Montag, 11. Januar 2021

Herausforderungen der neuen Risikotragfähigkeits-Perspektiven

Erhöhte Anforderungen an interne Steuerungsansätze und deren Impulsgeber

Frank Neumann, Leiter Controlling, Sparkasse Bodensee

Mit dem neuen Leitfaden „Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung“ (ICAAP) vom 24.05.2018 wurde ein Paradigmenwechsel eingeleitet und das Primat der Doppelunterlegung von Risiken durch die Aufsicht abgeschafft. Dem bisherigen Säule 1+ Ansatz wurde Bestandsschutz erteilt. Die Vorteile aus der Neuregelung werden jedoch unbestritten dafür sorgen, dass die aktualisierte Anforderung der Aufsicht schnell Einzug in die Praxis hält.


Seminartipps

Die wesentlichen Vorteile der Neuerung aus Praktikersicht sind die Aufgabe der Doppelunterlegung von Risiken sowie die klare Trennung der steuerungsrelevanten Perspektiven und Sachverhalte. Damit wird eine Harmonisierung der deutschen Vorschriften mit internationalen Standards erreicht und potenziellen Wettbewerbsnachteilen entgegengewirkt. Betrachtet man die Neuregelungen im Kontext der zu erwartenden steigenden Belastungen aus der Umsetzung der CRD II, Basel IV sowie weiteren Regulierungsvorhaben (z. B. LCR weitere Abflussfaktoren; NPL Backstopp usw.) so wird klar, dass die frühzeitige Befassung mit den angepassten Regelungen unter Umständen eine existenzielle Bedeutung haben.

 

 

Normative Sicht

Ökonische Sicht

Ziel:

  • Sicherstellung der Fortführungsfähigkeit
  • Substanz-und Gläubigerschutz

Betrachtungszeitraum:

  • mind. 3 Jahre
  • ein Jahr rollierend

Methodik:

  • Planung der Kapitalentwicklung und der aufsichtl. Anfor-derungen: Eigenmittel (Säule 1), Leverage Ratio, Großkredite …
  • 1 Plan- und mind. 1 adv. Szenario
  • Berechnung der Risiken und des Risikodeckungspotenzials
  • Barwertig oder barwertnah
  • Konservative Risikomessung: VaR auf 99,9%

RDP Begriff:

  • Aufsichtliche Eigenmittel
  • ökononmisch ermittelter Substanzwert / Ertragswert je nach Institut

Risikobegriff:

  • RWA
  • Ökonomisch ermittelte Risiken

Relevante Begrenzung:

  • Mindestkapitalisierungs-anforderungen
  • Zu erhaltene RDP´s / Limitierungen

 

Anhand der Gegenüberstellung der Methoden wird bereits erkennbar, dass beispielsweise für die normative Sicht an die Genauigkeit von Planungen höhere Anforderungen gestellt werden.

Die Spannweise an aufzustellenden Planungen insb. der Eigenmittel erhöht die Komplexität für alle Beteiligten, generiert jedoch ebenso erheblichen Mehrwert. Vor allem bei kapitalschwächeren Instituten kann die Kombination aus erodierenden Ergebnissen mit zusätzlichen Belastungen (z. B. NPL-Backstop, Neujustierung der KSA-Forderungsgewichte) und den infolge der Corona-Pandemie bestehenden Entwicklungsunsicherheiten das tradierte Geschäftsmodell in Frage stellen und gänzlich andere Impulse als die bisherige RTF-Betrachtung im Rahmen des Säule 1+ Ansatzes liefern. Bestehende RTF-Konzeptionen sind im Vergleich zu einer Eigenmittelplanung insb. auf die Bestimmung des Status Quo und die Abbildung einer begrenzten Vielfalt an Szenarien über einen Zeitraum von bis zu rollierend zwölf Monaten ausgelegt. Die bekannten Anforderungen an die Eigenmittelplanung sehen melderelevante Szenario-Betrachtung auf Sicht von mindestens drei Jahren vor. Insb. schleichende Entwicklungen wie Quotenreduktionen in Folge von Wachstum oder in der RTF nicht erfasste Sachverhalte wie Belastungen über den bisherigen Planungshorizont hinaus werden sichtbar.

Die häufig beobachtbare Kultur der Befassung bei mehr Klarheit (sprich Eintreten binnen 12–18 Monaten) weicht einer noch langfristigeren Herangehensweise, in der die Geschäftsstrategie aber auch eine Revision der bisher verfolgten Strategien elementar sind. An Controller wie auch Entscheider steigen die Anforderungen, Entwicklungen zu antizipieren, in Szenarien zu denken und bereits frühzeitig gegen Widerstände Justierungen vorzunehmen. Soft Skills wie Kommunikation und der Strategieprozess im Besonderen werden hierdurch noch mehr gefordert als bisher.



Neben den Controlling-Abteilungen bedeutet diese Methodik-Änderung in der Feststellung der Risikotragfähigkeit auch ein Umdenken bei Entscheidern in Banken. Um die Ergebnisse sinnvoll einzuwerten, besteht vielfach noch Bedarf an vertiefenden Analysen/Wissensaufbau. Wie bei jeder Veränderung können Unsicherheiten und Widerstände entstehen. Es ist wichtig, die Entscheider dort abzuholen, wo sie stehen und den Umgestaltungsprozess, z. B. in Form eines Vorgehensplans, begreifbar zu machen. Wesentlich für die Akzeptanz ist es auch, dass Entscheider mögliche Stolpersteine erkennen und die Möglichkeit haben, Wissen aufzubauen.

 Im Kern hat die Bankenaufsicht beim neuen RTF-Leitfaden nicht weniger als das Herzstück der Steuerung umgestaltet. Neben den prozessualen und methodischen Veränderungen ergeben sich enorme inhaltliche Fragen, bei denen auch das Management auskunftsfähig sein muss. Je nach Ergebnis ergeben sich neue Steuerungsimpulse. Allein die Diskussion der Planung der RWA-Entwicklung dürfte insb. Revision und Vorstand vor neue Herausforderungen stellen. Betrachtet man diese mögliche Diskussion im Kontext von CRR II, Basel IV und dem NPL-Backstop, so wird aus einer Vereinfachung eine überaus komplexe neue Herausforderung.

PRAXISTIPPS

  • Obwohl der Methodenwechsel intensiv durch Verbände und Unternehmensberatungen begleitet und unterstützt wird, lohnt sich eine interne Kommunikation und Beschäftigung mit der veränderten Vorgehensweise. So kann das Vorgehen zur Planung der GuV-Ergebnisse und der RWA-Entwicklungen überprüft und weiterentwickelt werden. Daneben werden die zugehörigen Kommunikations- und Dokumentationsprozesse künftig noch bedeutsamer.
  • Kommunizieren Sie gegenüber den Entscheidern die Anpassungen frühzeitig und reservieren Sie entsprechende Ressourcen. Sehen Sie insb. die normative Sicht im Kontext von CRD II und Basel IV.
  • Prüfen Sie Ihren Datenhaushalt. Durch die Umstellung der Herangehensweisen werden insb. in der ökonomischen Sicht komplexe mathematische Verfahren eingeführt (z. B. VaR). Diese basieren mehr noch als die derzeit verbreiteten Szenario-Ansätze auf Daten. Ungereimtheiten können künftig kaum mehr durch Parameternachjustierungen abgefangen werden. Auch die notwendigen Modell- und Verfahrensvalidierungen werden ein Höchstmaß an Datentransparenz erfordern.

Beitragsnummer: 9164

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