Mittwoch, 24. Juni 2020

AGB-Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel weiterhin wirksam?

Verbot von Änderungen wesentlicher Vertragsbestandteile im Wege der Zustimmungsfiktionsklausel?

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

 

In seinen Schlussanträgen im Verfahren vor dem EuGH, Az. C-287/19, vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass sich aus Art. 52 Nr. 6a i. V. m. Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2015/2366 ergibt, dass die Möglichkeit einer stillschweigenden Zustimmung zur Änderung der Vertragsbedingungen im Sinne dieser Normen dann eng auszulegen ist, wenn die entsprechenden Änderungen für den Kunden ungünstig sind. Dies mit der Konsequenz, dass die Möglichkeit einer stillschweigenden Zustimmung zu den geplanten Änderungen nur für nicht wesentliche Änderungen von Klauseln eines Zahlungsdiensterahmenvertrages besteht und rechtlich zulässig ist, weswegen Änderungen von wesentlichen Bestandteilen eines Rahmenvertrags einer ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers bedürfen. 

 

SEMINARTIPPS

Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 29.10.2020, Würzburg.

(Un)Zulässige Bankentgelte, 24.11.2020, Frankfurt/M.

 

PRAXISTIPP

 

Ungeachtet der Tatsache, dass vorstehend zitierte Normen der Richtlinie nach hiesiger Auffassung die vom Generalanwalt favorisierte enge Auslegung nicht erlauben, dürfte die in den AGB der Banken und Sparkassen enthaltene Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel nach deutschem Recht AGB-rechtlich nicht überprüfbar sein, nachdem die Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel der gesetzlichen Regelung des § 675g BGB entspricht und nach der eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Norm des § 307 Abs. 3 BGB AGB-Regelungen nur dann überprüfbar sind, wenn sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten, was bei der Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel gerade nicht der Fall ist (wie hier LG Berlin, Urt. v. 04.12.2018, Az. 16 O 428/17, m. Anm. Homberger, EWiR 8/2009 S. 227 f. und Edelmann, BTS Bankrecht 2019 S. 125; OLG Köln, Urt. v. 19.12.2019, Az. 12 U 87/18, m. Anm. Weimer, BB 2020 S. 591; sowie Edelmann, BTS Bankrecht 2020 S. 18 f.; wie hier auch Habersack, BKR 2020 S. 53 ff. u. Schmidt-Kessel/Rank, WM 2018 S. 2.205 ff.).

 

Die Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel hält nach hiesiger Auffassung darüber hinaus auch den AGB-rechtlichen Transparenzanforderungen stand. Denn eine Klausel, welche inhaltlich, terminologisch und systematisch der gesetzlichen Norm des § 675g BGB entspricht, ist schon allein aus diesem Grund hinreichend bestimmt und ausreichend transparent (wie hier BGH, Urt. v. 07.02.2019, Az. III ZR 38/18, NJW-RR 2019 S. 942, 944, Rn. 27; OLG Köln, a.a.O.; LG Berlin, a.a.O.; Schmidt-Kessel/Rank, WM 2018 S. 2.205, 2.213; Habersack, BKR 2020 S. 53, 57; Homberger, a.a.O.). 

 

Sind somit die deutschen gesetzlichen AGB-rechtlichen Regelungen des § 307 Abs. 3 BGB sowie des § 675g BGB eindeutig, so vermag auch eine etwaige in Betracht kommende europarechtskonforme Auslegung nationaler Normen an der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel nichts zu ändern. Dies deshalb, weil der Grundsatz gemeinschaftskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung nicht zu einer Auslegung des nationalen Rechts contra legem führen kann (wie hier OLG Köln, a.a.O.; vgl. hierzu umfassend Hölldampf, WM 2020 S. 907 ff. im Zusammenhang mit dem sog. Kaskaden-Verweis im Widerrufsrecht). Hiervon unabhängig führt im deutschen Recht allein der Fiktionsänderungsmechanismus für sich allein zu keinem Nachteil beim Verbraucher i. S. d. vom Generalanwalt angesprochenen „Ungünstigkeit“. Dies deshalb, weil ein etwaiger Nachteil in Form von für den Verbraucher ungünstigen Änderungen der AGB-rechtlichen Ausübungskontrolle unterliegt, sodass auch aus diesem Grund die Ausführungen des Generalanwalts im deutschen Recht ins Leere laufen dürften. 


Beitragsnummer: 9167

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