Mittwoch, 24. Juni 2020

Veränderte Liquiditätserfordernisse in der Krise

Tobias Westbrock, Referent Risikocontrolling, Institutssteuerung, abcbank Köln

 

Versucht man in Zeiten einer systemischen Krise den Liquiditätsbedarf eines Institutes zu bestimmen, sind eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. Nicht nur die reine Liquiditätsablaufbilanz des Bestandes enthält auf Grund neuer Elemente, wie dem Zahlungsverhalten am Ende der Moratorien, ein großes Maß an Unsicherheit, auch die Abschätzung des Neugeschäftes fällt nicht leicht und ist dabei stark von den Branchen abhängig, aus denen sich der Kundenstamm zusammensetzt.

 



Liquiditätsablaufbilanz

 

Die Liquidität aus dem Bestandsgeschäft kann zum einen durch die Passivseite unter Druck geraten. Es ist zu befürchten, dass Einlagenkunden ihre kurzfristig verfügbaren Gelder abziehen bzw. kündigen, da sie sie zur Deckung ihrer eigenen Liquiditätslücken benötigen. Das Ausbleiben ihrer regelmäßigen Einnahmen kann also, ungeachtet der Inanspruchnahme staatlicher Hilfen, das Auflösen von Liquiditätsreserven notwendig machen.

 

Betrachtet man zum anderen die Aktivseite mit den gesetzlichen Moratorien für Privatkunden und Kleinstunternehmen, sowie auf freiwilliger Basis eingeräumte Zahlungsaufschübe gegenüber größeren Kunden, so bleiben dort Zahlungsrückflüsse im Kreditgeschäft aus, die den extern aufzunehmenden Liquiditätsbedarf gesenkt hätten. War anfangs nur mit einem Aufschub um 90 Tage zu rechnen, wurde nun von der EBA die Möglichkeit eingeräumt, diesen Zeitraum um weitere drei Monate zu verlängern. Natürlich bedeutet es nicht automatisch, dass jeder Kunde sich darauf berufen wird, es zeigt jedoch, dass ein gewisser Bedarf für derartige Maßnahmen gesehen wird.

 

SEMINARTIPPS

COREP: Verschärfte Anforderungen im Solvenz- & Liquiditätsmeldewesen, 26.10.2020, Frankfurt/M.

ILAAP-Vorgaben nach Corona: Optionen für Liquidität- und Banksteuerung, 02.11.2020, Hamburg.

Negativzinsen: Herausforderungen für Banksteuerung und Kundengeschäft, 03.11.2020, Hamburg.

Spezialfonds in Banken: Herausforderungen bei Abbildung & Steuerung, 23.11.2020, Frankfurt/M.

Geschäftsmodell- & Ertragsanalyse unter Beachtung von Covid-19-Folgen, 24.11.2020, Frankfurt/M.

 

Gerade Privatkunden und kleinere Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern, die über keine großen Reserven verfügen, könnten von diesem Recht gebraucht machen.

 

Liquiditätsbedarf Neugeschäft

 

Die Liquidität, die für Neugeschäft aufgebracht werden muss, ist natürlich nicht unabhängig von dem Liquiditätspotential des Bestandes zu betrachten. Dennoch gibt es unterschiedliche Konstellationen, die sogar zu einem geringeren Liquiditätsbedarf als vor der Krise führen können oder trotz dieser Chancen auf Neugeschäft eröffnen.

 

Gerade wenn ein Institut vermehrt mit Branchen Geschäfte macht, die stark von den gesetzlichen Einschränkungen des Alltags betroffen sind (z. B. Reisebranche/Touristik, Aussteller), werden die Rückflüsse des Kreditbestandes um bis zu 180 Tage gestundet und stehen damit zwischenzeitlich nicht zur Deckung des Liquiditätsbedarfes zur Verfügung. Auf der anderen Seite werden solche Betriebe kaum neue Finanzierungskredite abschließen, da sie ihre geplanten Investitionen ebenfalls nach hinten stellen. So kann der Liquiditätsbedarf für Neugeschäft weitaus geringer ausfallen, als so manche Planung es noch zu Jahresbeginn vorgesehen hat.

 

Gleichzeitig steigt aber der Bedarf an Überbrückungskrediten, die über die staatlichen Soforthilfen hinausgehen. Vor allem für Betriebe mit mehr als zehn Angestellten dürften letztere schnell aufgebraucht sein, so dass weitere Liquiditätsquellen erschlossen werden müssen.

 

Hier hilft die EZB den Instituten durch den Zugang zu günstiger Liquidität, die sie in Form von kurzfristigen Kreditlinien an die betroffenen Firmen weitergeben können. Auf diese Weise ließe sich Neugeschäftsvolumen realisieren, das sich, im Gegensatz zum vorherigen Absatz, zu Jahresbeginn in keiner Planung wiedergefunden hat.

 

Nach den Moratorien

 

Spannend wird außerdem der Ausblick auf die Zeit nach den Moratorien, denn trotz der gewährten Aufschübe werden kaum alle Kreditnehmer ihren Zahlungsverpflichtungen mit deren Ablauf wieder nachkommen können. Ob und in welchem Umfang sich die Ausfälle erhöhen werden, ist derzeit aber nur schwer und vor allem nicht gesichert vorherzusagen, kann aber eventuell auf Einzelkundenebene bereits antizipiert werden.

 

Welche der aufgeführten Aspekte überwiegen und ob sie überhaupt schlagend werden, ist sicherlich von dem individuellen Geschäftsmodell und dem Kundenstamm eines Institutes abhängig. Aber jede Bank, die auf irgendeine Weise Kredite an Unternehmen vergibt, wird die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf das eigene Portfolio beobachten können.

 

PRAXISTIPPS

  • Inwieweit kann ausfallendes Neugeschäft durch „Krisenprodukte“ kompensiert werden?
  • Inwiefern sind Abschätzungen möglich, welche Kunden besonders stark betroffen sind, um spätere Ausfälle zu antizipieren?
  • Bestimmte Konstellationen können sich mindernd auf den Liquiditätsbedarf auswirken.

Beitragsnummer: 8941

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Start-Ups: Geschäftschance versus Risiko

Die Finanzierung von StartUps kann sehr unterschiedlich aussehen. Der Grat zwischen Neugeschäft und Risiko ist oft klein.

28.08.2023

Beitragsicon
Beweglich trotz Krise: objektbasierte Finanzierung für KMU

Steigende Insolvenzzahlen, komplexe Restrukturierungen und unsichere Gesamtwirtschaft. Leasing bieten KMU-Kunden auch in Krisenzeiten Unterstützung.

21.03.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.