Freitag, 15. Juni 2018

Schlüsselindikatoren für Aufsicht und Banksteuerung

Steffen Schmiederer, Spezialist für Aufsichtsrecht, Betriebswirtschaft, Stadtsparkasse Wuppertal

„Bewerten heißt vergleichen“ – dieser wegweisende Gedanke fasst eine wesentliche Erkenntnis für die Unternehmensbewertung zusammen. Diesem Leitgedanken folgt immer mehr auch die europäische Bankenaufsicht bei ihrer Bewertung der Geschäftsmodelle von Kreditinstituten.

Mit der Veröffentlichung der EBA-Leitlinien zum einheitlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess SREP (Supervisory Review and Evaluation Process) verfolgt die Bankenaufsicht das Ziel der Harmonisierung der bankaufsichtlichen Praxis im europäischen Bankensektor. Die SREP-Guidelines sind dabei nicht nur wegweisend für die Bankenaufsicht der EBA und damit den direkt beaufsichtigen systemrelevanten Banken, sondern mittelbar auch für die nationale Bankenaufsicht und somit die weniger bedeutenden Kreditinstitute. Die Aufsicht verfolgt besonders das Ziel der frühzeitigen Identifikation von Risikoaggregationen und anderen Fehlentwicklungen. Eine wesentliche Neuerung stellt die regelmäßige quantitative Einschätzung mit Hilfe von Kennzahlen dar, die aus den turnusmäßigen Meldungen ermittelt werden können. Diese soll vor allem eine zukunftsorientierte Bewertung ermöglichen und um qualitative Aspekte ergänzt werden.

Um aus Sicht der Kreditinstitute eine Vorstellung davon zu bekommen, wie die Aufsicht – die EZB oder ebenso die nationale Aufsichtsbehörde – seit 2016 Kreditinstitute beurteilt, ist es wichtig zu verstehen, nach welchen Kriterien die bankaufsichtliche Bewertung vorgenommen wird. Es gilt, die öffentlichen Informationen zu analysieren und deren Erkenntniswert zu bestimmen. Das Wissen um die Systematik bietet insbesondere die Möglichkeit, den Strategie-Prozess und die eigenen Planungsannahmen und Prämissen kritisch zu hinterfragen und die Daten des Meldewesens stärker in die Banksteuerung zu integrieren, um mögliche Kapitalzuschläge oder aufsichtliche Maßnahmen zu vermeiden. Der Durchschnitt der Kapitalzuschläge aus den SREP-Bescheiden für die der nationalen Aufsicht unterstellten Institute lag 2017 in Deutschland bei 1,37 % und wurde im Wesentlichen durch den Zuschlage für das Zinsänderungsrisiko verursacht (vgl. BaFin-Jahresbericht 2017, S. 73).

Die Beurteilung im Rahmen des SREP-Prozess umfasst vier Elemente:

- Geschäftsmodell-Analyse

- Governance-Risiken

- angemessene Kapitalausstattung

- angemessene Liquiditätsausstattung

Der Analyse des Geschäftsmodells kommt dabei eine besondere Rolle zu, da diese einerseits den anderen Elementen zeitlich vorgeschaltet ist und andererseits sich deren Erkenntnisse auf die übrigen Elemente auswirken, bspw. in der Überprüfung der Kapitalausstattung. Die Tatsache, dass einer der aufsichtlichen Schwerpunkte der EBA seit 2016 die Geschäftsmodelle darstellt, unterstreicht dessen Bedeutung zusätzlich.

Das Ziel der Geschäftsmodell-Analyse ist die Beurteilung der strategischen Ausrichtung im Hinblick auf die Tragfähigkeit (12-Monatssicht) und die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells (3-Jahressicht) auf Basis der Fähigkeit angemessene Erträge zu erwirtschaften. Daraus lässt sich eine zukunftsorientierte qualitative und quantitative Bewertung ableiten. Die Aufsicht will damit die Schwächen und die Verwundbarkeit der einzelnen Geschäftsmodelle beurteilen können. Dies kann folglich als die Überprüfung der rechtlichen Vorgaben zur Festlegung einer nachhaltigen Geschäftsstrategie verstanden werden, die sich aus § 25a Abs. 1 KWG und deren Konkretisierung durch die MaRisk in AT 4.2 Tz.1 ergeben.

 SEMINARTIPPS

Analyse mittelständischer GmbH & Co. KGs, 10.10.2018, Köln.

Neue SREP- und Meldewesen-basierte Aufsichtsgespräche 2019, 07.11.2018, Hamburg.

11. Hamburger Bankenaufsicht-Tage, 05.–06.11.2018, Hamburg.

Die 5. MaRisk Novelle erweitert die Prüfungsfelder der Aufsicht und ermöglicht die Überprüfung der Sachgerechtigkeit von Annahmen und Prämissen der Risiko- und Geschäftsstrategie (vgl. AT 4.2 Tz.1 MaRisk). Damit einhergehend stehen die Geschäftsplanung und die hiermit zusammenhängende Prognosegüte im Fokus. Anhand der Prognose- und Planungsrechnungen muss das Kreditinstitut darlegen, dass das Geschäftsmodell tragfähig und nachhaltig ausgerichtet ist. Es ist davon auszugehen, dass auch das Vertriebsrisiko im Rahmen der Sonderprüfungen untersucht wird. Dabei stehen insbesondere die Konsistenz der Annahmen und deren Einklang mit den allgemeinen Entwicklungen des makroökonomischen Umfelds im Mittelpunkt. Es sollten bspw. die Wachstumsannahmen für einzelne Geschäftsfelder nicht im Widerspruch zu der Entwicklung des Gesamtmarktes stehen. Durch die Überprüfung der Planungsannahmen und der Evaluierung der Planung wird deutlich, dass der Kapitalplanungsprozess ebenfalls in den Blickpunkt der künftigen Prüfungspraxis rückt.

Mit Hilfe der regelmäßigen Datenmeldungen aus der COREP, FINREP, AnaCredit, FinaV, LCR und NZU hat die Aufsicht Zugriff auf ein breites Spektrum an Informationen, das sie mit Hilfe von Zeitvergleichen, Peer-Group-Vergleichen und Benchmarking analysieren kann und so unweigerlich auffällige Abweichungen erkennt. Dabei beurteilt die Aufsicht auch die Kontinuität der ermittelten Werte – inwiefern die Ergebnisse auffällige Schwankungen aufweisen und bspw. kurzfristige Sondereffekte deutlich werden oder ob es sich dabei um dauerhafte und nachhaltige Ergebnisse handelt. Auf diese Weise lassen sich Ausreißerinstitute einfach ermitteln.

Die Anwendung des SREP-Mechanismus erfolgt unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips in unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit. Dazu wird durch die Aufsicht für jedes Kreditinstitut eine Kategorisierung (in den Kategorien 1-4) vorgenommen. Neben der umfangreichen Beurteilung der Kreditinstitute anhand der Bewertung des Geschäftsmodells, der Kapital- und Liquiditätsausstattung, sowie der Governance und des Risikomanagements, findet zusätzlich die Überwachung der sogenannten Schlüsselindikatoren statt, die jedoch unabhängig von der aufsichtlichen Kategorie bei allen Kreditinstituten vierteljährlich ermittelt werden, auch ein kürzeres Intervall ist im Einzelfall denkbar. Die Schlüsselindikatoren sollen der Aufsicht Hinweise für eine wesentliche Veränderung des Risikoprofils eines Instituts liefern und somit den Anlass für eine zusätzliche SREP-Bewertung, außerhalb der regulären Zeiträume, darstellen. Darüber hinaus können die Erkenntnisse der Schlüsselindikatoren auch in die Beurteilung der 4 SREP-Elemente wirken.

Zusätzlich geben die regelmäßigen Veröffentlichungen des EBA Risk Dashboard einen Einblick, wie umfangreich die EBA die Kreditinstitute vierteljährlich mit Hilfe der Meldewesen-Daten einschätzen kann. Deshalb gilt es auch aus Sicht des Kreditinstituts mögliche Auffälligkeiten, hohe Schwankungen bzw. Abweichungen zu identifizieren und diese angemessen in den internen Steuerungskreislauf zu integrieren. Die Datenanalyse sollte nicht nur für die Aufseher an Bedeutung gewinnen. Andernfalls ist mit zusätzlichen Kapitalzuschlägen zu rechnen.

Die Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Prüfungspraxis sollte Einzug in den Strategie-Prozess erhalten. Die regelmäßige Überprüfung der Geschäfts-und Risikostrategie gehört zum Pflichtenheft der MaRisk (AT 4.2), daher empfiehlt es sich, die jährlichen Schwerpunkte der Bankenaufsicht zu berücksichtigen und die dazugehörige Publikation der EZB zu sichten. Im Mittelpunkt der Aufsicht stehen seit 2016 die Themen Geschäftsmodell-Analyse inklusive deren Erfolgsfaktoren, sowie Kreditrisiken (insbesondere notleidende Kredite und Risikokonzentrationen) und seit 2017 auch das Thema: Risikomanagement (vgl. https://www.bankingsupervision.europa.eu/banking/priorities/html/index.en.html).

PRAXISTIPPS

  • Nutzen Sie den regelmäßigen Strategieprozess, um die aufsichtsrechtlichen Implikationen frühzeitig zu berücksichtigen.
  • Hinterfragen Sie die Geschäftsplanung inkl. der dazugehörigen Annahmen im Hinblick auf deren Konsistenz und Plausibilität kritisch.
  • Analysieren Sie das eigene Geschäftsmodell, um die wesentlichen Erfolgsfaktoren und Geschäftsfelder zu identifizieren und so die kritischen Faktoren aus Sicht der Bankenaufsicht zu identifizieren und zu antizipieren.



Beitragsnummer: 708

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Wahl von Arbeitnehmervertretern zum Aufsichtsrat – Statusverfahren

Eine AG muss das Statusverfahren nach §§ 97 ff. AktG zur Festlegung der Mitbestimmung & zur Besetzung des Aufsichtsrats durchführen.

10.04.2024

Beitragsicon
Zukunft der Revision: Neue Global Internal Audit Standards ab 2025

Ein Blick auf die EBA/GL/2021/05 & die Global Internal Audit Standards 2024. Wie relevant sind sie wirklich ?

09.02.2024

Beitragsicon
Regulierungsfokus 2024 ff: Resilienz, Zinsrisiken, Nachhaltigkeit

Aktuelle Herausforderungen und Ergebnisse der Bankenaufsicht

30.11.2023

Beitragsicon
Die besondere Bedeutung der Bankbuchbewertung im aktuellen Zinsumfeld

Analyse der Zinsentwicklung auf die Bankbuchbewertung nach IDW RS BFA 3, Herausforderungen für Kreditinstitute und Anpassungsstrategien .

11.12.2023

Beitragsicon
Bankvertrieb im nachhaltigen Transformationsprozess

CSRD, ESRS, Wesentlichkeitsanalyse und CO2- Bilanz heben die Firmenkundenbetreuung auf ein neues Qualitätsniveau – wenn die Banken es wollen.

09.02.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.