Montag, 25. Mai 2020

EuGH zum Verstoß gegen Verpflichtung zur Kreditwürdigkeitsprüfung

EuGH: Gerichte sollen Verstöße gegen die Verpflichtung zur Kreditwürdigkeitsprüfung von Amts wegen prüfen

Eduard Meier, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

 

Mit Urt. v. 05.03.2020 – C-679/18 hat der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren auf Vorlage eines tschechischen Gerichts entschieden, dass Art. 8 und 23 der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen seien, dass sie einem innerstaatlichen Gericht vorschreiben, das Vorliegen eines Verstoßes gegen die vorvertragliche Verpflichtung des Kreditgebers zur Bewertung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers von Amts wegen zu prüfen und die im nationalen Recht festgelegten Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung anzuordnen. Eine nationalstaatliche Regelung, wonach die Rechtsfolgen lediglich dann eintreten, wenn der Verbraucher diese geltend macht, sei unzulässig.

 

SEMINARTIPPS

VerbraucherKreditRecht 2020, 22.09.2020, Frankfurt/M.

Aktuelle Praxisfragen WKR: Neue EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe!, 28.09.2020, Frankfurt/M.

Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 23.11.2020, Frankfurt/M.

 

Die streitgegenständliche Regelung des tschechischen Gesetzes über Verbraucherkreditverträge sieht vor, dass ein Verbraucherdarlehensvertrag, welcher unter Verletzung der Verpflichtung zur Kreditwürdigkeitsprüfung abgeschlossen wird, nichtig ist. Auf die Nichtigkeit kann sich allerdings alleine der Verbraucher (binnen einer Verjährungsfrist von drei Jahren ab Vertragsschluss) berufen. Tut er dies, muss er den gewährten Betrag des Verbraucherkredits ohne Zinsen in einem ihm zumutbaren Zeitraum zurückzuzahlen.

 

Dass die entsprechende Sanktion nur dann eintritt, wenn sie (fristgemäß) durch den Verbraucher geltend gemacht wird, hat der EuGH als europarechtswidrig erachtet und eine unionsrechtskonforme Auslegung verlangt. In diesem Zusammenhang hat der EuGH jedoch auch klargestellt, dass die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung ihre Grenzen in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und insbesondere dem Grundsatz der Rechtssicherheit findet und daher nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen kann.

 

PRAXISTIPP

 

Der deutsche Gesetzgeber hat als Sanktion für einen Verstoß gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung in § 505d BGB neben einer Reduzierung des vereinbarten Sollzinssatzes u. a. auch ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Darlehensnehmers eingeführt. Die tschechische Regelung, über die der EuGH zu befinden hatte, scheint einem Rücktrittsrecht inhaltlich durchaus vergleichbar zu sein, da das Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht zu seiner Wirksamkeit ebenfalls eine Ausübung durch den Berechtigten voraussetzt. 

 

Nachdem der EuGH aber auch klargestellt hat, dass eine richtlinienkonforme Auslegung contra legem des nationalen Rechts nicht möglich ist, kann das Rücktrittsrecht nicht als gesetzlich angeordnete Rückabwicklung ausgelegt werden. Dass die Entscheidung auf die deutsche Rechtslage und dabei insbesondere auf die gerichtlichen Prüfungspflichten überhaupt Auswirkungen hat, ist vor diesem Hintergrund zu bezweifeln.


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