Mittwoch, 24. Juni 2020

BGH urteilt zum Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO

BGH urteilt erstmals zur neu eingeführten Vermutungsregelung für Vorsatzanfechtungen bei Gewährung von Zahlungserleichterungen.

Eduard Meier, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

 

Mit Urt. v. 07.05.2020 – IX ZR 18/19 – hat der Bundesgerichtshof erstmals eine Entscheidung zur Anwendung der 2017 neu in das Gesetzt aufgenommenen Vermutungsregelung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO getroffen. Danach wird zugunsten des Anfechtungsgegners, der mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Die konkrete Handhabung dieser Regelung in der Praxis war seit ihrer Einführung hinsichtlich zahlreicher Detailfragen streitig.  

 

SEMINARTIPPS

Haftungsfalle Sanierungsgutachten, 18.11.2020, Köln.

Schlanke und bezahlbare Sanierungskonzepte, 19.11.2020, Köln.

 

In seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof nun zunächst klargestellt, dass die Vermutung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO widerleglich sei. Der Insolvenzverwalter könne sich zur Widerlegung auf alle Umstände berufen, die über die Gewährung der Zahlungserleichterung und die darauf gerichtete Bitte des Schuldners hinausgingen. Dazu gehörten auch solche Umstände, die bereits vor Gewährung der Zahlungserleichterung bestanden und aus denen nach der gewährten Zahlungserleichterung wie schon zuvor zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu schließen war. Eine unternehmerische Tätigkeit des Schuldners rechtfertige den Schluss auf eine Kenntnis von anderen, durch die angefochtene Rechtshandlung benachteiligten Gläubigern jedoch nur dann, wenn der Anfechtungsgegner von dieser Tätigkeit auch Kenntnis gehabt habe.

 

BUCHTIPP

Cranshaw/Paulus/Michel (Hrsg.), Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016.

 

Ausdrücklich offen gelassen hat der Bundesgerichtshof hingegen die Frage, ob die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO über die Begründung des Gesetzesentwurfes hinaus nicht nur die der Gewährung einer Zahlungserleichterung typischerweise zugrundeliegenden Bitte des Schuldners umfasst, sondern auch die typischerweise mit dem Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung einhergehenden Begleitumstände wie Lastschriftretouren und ausgebliebene Darlehenszahlungen.

 

PRAXISTIPP

In seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof die dogmatische Einordnung der 2017 mit dem Reformgesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach InsO und AnfG neu eingeführten Regelung des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO als widerlegliche gesetzliche Vermutung und deren tatbestandliche Voraussetzungen klargestellt. Folge der Vermutungsregelung ist danach letztlich, dass der Insolvenzverwalter den ihm ohnehin auch schon zuvor obliegenden Nachweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nunmehr von Gesetzes wegen weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die dieser Gewährung typischerweise zugrundeliegende Bitte des Schuldners stützen könne.

Dass der Bundesgerichtshof ausdrücklich offen gelassen hat, ob auch typischerweise mit dem Abschluss von Zahlungserleichterungen einhergehende Begleitumstände den Vermutungstatbestand begründen können, ist zumindest überraschend, da er zugleich festgestellt hat, dass der Insolvenzverwalter sich zum Nachweis auf alle Umstände berufen könne, die über die Gewährung der Zahlungserleichterung und die darauf gerichtete Bitte des Schuldners hinausgingen. Es bleibt damit jedenfalls die Hintertür weiter offen, sich gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Auslösung des Vermutungstatbestands des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO in geeigneten Einzelfällen auch auf Begleitumstände von Zahlungserleichterungen berufen zu können.


Beitragsnummer: 9172

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