Dienstag, 3. Juli 2018

Bundesrechtliche Vereinheitlichung des Stiftungsrechts „in Sicht“

Der Diskussionsentwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll nun Gesetzesvorlage werden

Prof. Dr. Maximilian A. Werkmüller, LL.M., LOHR + COMPANY LAW GmbH, geschäftsführender Gesellschafter

Die unter der Federführung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 27.11.2014 eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte bereits (von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt) im September des Jahres 2016 ihren Bericht „Stiftungsrecht“ an die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vorgelegt. Eine überarbeitete Fassung wurde am 27.02.2018 veröffentlicht. Auf ihrer letzten Sitzung hatte nun auch die Innenministerkonferenz „grünes Licht“ gegeben und das Bundesjustizministerium wurde beauftragt, auf Basis des Diskussionsentwurfs eine Gesetzesvorlage zu entwerfen.

Bundeseinheitliche Regelung des Stiftungsrechts geplant

Kernelement des neuen Stiftungsrechts ist seine bundesrechtliche Vereinheitlichung. Derzeit ist das Stiftungsrecht im BGB nur sehr lückenhaft geregelt. Die Landesstiftungsgesetze der Länder füllen diese Lücken zwar aus, schießen dabei jedoch bisweilen über das Ziel hinaus und greifen in den Regelungsbereich des Bundesrechts ein. Besonders offensichtlich geschieht dies am Beispiel des derzeitigen § 87 BGB, welcher die Voraussetzungen für eine Satzungsänderung regelt. Gem. § 87 BGB kann derzeit der Zweck einer Stiftung durch die Stiftungsbehörde (nur) geändert werden, wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist oder der Stiftungszweck das Gemeinwohl gefährdet. In diesen Fällen kann sie der Stiftung eine andere Zweckbestimmung geben oder sie kann durch die Behörde aufgehoben werden, § 87 Abs. 1 BGB. Im fachwissenschaftlichen Schrifttum ist streitig, ob diese Norm nur den Aktionsradius der Behörde definiert, im Übrigen aber Raum lässt für ggf. darüber hinaus gehende landesrechtliche Vorschriften oder ob sie einen absoluten Rahmen setzt, innerhalb dessen überhaupt (also auch für die Organe der Stiftung) eine Auflösung oder eine Zweckänderung beschlossen werden können. Da das BGB als Bundesrecht den jeweiligen Landesstiftungsgesetzen vorgeht, wären im letzten der beiden Fälle entgegenstehende landesrechtliche Vorschriften automatisch kraftlos. Die herrschende Meinung spricht sich dafür aus, dass die Norm einen absoluten Rahmen für eine Zweckänderung oder die Auflösung einer Stiftung vorgibt.[1] Landesrechtliche Regelungen, welche Satzungsänderungen abweichend von den Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 BGB zulassen, z. B. wenn die Stiftungsorgane es beschließen (so z. B. bei § 5 LandesstiftugsG des Landes Berlin oder § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 LandesstiftungsG des Landes NRW), sind deshalb vor dem Hintergrund fehlender (konkurrierender) Gesetzgebungskompetenz (Art. 72 Abs. 1 GG) bereits in formeller Hinsicht verfassungswidrig.

SEMINARTIPP


(Neues) Ertragsfeld Stiftungsmanagement, 29.11.2018, Frankfurt/M.



Das neue Stiftungsrecht wird unter anderem die Voraussetzungen für die Änderungen von Stiftungssatzungen bundeseinheitlich regeln und somit an dieser Stelle die Diskussion beenden (vgl. § 85 BGB-E sowie S. 60 ff. des Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 09.09.2016). Es unterscheidet zwischen drei Gruppen von Satzungsänderungen, die an unterschiedliche Voraussetzungen gebunden werden. Die Voraussetzungen sind umso strenger, je stärker sie in die Stiftungsverfassung (§ 83 BGB-E) eingreifen und damit die Stiftung verändern. Satzungsänderungen, welche den Stiftungszweck betreffen, sind mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des derzeit geltenden und auf Bundesebene geregelten Stiftungsrechts[2] auch künftig nur unter engen Voraussetzungen möglich. Nur im Falle der „Unmöglichkeit einer dauernden und nachhaltigen Zweckerfüllung“ oder einer „Gefährdung des Gemeinwohls“ kann der Zweck verändert oder eingeschränkt werden.

Andere Zweckänderungen (gemeint sind: Änderungen des Zwecks ohne Beeinträchtigung der Zweckbestimmung) und Änderungen sonstiger Bestimmungen, die für die Stiftung prägend sind, können vorgenommen werden, wenn sich die Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung wesentlich geändert haben und die Änderung der Satzung erforderlich ist, um die Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen (§ 85 Abs. 2 S. 1 BGB-E). Als prägend für eine Stiftung sind regelmäßig die Bestimmungen über den Namen, den Sitz, die Art und Weise der Zweckerfüllung, den Erhalt des Grundstockvermögens sowie die Zusammensetzung und die Aufgaben der Organe anzusehen (§ 85 Abs. 2 S. 2 BGB-E). Satzungsbestimmungen, die weder den Zweck der Stiftung betreffen noch in sonstiger Weise prägend sind, können geändert werden, wenn dadurch die Erfüllung des Stiftungszwecks erleichtert wird. Der Stifter kann im Rahmen des Stiftungsgeschäfts und in der Stiftungssatzung vom Inhalt dieser gesetzlichen Vorgabe abweichen und – unter weiteren Voraussetzungen im Übrigen - abweichende Regelungen treffen. Bei jeder künftigen Satzungsänderung ist jedoch der Wille des Stifters zu beachten                                          (§ 83 Abs. 2 BGB-E). Gegen den Willen des Stifters kann eine Satzung nicht geändert werden.[3]

Auch die Voraussetzungen für eine Zulegung (§ 86 BGB-E) sowie für die Zusammenlegung mindestens zweier oder mehrerer Stiftungen (§ 86a ff. BGB-E), die bislang nur landesgesetzlich geregelt waren, werden jetzt erstmals bundeseinheitlich kodifiziert.

Neue Regelungen u. a. zum Stiftungsvermögen und zu Stiftungsorganen

Der Begriff des Stiftungsvermögens wird nach neuem Recht ebenfalls einheitlich definiert    (§ 83c BGB-E). Erstmals werden dabei auch die bislang stiftungsrechtlich nicht geregelten „Umschichtungsgewinne“ erfasst (§ 83c Abs. 1 S. 3 BGB-E). Schon nach geltendem (Abgaben-)Recht zählen sie nicht zu den „Stiftungsmitteln“, sondern zum Grundstockvermögen und werden deshalb mit Blick auf den bilanziellen Ausweis der zeitnah zu verwendenden Stiftungsmittel in der Regel in eine sog. „Umschichtungsrücklage“ eingestellt.[4] Das neue Recht gewährt dem Stifter nun die Möglichkeit, diese Umschichtungsgewinne durch eine entsprechende Regelung in der Stiftungssatzung dem „sonstigen Vermögen“ (früher: den Stiftungsmitteln) zuzuordnen (§ 83c Abs. 1 S. 5 BGB-E). Auch der Verbrauchsstiftung wird im Rahmen des neuen Stiftungsrechts erfreulich viel Raum gegeben (§ 83c Abs. 1 Sätze 4 und 5 und Abs. 3 S. 2).

Die Organverfassung der Stiftung wird in den Paragrafen 84 ff. BGB-E geregelt, die nach geltendem Recht zahlreichen Verweisungen (und Querverweisungen) auf das Vereinsrecht (z. B. auf die §§ 26, 27 und 29 BGB) sind nicht mehr notwendig. Der neue § 84 BGB-E ist weitgehend § 26 BGB nachgebildet. Der Vorstand ist (und bleibt) das gesetzlich vertretungsberechtigte Organ der Stiftung. Hinzugekommen sind Vorschriften über die Rechte und Pflichten der Organmitglieder (§ 84a BGB-E), die Beschlussfassung                           (§ 84b BGB-E) sowie Notmaßnahmen bei fehlenden Organmitgliedern (§ 84c BGB-E). Das neue Recht gilt für sämtliche neue aber auch für bereits bestehende Stiftungen (Artikel 2 des Änderungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch).

Fazit

  • Im Ergebnis ist die Reform und die mit ihrer Umsetzung einhergehende Rechtsvereinheitlichung ausdrücklich zu begrüßen. Es bleibt zu hoffen, dass sie zeitnah durch den Gesetzgeber umgesetzt werden kann.
  1. Vgl. Münch-Komm BGB-Weitermeyer, § 87 Rn. 15 m.w.N.
  2. Vgl. Mugdan, I 963; ausf. Werner/Saenger/Backert, Die Stiftung, 2008, Rn. 679 ff.
  3. Vgl. die Begründung zum Entwurf der Bund-Länder-Gruppe, dort. S. 66.
  4. Vgl. hierzu Schlüter/Stolte, Stiftungsrecht, Kap. 7, Stiftungssteuerrecht, Rn. 79.



Beitragsnummer: 755

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