern auch Art und Höhe des Geschäfts sowie gegebenenfalls dessen Strukturierung. Mit Hilfe eigener Quick-Check-Plausibilitätsprüfungen lassen sich mitunter, die Einstufungen externer Ratingagenturen kritisch hinterfragen.

 

Mit Hilfe der Quick-Check-Analyse von Kundenbilanzen können Entscheider auf Markt- und Marktfolgeseite schnell das Gesamtrisikoprofil eines Firmenkunden erfassen. Ausgehend von der Branchenanalyse über das Aufspüren zentraler bilanzpolitischer Stellschrauben sowie der Identifizierung von Schlüsselkennzahlen eignet sich diese Konzeption nicht nur für das Bestandskundengeschäft, sondern auch für die Akquisition von Neukunden.

 

Branchenanalyse

 

Ausgehend vom Geschäftsmodell des Kunden stellt die Branchenanalyse dabei einen zentralen Bestandteil einer ausgewogenen Bonitätsbeurteilung dar. Denn die übergeordnete Wettbewerbs- und Wachstumsdynamik sowie Zyklik einer Branche, haben nicht zuletzt Rückkoppelungen auf das Ergebnis und die erwirtschafteten Cashflows eines Unternehmens. Mit Hilfe des 5-Forces-Konzept nach Porter lassen sich dabei zügig erste Erkenntnisse zur Gesamtbeurteilung ableiten. Auch das Erkennen von Frühwarnindikatoren innerhalb eines Sektors und die Identifikation von No-Go-Branchen spielen eine wichtige Rolle.

 

Zudem ergeben sich für Firmenkunden durch die handelsrechtlichen Bestimmungen zentrale bilanzpolitische Stellschrauben, um ihren Ausweis zu gestalten. Wichtige Positionen wie u. a. Herstellungskosten, Firmenwert, (Pensions-)Rückstellungen und weitere Positionen, sind im Hinblick auf Ansatz und Bewertung näher zu prüfen. Im Anschluss daran können die bilanzpolitischen Auswirkungen erst aufgedeckt werden. Mit Unterstützung von Risiko-Quick-Check-Listen lassen sich die wichtigsten Aspekte einer Unternehmensanalyse schnell abarbeiten und aufdecken. Das Gesamtbild, das man sich vom betreffenden Unternehmen macht, nimmt nun klare Züge an.

 

Kennzahlenauswahl

 

Noch deutlicher wird der Gesamteindruck schließlich durch die Anwendung spezieller Kennzahlen. Dabei geht es darum, aus mehreren hundert möglichen Kennzahlen, die sich aus einem Jahresabschluss berechnen lassen können, nur diese – sogar nur eine Handvoll Kennzahlen – auszuwählen, die zur Beurteilung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ausreichend sind. Durch die Fokussierung auf wenige Zahlen, welche Kapitalstruktur, Cashflow und Schuldentilgungsfähigkeit berücksichtigen, wird zudem der Blick auf das Wesentliche geschärft. Außerdem gilt es, die Kennzahlen richtig (z. B. je nach Branche und Geschäftsmodell) zu interpretieren: Eine operative Marge von einem Prozent mag für ein Handelsunternehmen ausreichend sein, würde aber für ein fertigungsintensives Unternehmen mittelfristig den Ruin bedeuten. 

 

SEMINARTIPPS

Quick-Check-Analyse für Kreditentscheider und Votierer, 07.05.2020, Frankfurt/M.

Kreditanalyse Kompakt, 25.05.2020, Köln.

IFRS-Analyse Kompakt, 26.05.2020, Köln.

Kreditnehmereinheiten/GvK in Analyse, Meldewesen & Prüfung, 28.05.2020, Köln.

Analyse mittelständischer GmbH & Co. KGs, 02.11.2020, Frankfurt/M.

 

Bei der zukunftsgerichteten Bilanzanalyse ist außerdem das Konzept der Debt-Capacity unabdingbar. Damit lässt sich die Verschuldungsgrenze eines Kunden ermitteln, die wesentlich von dessen nachhaltiger Ertragskraft abhängig ist. Durch Anwendung des Debt-Capacity-Konzeptes in der Praxis können bei klar intern definierten Risikoklassen, Firmenkundenbetreuer zielgerichtet Neugeschäftspotentiale erkennen bzw. frühzeitig verwerfen. Damit können aus Perspektive der Gesamtbanksteuerung Effizienzgewinne realisiert werden. Ohnehin ist die Verzahnung von Markt- und Marktfolgeseite von herausragender Bedeutung, um Effizienzen in Kreditantrags-, Kreditanalyse- und Kreditentscheidungsprozessen weiter zu erhöhen.

 

Vertriebsimpulse

 

Schließlich bildet die Quick-Check-Analyse die Basis eines strukturierten Vertriebsprozesses, mit Hilfe derer u. a. Kundengespräche in klar geordneter und überzeugender Form vorbereitet werden können. Denn aus der strukturierten Analyse lassen sich am Kundenbedarf orientierte Lösungen entwickeln. So ist es beispielsweise sinnvoll einem metall- oder rohölverarbeitenden Betrieb, der bislang volatile Ergebnisse eingefahren hat und Schwankungen von US-Dollar oder Rohöl unterliegt, Produkte anzubieten, die ihn gegen derartige Marktpreisvolatilitäten absichern. Ebenso können wertschaffende Bilanzumgliederungen als Basis für Vertriebsaktivitäten dienen (z. B. auf der Aktivseite als Bilanz verkürzende Maßnahme die Auslagerung von Forderungen durch Factoring; auf der Passivseite die Auslagerung von Pensionsverpflichtungen, etc.).




 

PRAXISTIPPS

 

  • SWOT-Analysen gemeinsam zwischen Markt- und Marktfolgeseite erarbeiten.
  • Plausibilitätskontrollen: Konsistenz von Geschäftsmodell, Finanzkennzahlen und Strategie. Aufdeckung von Gefährdungspotentialen.
  • Checklisten erstellen, um Faktoren wie Branche, Risikoprofil, Krisenindikatoren, Neugeschäftspotentiale, etc. strukturiert darzustellen.

 


Beitragsnummer: 6165

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