Montag, 3. Dezember 2018

Keine Individualabrede durch Eröffnung einer Wahlmöglichkeit

RA Christian Steiner, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Rechtsabteilung, MaRisk-Compliance Beauftragter, Niedersächsische Bürgschaftsbank (NBB) GmbH

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt stritten die Parteien über die Wirksamkeit von „individuell“ ausgehandelten Vereinbarungen zur „Bearbeitungsprovision“. Hier gab und gibt es Bestrebungen über eine individuelle Vereinbarung trotz der BGH-Rechtsprechung zu Bearbeitungsgebühren diese zu vereinnahmen. Diese Vorgehensweise hat der BGH (Urt. v. 13.03.2018 – XI ZR 291/16; vorhergehend LG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 19.05.2016 – 2 S 26/15; AG Waldshut-Tiengen, 21.04.2015 – 3 C 493/14) noch einmal erschwert.

In den Jahren 2010 und 2011 schloss ein Verbraucher mit der beklagten Bank drei grundpfandrechtlich gesicherte Darlehensverträge. In den drei dafür vorformulierten Vertragsurkunden war unter der Überschrift „Darlehensnennbetrag“ bzw. „Kreditnennbetrag“ jeweils eine laufzeitunabhängige „Bearbeitungsprovision“ in Höhe von zwei Prozent des betreffenden Darlehensbetrags vorgesehen, welche die beklagte Bank bei Auszahlung des Darlehens einbehielt. Weiter war jeweils unter der Überschrift „besondere Vereinbarung“ oder „sonstige Vereinbarung“ geregelt, dass Sondertilgungen jederzeit bzw. während der Sollzinsbindungsfrist jederzeit möglich sein sollten.

SEMINARTIPPS

Bauträgerfinanzierungen unter erschwerten Rechts- und Marktbedingungen, 20.05.2019, Frankfurt/M.

19. Heidelberger Bankrechts-Tage, 21.10.–22.10.2019, Heidelberg


Die streitgegenständliche Klausel beruht bei keinem der drei Verträge auf einer Individualvereinbarung, so der BGH (BGH, NJW-RR 2018 S. 814; vgl. hierzu auch Schmid-Burgk, BB 2018 S. 1.799 ff.). Für ein Aushandeln nach dieser Norm ist es erforderlich, dass der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und sich deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung der Klausel bereit erklärt.

Die Eröffnung einer Wahlmöglichkeit zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen begründe danach grundsätzlich noch keine Individualabrede. Vielmehr muss auch hier der Vertragspartner Gelegenheit erhalten, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung einzubringen. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob der Klauselverwender für jede der Alternativen ein gesondertes Formular benutzt, alle Alternativen in einem Formular abdruckt und den Kunden die gewünschte Klausel kennzeichnen lässt oder die Wahl zwischen mehreren vorgegebenen Alternativen durch Eintragung in dafür vorgesehene Leerräume des Formulars erfolgt (BGH, NJW-RR 2018 S. 814).

Die AGB wurden zu allen drei Darlehensverträgen gestellt. Ein Stellen setzt voraus, dass unter Ausschluss der Gegenseite einseitig vertragliche Gestaltungsmacht in Anspruch genommen wird. Es entfällt, wenn die Einbeziehung auf der freien Entscheidung desjenigen beruht, an den der Verwendungsvorschlag herangetragen wurde. Dies setzt jedoch voraus, dass er – wenn schon keine Möglichkeit besteht, auf die inhaltliche Gestaltung eines Formulartextes Einfluss zu nehmen – in der Auswahl der in Betracht kommenden Formulartexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen. Da es sich bei allen drei Verträgen um Verbraucherverträge handelt, wird widerleglich vermutet, dass die Klauseln von deren Verwender gestellt sind (Maier, VuR 2018 S. 396).

Das von dem Kläger zu leistende Entgelt ist laufzeitunabhängig ausgestaltet und weicht daher von dem gesetzlichen Leitbild ab, das ein laufzeitabhängiges Entgelt für die Darlehensgewährung vorsieht. Zudem wälzt die beklagte Bank Kosten auf den Kläger ab, die für die Erfüllung ihrer Hauptleistungspflicht anfallen. Es gehört jedoch zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Gesetzesrechts, dass jeder Rechtsunterworfene für Tätigkeiten, zu denen er gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt, kein gesondertes Entgelt verlangen kann. Die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild ist weder sachlich gerechtfertigt noch wird der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt. Solche Gründe liegen jedoch nicht vor. Auch der Hinweis, der Bearbeitungsaufwand lasse sich über eine Erhöhung des zu entrichtenden Sollzinses nicht sinnvoll bepreisen, weil ein Darlehensnehmer das Darlehen kurz nach dessen Valutierung vollständig tilgen könne, rechtfertigt die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Einmalentgelts für die Darlehensbearbeitung nicht. Dem damit verbundenen Risiko könne durch eine Erhöhung des Zinssatzes und durch eine Mischkalkulation begegnet werden (BGH, NJW-RR 2018 S. 814). Der Verweis auf die zu Bearbeitungsentgelten bei Förderdarlehen ergangene Rechtsprechung geht ebenfalls fehl, da dies nur Fälle erfasse, in denen das Darlehen der Umsetzung staatlicher Wirtschaftsförderung dient und die streitige Klausel dem Klauselverwender durch Förderbedingungen vorgegeben worden ist (Maier, VuR 2018 S. 396).

FAZIT

Das Urteil zeigt, wie hoch die Anforderungen des BGH zum Aushandeln von einer Individualvereinbarung sind. Teilweise wird sogar davon gesprochen, dass das Urteil das Ende der Vertragsfreiheit im Darlehensvertragsrecht markiere (Vgl. hierzu Bitter/Linardatos, ZIP 2018 S. 1.203). Ferner ist es eine Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung zum Bearbeitungsentgelt, auch zu den Förderdarlehn.

PRAXISTIPPS

Im Bereich der Bearbeitungsentgelte bleibt den Banken anscheinend nur der Weg, dies, wie der BGH aufzeigt, in den Zins einzupreisen und eine Mischkalkulation anzustellen. Ein Aushandeln scheint angesichts der hohen Maßstäbe fast unmöglich. Dies gilt auch für den unternehmerischen Verkehr.

AUSBLICK

Die neue Bundesregierung hat die Notwendigkeit einer Reform der AGB-Kontrolle (s. das Editorial von Pfeiffer, NJW-aktuell, H. 13/2018 S. 3; zur Reform auch Schmid-Burgk, BB 2018 S. 1.799 ff.) im unternehmerischen Geschäftsverkehr erkannt und im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode verankert (Koalitionsvertrag vom 06.03.2018, 131, https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1, abgerufen am 15.10.2018). Zur Änderung des AGB-Rechts im unternehmerischen Geschäftsverkehr gibt es nunmehr auch einen Gesetzgebungsvorschlag (https://www.zvei.org/fileadmin/user_upload/Themen/Maerkte_Recht/Allgemeine_Geschaeftsbedingungen_im_unternehmerischen_Geschaeftsverkehr/pdf/AGB-Initiative-Positionspapier-Stand-06-2018.pdf, abgerufen am 15.10.2018). Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten inwieweit im unternehmerischen Verkehr eine Änderung erfolgt (zu dieser und weiteren Fragen Pfeiffer, NJW 2017 S. 913 ff).



Beitragsnummer: 995

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