Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner
In einem Fall, in welchem drei in den Jahren 1994 und 1996 abgeschlossene unbefristet laufende Prämiensparverträge im Oktober 2015 auf die Rechtsnachfolgerin der früheren Sparer ohne jedwede Änderung des Vertragsinhalts der drei Sparverträge umgeschrieben wurden, hat das OLG Dresden in einem Urt. v. 21.11.2019, Az. 8 U 1770/18 (WM 2020, 1060) angenommen, die betroffene Sparkasse habe, ohne dies mit der Rechtsnachfolgerin der bisherigen Sparer auch nur ansatzweise zu thematisieren, aus eigenem Anlass sowie auf eigene Initiative die ursprünglich unbefristet laufenden drei Sparverträge bei deren schlichten Umschreibung auf die neue Sparerin mit einer festen, eine Kündigung der Sparverträge ausschließenden Laufzeit von 99 Jahren (1.188 Monaten) versehen. Dies obwohl zwischen den Parteien unstreitig war, dass die in allen drei Sparverträgen rein zufällig aufgenommene Laufzeit von 1.188 Monaten (99 Jahren) nur deswegen in den ursprünglich unstreitig unbefristet laufenden drei Sparverträgen hinterlegt wurde, weil die Software der Sparkasse nicht in der Lage war, eine Umschreibung unbefristet laufender Sparverträge anders als mit dieser Anzahl von Monaten zu hinterlegen.
SEMINARTIPPS
Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 29.10.2020, Würzburg.
(Un)Zulässige Bankentgelte, 24.11.2020, Frankfurt/M.
PRAXISTIPP
Vor dem Hintergrund, dass die klagende Erbin und Rechtsnachfolgerin unstreitig in die drei ursprünglich in den Jahren 1994 und 1996 abgeschlossenen Darlehensverträge im Oktober 2015 eingetreten ist, ohne dass der Inhalt der bereits 17 bzw. 19 Jahre unbefristet laufende Altsparverträge abgeändert wurde und zwischen den Parteien weiter unstreitig war, dass die 1.188 Monate (99 Jahre) nur deswegen als Laufzeit hinterlegt wurden, weil ansonsten eine Umschreibung der Sparverträge technisch nicht möglich gewesen wäre, kann die vom OLG vorgenommene Auslegung der umgeschriebenen Sparverträge nicht ernsthaft vertreten werden. Vielmehr wäre schon bei unbefangener Beurteilung des Willens der Vertragsparteien bei Umschreibung der Altsparverträge feststellbar gewesen, dass die Vereinbarung einer festen Laufzeit von 99 Jahren im Oktober 2015 zusätzlich zu den bereits abgelaufenen 17 bzw. 19 Jahren nicht ernsthaft von den Parteien gewollt war (so auch LG Zwickau, Urt. v. 25.10.2018, Az. 4 O 70/18). Diesbezüglich ist nämlich in der Rechtsprechung des BGH schon seit jeher anerkannt, dass zwar theoretisch denkbare, praktisch aber völlig fernliegende und nicht ernstlich gemeinte Auslegungsvarianten nicht in Betracht zu ziehen sind.
Weswegen das OLG Dresden ungeachtet dieses Grundsatzes in seiner Entscheidung ausführt, es sei nicht festzustellen, dass die am Wortlaut orientierte Auslegung völlig fern liegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen ist, ist unerfindlich. Jedenfalls hätte das OLG aus hiesiger Sicht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls der Klägerin zumindest die Berufung auf eine solche nicht ernstlich gemeinte Auslegung gem. den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehren müssen. Jedenfalls ist es abwegig zu glauben, dass bei einer schlichten Umschreibung bereits langjährig laufender unbefristeter Sparverträge die neuen Vertragsparteien ohne die Führung jedweder Gespräche über den Inhalt der Sparverträge aus drei unbefristet laufenden Sparverträgen plötzlich drei Sparverträge mit einer Laufzeit von 99 Jahren vereinbaren.
Beitragsnummer: 9170