Prof. Dr. Patrick Rösler, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender FCH Gruppe AG, Heidelberg
Dr. Volker Lang, wissenschaftlicher Mitarbeiter, v. Tunkl und Partner, Bonn
Die Rechtsprechung des BGH zur Aufklärungspflicht der Banken bei Kreditvergabe hat eine lange Tradition[1]. Grundsätzlich ist für die Frage der Reichweite von Aufklärungs- und Beratungspflichten zu unterscheiden, ob die Bank in ihrer Rolle als Finanzierer vorvertragliche Aufklärungspflichten beachten muss oder ob sie beratend tätig wird. In diesem Fall darf der Darlehensnehmer eine vollständige Beratung nach der Reichweite des jeweils geschlossenen Beratungsvertrages erwarten. Verletzt die Bank ihre Beratungspflicht, macht sie sich haftbar.
I. Aufklärungspflichten bei der Kreditvergabe
1. Grundsatz: Keine Aufklärungspflichten
In diesen Fällen muss die Bank nicht vor Risiken der Darlehensverwendung wie z. B. bei kreditfinanzierten Wertpapieranlagen oder bei kreditfinanzierten Immobiliengeschäften warnen. Auch allgemeine Risiken wie der Wert der Immobilie oder deren Zustand lösen vor diesem Hintergrund keine Aufklärungspflicht aus[2].
2. Vier Ausnahmefallgruppen
Dieser Grundsatz erfährt allerdings Ausnahmen, die in vier Gruppen zusammengefasst werden können. Liegt eine dieser Fallgruppen vor, haftet die Bank gegenüber dem Darlehensnehmer aufgrund der Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht. Die Rechtsprechung hat eine entsprechende Aufklärungspflicht in folgenden Konstellationen angenommen[3]:
- Konkreter Wissensvorsprung: Sofern die Bank einen konkreten Wissensvorsprung im Hinblick auf das Finanzierungsvorhaben besitzt, etwa, wenn ihr bekannt ist, dass das zugrunde liegende Projekt scheitern wird, der Projektbetreiber zahlungsunfähig ist oder dass er in der Vergangenheit Kunden geschädigt hat, muss sie dies dem Kunden offenlegen. Allerdings muss sie keine aktiven Nachforschungen anstellen, d.h. sie ist nicht verpflichtet, sich einen Wissensvorsprung zu verschaffen.
- Überschreiten der Kreditgeberrolle: Gleiches gilt, wenn die Bank ihre Rolle als Kreditgeber überschreitet. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sie nach außen erkennbar auch als Vermittler oder Verkäufer des zu finanzierenden Objekts auftritt.
- Gefährdungstatbestand: Aufklärungspflichtig ist des Weiteren, wenn und soweit die Bank einen speziellen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft, der über das allgemeine wirtschaftliche Risiko hinausgeht. Das kann z. B. dann der Fall sein, wenn die Bank ein Bauträgerprojekt in Schieflage „auf dem Rücken der Erwerber“ saniert und insoweit ihr eigenes Kreditrisiko auf diese verlagert.
- Schwerwiegender Interessenkonflikt: Schließlich besteht eine Aufklärungspflicht, wenn sich die Bank in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt befindet. Der klassische Fall der Doppelfinanzierung von Bauträger und Erwerber ist für die Annahme eines solchen allerdings nicht ausreichend. Hinzutreten müssen weitere Umstände, z. B. wenn die Bank zur Realisierung bzw. Insolvenzvermeidung bei Altkrediten weitere Projekte finanziert. Auch in diesen Fällen hat der BGH eine Aufklärungspflicht über diese Interessenkollision angenommen.
II. Grundsätze der Beratung
1. Zustandekommen eines Beratungsvertrages
Seit jeher gilt im Kreditgeschäft der Grundsatz, dass eine Bank, die ihre Rolle als Darlehensgeberin nicht überschreitet, nicht verpflichtet ist, eine Beratung durchzuführen[4]. So muss sie nicht von sich aus auf mögliche Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der vom Kunden ausgewählten Kreditart hinweisen, da es grundsätzlich Sache des Darlehensnehmers ist, darüber zu befinden, welche in Betracht kommenden Gestaltungsformen seinen wirtschaftlichen Verhältnissen am besten entsprechen[5]. [...]
Beitragsnummer: 8918