Freitag, 19. Oktober 2018

Die Eigenmittelzielkennziffer in der Kapitalplanung

Aktuelle Impulse zur Kapitalplanung mit der Eigenmittelzielkennziffer

Noel Boka, M. Sc., Abteilungsleiter Controlling, VR Bank Niederbayern-Oberpfalz eG[1]

Die Planung von Kapitalgrößen gehört im Rahmen der Kapitalplanung nach MaRisk AT 4.1 Tz. 11 seit jeher zu den aufsichtlichen Mindestanforderungen (BaFin (2017b), AT 4.1.Tz. 11 sowie BaFin (2012), AT 4.1 Tz. 9). Basierte die Planung zunächst vornehmlich auf den quotalen Anforderungen zu Kernkapital, zusätzlichem Kernkapital, Ergänzungskapital, Kapitalerhaltungspuffern sowie ggf. antizyklischen Kapitalpuffern und Kapitalanforderungen für systemrelevante Institute, kam im Verlauf der Zeit mit dem SREP-Zuschlag ein weiterer Kapitalbestandteil zur Unterlegung von Säule-2-Risken mit Kernkapital hinzu (Blömer/Lindemann (2016), S. 85 f. i. V. m. S. 106 ff.) und ist seitdem fester Bestandteil der aufsichtlichen Kapitalplanung.

Seit nunmehr ein bis zwei Jahren ergänzt auch die Eigenmittelzielkennziffer (EMZK) die zu planenden Kapitalbestandteile im Sinne der Kapitalplanung (Tadajewski (BaFin) (2018), Folie 5). Zugleich zeigt sich bei der Eigenmittelzielkennziffer eine Kontroverse zwischen der implizit gegebenen Erfüllungspflicht der Zielkennziffer (Erwartungshaltung der Aufsicht) und einer fehlenden Manifestation im KWG (BaFin (2018), S.10 Fußnote 6).

Status Quo zur Eigenmittelzielkennziffer und der Kapitalplanung

Zweifellos stellt die Eigenmittelzielkennziffer keine aufsichtliche Kapitalanforderung i. S. d. § 10, § 10a–10i KWG dar, sondern ist als formulierte Erwartungshaltung der Bankenaufsicht in den Steuerungskreisläufen zu berücksichtigen. Sie stellt dahingehend eine Leitgröße dar, die aus Sicht der Aufsicht sachgerecht erscheint, um auch in Stresssituationen eine Gefährdung der Vermögenslage weitgehend auszuschließen. Dahingehend wird postuliert, dass die Nicht-Erfüllung der EMZK zu keinen aufsichtlichen Maßnahmen führen soll (BaFin (2017a), S. 95).

Dabei führt die weiche Formulierung der EMZK keineswegs zu dem Schluss, dass diese nicht in der Kapitalplanung berücksichtigt werden muss. So formuliert der Leitfaden „Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung“ die klare Erwartungshaltung, dass die aufsichtlichen Kapitalgrößen nebst EMZK im Planszenario einzuhalten sind. Im adversen Szenario hingegen besteht keine Erwartungshaltung zur Einhaltung der EMZK. Wohl dem sind jedoch die weiteren Kapitalanforderungen nach CRR und KWG auch im adversen Szenario einzuhalten (BaFin (2018), Tz. 32).

Hieraus ergeben sich für die Kapitalplanung die nachfolgenden Impulse:

  • Im Planszenario ist der aufsichtlichen Erwartungshaltung zur Einhaltung der EMZK nachzukommen.
  • Im adversen Szenario ist die EMZK nicht einzuhalten, wohl dem jedoch die Kapitalanforderungen nach CRR.
Es ist gleichwohl auch nicht verwunderlich, dass die Aufsicht ihre Erwartungshaltung mit der praktischen Handhabung abgleicht und die Erfüllung der eigenen Erwartungshaltung abfragt. Auch ein über die EMZK hinausgehender Puffer kann dabei als Bestandteil der aufsichtlichen Erwartungshaltung die Kapitalausstattung mancher Institute verschärfen (Boka/Rüder (2018-E)). Dahingehend erweist sich die EMZK zwar als weiche, nicht verbindliche Kapitalanforderung, die gleichwohl ausreichend Brisanz bei der Handhabung entwickelt, um als Quasi-Kapitalanforderung weitreichende Konsequenzen mit sich zu bringen. Weitergehend kann jedoch die Durchsetzung dieser Quasi-Kapitalanforderung durchaus als streitbar erachtet werden.


 SEMINARTIPPS

Neuausrichtung Risikotragfähigkeit – Fallstricke & Herausforderungen, 26.03.2019, Frankfurt/M.

FCH Fit & Proper VORSTAND: Risikomanagement, 06.05.2019, Berlin.

Sachgerechte Stresstests & adverse Szenarien in RTF- & Kapitalplanung, 13.05.2019, Köln.

Barwert(nahe) Steuerung im neuen RTF-Leitfaden für Praxis & Prüfung, 15.05.2019, Köln.

9. Kölner Banksteuerung-Tagung, 03.–04.06.2019, Köln.


Fallstricke bei der Kapitalplanung

Beginnend mit der praktischen Umsetzung sei zunächst auf die grundsätzliche Berücksichtigung der EMZK zu verweisen. Die Notwendigkeit zur Berücksichtigung der EMZK in der Kapitalplanung ist durch die MaRisk wie auch den Leitfaden zur Risikotragfähigkeit zweifelsfrei gegeben – die Ableitung von Handlungsimpulsen bzw. die Konsequenzen aus der Erfüllung bietet gleichwohl Interpretationsspielraum. Zunächst sei jedoch auf die Verrechnungsmöglichkeit mit Reserven nach § 340f HGB sowie Kapitalerhaltungspuffer hingewiesen (Anschreiben zur EKMZ sowie BaFin (2017a), S. 95 ff.).

Bei Unterschreitung der EMZK nach Verrechnung besteht die Erwartungshaltung mittels einer hinreichenden Strategie, die den sukzessiven Aufbau des Kernkapitals zur Erfüllung der EMZK vorsieht, der aufsichtlichen Zielvorstellung zu entsprechen. Dahingehend ist zu ergänzen, dass vornehmlich die Einhaltung der aufsichtlichen Kapitalanforderungen im adversen Szenario sichergestellt sein muss (BaFin (2018), S.10 Fußnote 6).

Es kann im Sinne der Nachweisführung sinnvoll sein, ein derart schweres adverses Szenario zu gestalten, das in der Lage ist, die Wirksamkeit der Eigenmittelzielkennziffer unter Beweis zu stellen, ohne dass es jedoch zu einer Gefährdung der aufsichtlich fixierten Kapitalausstattung i. S. d. KWG kommt. Ist ein adverses Szenario ggf. sogar der schwere konjunkturelle Abschwung (BaFin (2018), Tz. 35 i. V. m. BaFin (2017b), AT 4.3.3 Tz. 6) ausreichend advers, um einen spürbaren Einfluss auf die Kapitalausstattung auszuüben und ist die EMZK vergleichsweise höher als zur Verlustabsorption notwendig wäre, ist der ökonomische Kapitaleinsatz oder auch die aufsichtliche Erwartungshaltung kritisch zu hinterfragen.

Zugleich steht die Stressresistenz im Vordergrund, erfährt diese doch eine entsprechende Würdigung in Form von Kapitalzuschlägen mittels der EMZK. So sollten die Analysen und Stresstestergebnisse stets mit in die Überlegungen zum Kapitaleinsatz einbezogen werden, um die quotale Eigenmittelbelastung anhand der EMZK ausreichend in der Planung zu berücksichtigen.

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend erweist sich die EMZK insbesondere für die jederzeitige Sicherstellung der Eigenmittelanforderung auch im adversen Fall als Quasi-Kapitalanforderung. Nicht zuletzt erweist sich die EMZK als Kapitalerwartung für die Stressresistenz und erweitert die Dimension der Kapitalanforderungen um einen weiteren Aspekt. Dahingehend erweisen sich Stresstestergebnisse und Sensitivitätsanalysen als hoch relevant für die Kapitalplanung, ohne gleichwohl ein expliziter Bestandteil dieser zu sein.

Ferner sollten Institute den ökonomischen Kapiteleinsatz nicht nur im Normal- bzw. Planszenario, sondern auch im adversen Szenario genau analysieren und den Kapitaleinsatz vor dem Hintergrund knapper Eigenmittel stetig hinterfragen und/oder optimieren.

PRAXISTIPPS

  • Beleuchten Sie die EMZK kritisch und hinterfragen Sie ggf. das Ergebnis.
  • Betrachten Sie die EMZK als Puffer, der bis dato ohnehin ungenannt von der Aufsicht verlangt wurde, da ein knappes Übersteigen der CRR-Kapitalanforderungen zu Nachfragen geführt hat bzw. die Anforderung einer Strategie zur nachhaltigen Steigerung bzw. Sicherung formuliert wurde. Ein Puffer oberhalb der EMZK kann bisweilen jedoch den konservativen Grundgedanken übersteigen.
  • Betrachten Sie die EMZK als Erwartungshaltung und berücksichtigen Sie diese, soweit es nachvollziehbar erscheint.
  • Berücksichtigen Sie die EMZK in Ihrer Kapitalplanung. Nehmen Sie hierbei auch Bezug auf Stresstestergebnisse und/oder Sensitivitätsanalysen, die ggf. eine Veränderung bzw. sogar den Einfluss der EMZK auf strategische Entscheidungen nehmen kann.
  • Analysieren Sie zukünftige strategische Entscheidungen auch auf die Stressresistenz,um eine überraschende Anpassung der aufsichtlichen Erwartungshaltung vorzubeugen.
LITERATURHINWEISE

BaFin (2018): Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, 24.05.2018, erhältlich auf: https://www.bafin.de/SharedDocs/Down

loads/DE/Anlage/dl_180524_rtf-leitfaden_veroeffentlichung.pdf?__blob=publicationFile&v=1, Abfrage vom 26.08.2018.

BaFin (2017a): SREP in Deutschland, in: Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2016, erhältlich auf: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Jahresbericht/dl_jb_2016.pdf?__blob=publicationFile&v=6, Abfrage vom 29.08.2018, S. 93 – 99.

BaFin (2017b): Rundschreiben 09/2017 (BA) vom 27.10.2017, Anl. 1: Erläuterungen zu den MaRisk in der Fassung vom 27.10.2017, erhältlich auf: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs0917_marisk_Endfassung_2017_pdf_ba.pdf?__blob=publicationFile&v=5, Abfrage vom 14.10.2018.

BaFin (2012.12b): Rundschreiben 10/2012 (BA) MaRisk vom 14.12.2012.

Blömer, S., Lindemann, W. (2016): Auswirkungen des SREP auf die Banksteuerung – der Säule 1+ Ansatz, S. 81 in: Reuse, S. (Hrsg.): Praktikerhandbuch Risikotragfähigkeit, 2. Auflage 2016, S. 81 – 111.

Boka, N., Rüder, A. (2018-E): Kapitalplanung unter Beachtung des neuen RTF-Leitfaden – Den Wandel der Kapitalplanung erfolgreich gestalten, erscheint in: Bankpraktiker. 14. Jahrgang, 2018.

Tadajewski, M. [BaFin] (2018): Neufassung des RTF-Leitfadens – Normative Perspektive, Vortragsunterlagen im Rahmen der BaFin-Veranstaltung: Der Risikotragfähigkeitsladen - Neuausrichtung 2018 am 29.05.2018, erhältlich auf: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Veranstaltung/dl_180529_RTF-Leitfaden_3_RTF_Leitfaden_Neufassung.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Abfrage vom 14.10.2018.

  1. Der vorliegende Beitrag spiegelt die eigene Meinung des Verfassers wieder und repräsentiert nicht notwendigerweise die Position der VR Bank Niederbayern-Oberpfalz eG.


Beitragsnummer: 925

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