Donnerstag, 30. August 2018

Stresstests für Immobilienrisiken

Thomas Tränkner, Fachbereich Marktrisiko, Deutsche Kreditbank AG

In Zeiten zunehmender Unsicherheiten auf den Kapitalmärkten und der andauernden Suche nach Rendite im Zusammenhang mit der Niedrigzinsphase, rückt ein Thema immer mehr in den Vordergrund, welches sonst eher am Rande betrachtet wird – die Stresstests. Sie sollen dabei helfen, jene Verlustpotentiale aufzuzeigen, die hinter den Konfidenzniveaus der „normalen“ Risikomessung liegen. Sowohl KWG als auch die Konkretisierung in den MaRisk fordern das Erstellen von Stresstests für das Gesamtrisikoprofil der Kreditinstitute.

Jeden Geschäftsleiter sollte interessieren, was seinem Unternehmen bei bestimmten Marktlagen passieren kann und was das Geschäftsmodell beeinflusst. Und dies sollte ein rein betriebswirtschaftliches Interesse sein und sich nicht allein auf die häufig nachlaufenden aufsichtsrechtlichen Vorgaben beziehen. Eine Betrachtung der Aktivseite der Bilanzen der Regionalbanken zeigt, dass neben den klassischen vier, in den MaRisk auch schon hinterlegten, Risiken Marktpreisrisiko, Kreditrisiko, operationelles Risiko und Liquiditätsrisiko meist noch eine weitere Risikoart Einfluss auf die Positionen hat – das Immobilienrisiko.

Wurden im Zuge der Risikoinventur die Immobilienrisiken im Gesamtrisikoprofil als wesentlich deklariert, zieht das eine ganze Reihe an aufsichtsrechtlichen Anforderungen nach sich. Neben der Ermittlung eines Wertes für das Immobilienrisiko, der regelmäßigen Berichterstattung und der Ermittlung von Risikokonzentrationen sind auch Stresstests zu erstellen.

SEMINARTIPPS

Frühwarnverfahren Immobilienkredite in Praxis & Prüfung, 26.03.2019, Frankfurt/Offenbach.

Prozesse Immobilienbewertung als Fokusthema der Aufsicht & Prüfer, 16.05.2019, Frankfurt/Offenbach.

Bauträgerfinanzierungen unter erschwerten Rechts- und Marktbedingungen, 20.05.2019, Frankfurt/M.

Immobilien als Eigenanlagen, 09.10.2019, Frankfurt/M.

Immobilienfinanzierung Spezial: Hotels, Sozial- und Pflegeimmobilien, 10.10.2019, Frankfurt/M.

Insbesondere die Risikoermittlung für Immobilienrisiken ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Modellungenauigkeiten. Es liegen in der Regel zu kurze Zeitreihen mit zu wenig Datenpunkten zu den jeweiligen Immobilienmärkten vor und die Komplexität einer Immobilienbewertung mit allen Einflüssen von Verwendungszweck über Mieterstruktur bis hin zum mikro- und makroökonomischen Umfeld wird von den Modellen nicht sinnvoll ausgewertet. In der Folge leidet die Prognosegüte. Dadurch kommt den flankierenden Ergebnissen der Stresstests in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu.

Zur Definition von Auslösern und Wirkungsketten der Stresstests sind das aktuelle volkswirtschaftliche Umfeld ebenso wichtig wie ein sinnhafter, nachvollziehbarer Aufbau. Gerade für Immobilienstresstests bietet es sich an, über die Beeinflussungsfaktoren des Immobilienpreises zu gehen. Eine Hilfestellung gibt die Deutsche Bundesbank mit ihrem Ansatz für die Preisermittlung, wobei der Immobilienpreis u. a. in Abhängigkeit von Wohnungsbestand, Zinsen, realem Einkommen und Arbeitslosigkeit ermittelt wird. Dies sind alles Komponenten des Angebots und der Nachfrage bzgl. der Immobilienmärkte, die nunmehr im Stressszenario modelliert werden können.

Da am Ende der Wirkungsketten die konkreten Berechnungen und Auswirkungen auf die einzelnen Risikoarten stehen, ist darauf zu achten, dass ein angenommener Immobilienmarktrückgang konsistent berücksichtigt wird. Nachdem die Wirkungszusammenhänge modelliert wurden, gilt es, die Parameter für das Stressszenario festzulegen. Eine Festlegung ist gerade bei hypothetischen Szenarien im Unterschied zur Ableitung von möglichen Parametern nötig, um Krisen oder Stresstests zu erzeugen, die in dieser Art noch nicht aufgetreten sind. Nichtsdestotrotz ist eine Verortung mit historischen Ereignissen oder Zeitreihen durchaus sinnvoll.

Um eine Abschätzung für die Verkraftbarkeit von Rückschlagspotentialen bzgl. der preislichen Entwicklung am Immobilienmarkt zu bekommen, bietet sich z. B. die Entwicklung eines inversen Sensitivitätsstresstests an. In diesem könnte isoliert eine negative Immobilienmarktentwicklung simuliert werden. Im Ergebnis zeigt sich, um wieviel Prozent die Immobilienpreise fallen könnten, ohne die Risikotragfähigkeit zu gefährden. Bei der in diesem Zusammenhang spannenden Frage, um wieviel Prozent die Immobilienmärkte überbewertet sind, unterstützt die Deutsche Bundesbank u. a. mit Hinweisen in der NZU-Auswertung (15–30 % in deutsche Städten).

Gerade an den durch intuitive Wirkungsketten oft für alle leichter verständlichen Einflüssen und Zusammenhängen können sinnvolle Diskussionen zu Positionierungen, Strategien und Maßnahmen geführt werden. Sie lassen die Risiken des Geschäftsmodells oft besser nachvollziehen. Es besteht auch gerade durch die inversen Stresstests die Möglichkeit eines Abgleichs mit den aufsichtlichen Publikationen im Kontext möglicher Übertreibungen am Immobilienmarkt.

PRAXISTIPPS

  • Überprüfen Sie die Abhängigkeit des Geschäftsmodells Ihres Instituts vom Immobilienmarkt.
  • Nicht nur im Falle der Wesentlichkeit des Immobilienrisikos ist es sinnvoll, die Abhängigkeiten vom Immobilienmarkt in den Stresstests zu berücksichtigen.
  • Bei Berücksichtigung der Immobilienrisiken in anderen Risikoarten ist eine konsistente Berechnung zugrunde zu legen.
  • Achten Sie auf eine Verknüpfung mit den relevanten Themenfeldern: Strategie, Risikomessung, Risikokonzentrationen, Berichtswesen und Frühwarnprozesse.


Beitragsnummer: 919

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