Dienstag, 11. September 2018

Folgenbeseitigungsanspruch bei rechtswidrig vereinnahmten Entgelten

Dr. Tilman Schultheiß, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

Das OLG Dresden hat sich in einer Entscheidung zu einem lauterkeitsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch in einem Verbandsklageverfahren bei rechtswidrig vereinnahmten Entgelten positioniert (Urt. v. 10.04.2018, Az.: 14 U 82/16). Das beklagte Kreditinstitut hatte wider die seit langem geltende BGH-Rechtsprechung Entgelte für den im Kontext von Pfändungsmaßnahmen entstandenen Aufwand berechnet. Das OLG Dresden hat die Erhebung eines solchen Entgelts daher konsequent als rechtswidrig eingestuft. Dass diese Entgelte nicht auf Basis einer AGB-Klausel, sondern schlicht-faktisch erhoben wurden, war wegen § 306a BGB irrelevant.

SEMINARTIPP

Risiko Kontoführung & Zahlungsverkehr, 19.11.2018, Frankfurt/M.


Zudem hat das OLG Dresden das beklagte Institut u. a. im Rahmen eines lauterkeitsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs auf Basis von § 8 UWG zur Erstattung der Entgelte verpflichtet. Ein solcher Folgenbeseitigungsanspruch mag mit Blick auf die jüngere BGH-Rechtsprechung (Urt. v. 14.12.2017, Az.: I ZR 184/15) im Nachgang zu der FlexStrom-Rechtsprechung des KG (Urt. v. 27.03.2013, Az.: 5 U 112/11) für den vorliegenden – besonders krassen – Fall noch nachvollziehbar sein: Der in der Vereinnahmung der inkriminierten Entgelte liegende Verstoß gegen die BGH-Rechtsprechung war evident. Als reguläre Rechtsfolge rechtswidrig vereinnahmter Entgelte kommt der Folgenbeseitigungsanspruch jedoch aus mehreren Gründen nicht in Betracht. Denn das Lauterkeitsrecht, das das OLG Dresden als Basis des Folgenbeseitigungsanspruchs heranzieht, zielt auf die Sanktionierung unlauteren Verhaltens – deshalb mag für zunächst auf vertretbarer rechtlicher Grundlage erhobene Entgelte nach einer einschlägig negativen höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar ein Unterlassungsanspruch für die künftige Erhebung begründet sein; eine (Folgen)Beseitigung für die Vergangenheit kommt dann aber nicht in Betracht. Erst recht gilt dies für Entgelte, die über lange Zeit im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung erhoben wurden, im Falle einer Änderung der Rechtsprechung (Stichwort: Bearbeitungsentgelte). Denn in beiden Konstellationen fehlt der der Unlauterkeit immanente Sorgfaltsverstoß (§ 3 Abs. 2 UWG). Eine Folgenbeseitigung ist in diesen Fällen für die Vergangenheit zudem auch deshalb nicht möglich, da es am Merkmal des Verschuldens fehlt, das auch im Lauterkeitsrecht in das Tatbestandsmerkmal der Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne) etwaiger Rechtsfolgen für lauterkeitswidriges Verhalten hineinzulesen ist. Insofern hat die Ausgangsinstanz im hiesigen Rechtsstreit auch prägnant formuliert, dass sich das beklagte Institut durch sein Verhalten „hartnäckig einer seit dem Jahr 1999 bestehenden BGH-Rechtsprechung widersetzt und ihre Position gegenüber Verbrauchern missbraucht“ habe, weshalb das „Verschulden“ besonders schwer wiege.

PRAXISTIPP

Vor dem Hintergrund vorstehender Erwägungen ist zur Verteidigung gegen Folgenbeseitigungsansprüche im Einzelfall zunächst genau zu prüfen, welche Intensität der Verstoß aufweist. Zudem ist zu beachten, dass die Wahl der Mittel zur Erfüllung eines (begründeten) Folgenbeseitigungsanspruchs dem Schuldner (Kreditinstitut) obliegt. Dies hat das OLG Dresden im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung in der hiesigen Entscheidung ebenfalls herausgestellt. Deshalb ist eine Verpflichtung zur Folgenbeseitigung durch ein entsprechendes „Korrektur-Anschreiben“ an die Kunden problematisch und ein dahingehender Antrag regelmäßig unbegründet (obwohl das KG einen solchen Anspruch gegen die FlexStrom AG seinerzeit bejaht hat); denn die Beseitigung kann in aller Regel auf vielerlei Weise erfolgen und bei rechtswidrig vereinnahmten Entgelten wohl am effektivsten durch eine Rückzahlung und nicht durch ein alternativ oder parallel ausgebrachtes Anschreiben. Schließlich ist hinsichtlich der Verjährung des Folgenbeseitigungsanspruchs mit Blick auf dessen dogmatische Verortung in § 8 UWG am ehesten auf die sechs-Monatsfrist in § 11 Abs. 1 UWG abzustellen; insbesondere handelt es sich nach der Rechtsprechung nicht um einen Schadensersatzanspruch im Sinne des § 11 Abs. 3 UWG, da es dann auch eines „echten“ Verschuldens bedürfte.



Beitragsnummer: 837

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