Montag, 1. Oktober 2018

Verzahnung von ICAAP und ILAAP („ICLAAP“)

SSM-Leitfäden in der Praxis

Anton Fuchs, Experte Liquiditätsrisikocontrolling und Programmierung, Landesbank Berlin AG

I. Einleitung

Mit Veröffentlichung der SSM-Leitfäden zum ICAAP und ILAAP im März 2018 durch die EZB wurden je 7 Grundsätze für eine angemessene Kapital- und Liquiditätsausstattung formuliert. Die darin beschriebenen Anforderungen an die angemessene Kapitalausstattung wurden auf Liquiditätsrisiken übertragen. Eine adäquate Kapital- und Liquiditätsausstattung soll zur Kontinuität des Instituts und seiner Geschäftsaktivitäten beitragen. Die Verknüpfung von Kapital- mit Liquiditäts-Steuerungsprozessen im Rahmen eines „ICLAAP“ wird insbesondere durch eine Konsistenz in den unterschiedlichen Szenarien hergestellt.

II. Normative und ökonomische Perspektive

ICAAP und ILAAP umfassen jeweils eine normative und eine ökonomische Perspektive. Die normative Perspektive enthält die aufsichtlichen Anforderungen der Säule I. Hier sollen die Institute eine Perspektive implementieren, die es ihnen erlaubt, auf mittlere Sicht kontinuierlich alle regulatorischen und aufsichtlichen Liquiditäts- und Kapitalanforderungen in die Zukunft zu projizieren.

Die ökonomische Perspektive umfasst die interne adäquate Kapital- sowie Liquiditätsausstattung des Instituts unter Säule II. Die Institute sollen eine ökonomische Perspektive implementieren, in deren Rahmen sie die wesentlichen Risiken identifizieren und quantifizieren. Hierzu gehört die Betrachtung eines glaubwürdigen Basisszenarios und angemessener, institutsspezifischer adverser Szenarien.

Abbildung 1: Ökonomische und normative Perspektive im ILAAP (in Anlehnung an EZB-Grafik)

Die Ergebnisse der ökonomischen und normativen Perspektive sollten in die jeweils andere Perspektive einfließen und bei allen wesentlichen Geschäftsaktivitäten und Entscheidungen berücksichtigt werden. Diese sind sowohl in einem Basisszenario („Baseline“) und in adversen Szenarien zu betrachten. Es wird erwartet, dass die hieraus ermittelten Schlüsselindikatoren (KPIs) mit Frühwarnindikatoren, der Liquiditätsnotfallplanung und Sanierungsplanung verknüpft sind.

III. Basisszenario

Das Basisszenario berücksichtigt die erwartete Entwicklung von internen und externen Faktoren sowie deren Wirkung auf die Liquiditätsausstattung des Instituts. Dies sollte konsistent zur Geschäftsplanung sein. Ein Beispiel: die Geschäftsplanung des Instituts sieht in den nächsten Jahren eine Ausweitung des Kreditvolumens vor. Das zusätzliche Volumen sollte nicht nur im Rahmen der Risikotragfähigkeitsrechnung berücksichtigt werden, sondern auch die aus einer Ausweitung des Kreditgeschäfts resultierenden Liquiditätsrisiken in die Liquiditätsablaufbilanz einfließen. Erwartete liquiditätswirksame Rückzahlungen aus dem Bestandskreditgeschäft werden fortlaufend in neue Kredite reinvestiert, da grundsätzlich von einer Fortführung der Geschäftsaktivitäten im Rahmen der Kontinuität auszugehen ist.

Bei der Beurteilung von externen Faktoren sind die Ausfallraten im Kreditgeschäft (PDs) im ICAAP von zentraler Bedeutung. Die angewendeten PDs mindern die erwarteten Zuflüsse im ILAAP. Aus Konsistenzgründen sollten diese identisch sein. Neben Kreditrisiken wirken auch Marktrisiken auf die Liquiditätssituation. Diese können das interne Liquiditätsdeckungspotenzial mindern und werden üblicherweise ebenfalls als Risikofaktor bereits im Basisszenario berücksichtigt.

An die Geschäftsplanung schließt sich meist die Refinanzierungsplanung an. Diese gibt u. a. Aufschluss darüber, durch welche Maßnahmen eine potenzielle Finanzierungslücke geschlossen werden kann. Bei bereits etablierten Kanälen können planbare, entlastende Maßnahmen in das Basisszenario aufgenommen werden. Dazu zählen z. B. die Emission von Anleihen und Pfandbriefen. Etwaige vorgesehene Maßnahmen aus der ICAAP-Planung, wie z. B. Kapitalmaßnahmen oder eine Portfolio-Reduktion durch Forderungsverkauf, sind aus Konsistenzgründen im ILAAP zu berücksichtigen.


 SEMINARTIPPS

Liquiditätsrisiko-Steuerung: Neue Vorgaben & Herausforderungen, 28.03.2019, Frankfurt/M.

Herausforderung: Verzahnung zwischen Kapital- und Liquiditätsplanung, 14.05.2019, Köln.

ICAAP- & ILAAP-Reporting: Neue Herausforderungen für Regionalbanken, 23.10.2019, Frankfurt/M.

Neue RTF-Praxis:(un)sachgerechte adverse Szenarien als Herausforderung, 24.10.2019, Frankfurt/M.


IV. Adverse Szenarien

Adverse Szenarien umfassen neben historisch beobachteten Entwicklungen von Marktparametern auch potenzielle Entwicklungen, die ein signifikantes Risiko für das Institut darstellen. Grundlage einer Stressbetrachtung bilden entwickelte Szenarien, welche entsprechende Annahmen über die Entwicklung von makroökonomischen Faktoren enthalten. Diese werden bei der Modellierung auf die bankspezifischen Parameter übertragen. So resultieren z. B. in einem Rezessionsszenario durch eine höhere Arbeitslosenquote und BIP-Rückgang erhöhte Ausfallraten (PD-Shifts) auf bestimmte Portfolien, die wiederum ausbleibende Liquiditätszuflüsse bedeuten.


 BUCHTIPP

Normen Rohde: Liquiditätsrisikomanagement deutscher Regionalbanken unter ganzheitlicher Betrachtung der drei Baseler Säulen, 2017.



Plötzliche Ausfälle wichtiger Kontrahenten der Bilanzaktiva können nicht nur die Liquiditätsreserve reduzieren, sondern bei entsprechenden Sichteinlagen die Liquiditätsabflüsse merklich ansteigen lassen. Ein modellierter marktweiter Verfall von Wertpapieren führt z. B. bei Ausweitung von Credit Spreads zu einem verminderten Liquiditätsdeckungspotenzial, welches in höheren Bewertungsabschlägen resultiert. Die Bewertungsabschläge hierfür können aus dem Marktpreisrisiko-Controlling entnommen werden. Im Rahmen sVaR-Ansatzes (stressed Value at Risk) werden auf Portfolioebene stressbedingte Bewertungsabschläge ermittelt, wodurch insbesondere unvorhersehbare Ereignisse abdeckt werden sollen.

Ungünstige Refinanzierungsbedingungen können bei anstehenden Anschlussfinanzierungen die Refinanzierungskosten beeinflussen und so zusätzliche Liquidität und Kapital beanspruchen. In der Risikotragfähigkeitsrechnung bestimmen Institute daher das Refinanzierungskostenrisiko, z. B. indem eine adverse Spread-Ausweitung für die ausstehenden Emissionen unterstellt wird. Darüber hinaus sollten operationelle Risiken ebenfalls in Bezug auf das Liquiditätsrisiko validiert werden. So können z. B. ein potenzieller Fehler bei Absicherungsgeschäften oder Schäden durch Vandalismus zusätzliche Liquiditätsabflüsse nach sich ziehen.

PRAXISTIPPS

  • Betrachten Sie die Liquiditätsplanung als Teil der Gesamtbankplanung.
  • Stellen Sie die Konsistenz zwischen Ihrer Kapital- und Liquiditätsplanung sicher.
  • Verflechtungen und potenzielle Liquiditätstransfers innerhalb der eigenen Gruppe sind zu berücksichtigen.
  • Das Meldewesen sollte um szenariobasierte Simulationsmöglichkeiten erweitert werden, um die normative Perspektive zu erfüllen.
  • Getroffene Annahmen und Prämissen in der Modellierung sollten stets aktuell gehalten werden.


Beitragsnummer: 924

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