Freitag, 15. Juni 2018

Kündigung langfristiger Sparverträge

Prof. Dr. Hervé Edelman & Anna Widany, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

Der jeweilige Kunde hatte in den vom OLG Naumburg zu entscheidenden Fällen mit seiner Sparkasse zeitlich unbefristete Prämiensparverträge abgeschlossen, bei welchen er auf die von ihm monatlich zu erbringenden Sparraten einen variablen Zins sowie eine verzinsliche Prämie auf die Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Jahres erhielt, die von drei v. H. nach drei Sparjahren stufenweise auf bis zu fünfzig v. H. ab dem 15. Sparjahr anstieg. Wegen der langandauernden Niedrig- und Negativzinsphase, welche die Sparkasse wirtschaftlich belastet, kündigte die Sparkasse unter Berufung auf Nr. 26 Abs. 1 ihrer AGB, § 488 Abs. 3 BGB sowie § 489 Abs. 2 BGB, den Sparvertrag.

Das OLG Naumburg entschied in seinen Urt. v. 21.02.2018, Az.: 5 U 139/17 sowie v. 16.05.2018, Az. 5 U 29/18, dass die Sparkasse die Prämien-Sparverträge sowohl nach Nr. 26 Abs. 1 der AGB Sparkassen n.F., welcher seit März 2016 gilt, als auch nach § 488 Abs. 3 BGB wirksam kündigen durfte. Dabei ließ das OLG Naumburg zunächst offen, ob es sich bei den Sparverträgen um unregelmäßige Verwahrverträge oder aber entsprechend der überwiegenden Auffassung um Darlehensverträge handelt, da unabhängig von der rechtlichen Qualifikation des Sparvertrages die Ergebnisse ähnlich ausfallen.

Was die Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 der AGB anbelangt, so prüft das OLG Naumburg zunächst, ob im Zusammenhang mit den jeweils streitgegenständlichen Sparverträgen das aus Nr. 26 Abs. 1 der AGB resultierende Kündigungsrecht der Sparkasse vertraglich abbedungen worden ist. Dabei gelangte das OLG Naumburg aufgrund Auslegung des Vertrages zum Ergebnis, dass ein Ausschluss des Kündigungsrechts der Sparkasse nach Nr. 26 Abs. 1 AGB nach Erreichen des höchsten Prämienbonus – hier also nach 15 Jahren –, weil fernliegend, nicht angenommen werden kann. In diesem Zusammenhang hält das OLG Naumburg völlig zu Recht fest, dass sich weder aus dem die Sparkasse im Sparverkehr treffenden Kontrahierungszwang noch zur Gewährleistung der Einordnung der Einlagen als Spareinlage nach § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV) ein Kündigungsausschluss oder eine Einschränkung des Kündigungsrechts der Sparkasse ergibt. Denn ganz unabhängig davon, dass § 21 Abs. 4 RechKredV lediglich bilanzielle und aufsichtsrechtliche Regelungen enthalte, ergebe sich aus dieser Norm kein Kündigungsausschluss oder irgendein einschränkendes Kündigungsrecht der Sparkasse. Was wiederum den im Sparverkehr geltenden Kontrahierungszwang anbelangt, so sei diesem zwischenzeitlich entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 05.05.2015, XI ZR 214/14, dadurch Rechnung getragen worden, dass die Sparkasse eine ordentliche Kündigung nur noch aus sachgerechten Gründen aussprechen könne, was zulässig und mit dem Kontrahierungszwang auch vereinbar sei.


SEMINARTIPP

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Sodann führt das OLG Naumburg aus, dass der Umstand, dass die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zum 15. Sparjahr anstiegen, für sich allein nicht den Schluss darauf zulasse, dass sich die Sparkasse auf 15 Jahre binden wollte, weswegen auch hieraus keine Einschränkung des Kündigungsrechts hergeleitet werden kann. Auch der Vertragszweck des Sparvertrages, nämlich das langfristige Einlegen und Ansammeln von Vermögen sowie die Vereinbarung einer Bonuszinsstaffel seien nach Auffassung des OLG Naumburg nicht geeignet, das ordentliche Kündigungsrecht der Beklagten auszuschließen. Schließlich sei weder aus den Umständen noch aus den vertraglichen Grundlagen ersichtlich, dass die Sparkasse auf ihr ordentliches Kündigungsrecht beim Sparvertrag verzichten wollte.

Was wiederum das Vorliegen eines sachlichen Grundes anbelangt, so reiche es nach Auffassung des OLG Naumburg hierfür aus, dass die Kündigung aus kaufmännischer Sicht nachvollziehbar und vernünftig ist, was vorliegend der Fall sei. Denn auf Grund der langandauernden Niedrig- sowie Negativzinsphase hätten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen derart negativ für die Sparkassen verändert, dass die Berufung hierauf einen sachlichen Grund darstellt.

Abschließend stellt das OLG Naumburg noch fest, dass die Kündigungsbefugnis der Sparkasse sich auch aus § 488 Abs. 3 BGB ergeben würde. Denn nach dieser Norm könne die Sparkasse als Darlehensnehmerin den unbefristet geschlossenen Sparvertrag mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen, wobei auch hier aus denselben, vorstehend zu Nr. 26 der AGB-Sparkassen dargestellten, Gründen, ein Kündigungsausschluss nicht angenommen werden könne.

PRAXISTIPP

Das OLG Naumburg hat völlig zu Recht die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung der langfristigen Sparverträge (jedenfalls) nach Ablauf der Höchstprämienzeit bejaht.

Zwar wird in der Literatur (vgl. hierzu Stößer BB 2018 S. 1.223, 1.225) vereinzelt die Auffassung vertreten, der mit einem Prämiensparvertrag verfolgte Zweck der langfristigen Ansammlung von Vermögen durch regelmäßige Ansparvorgänge stelle eine konkludente Vereinbarung über den Ausschluss der Kündigung auch über den Zeitpunkt des Erreichens der Höchstprämienstufe dar. Für diese Rechtsauffassung spricht jedoch weder der Vertragszweck der Vermögensbildung noch die Vereinbarung der Prämienzinsstaffel. Selbst das OLG Stuttgart (WM 2016 S. 311) sowie das LG Ulm (WM 2015 S. 827) haben im Rahmen ihrer Urteile zu den sogenannten Scala-Sparverträgen das gesetzliche Kündigungsrecht der Sparkasse gem. § 488 Abs. 3 BGB lediglich bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe als vertraglich ausgeschlossen angesehen, wobei dies auch nur deswegen erfolgte, weil beide Gerichte davon ausgingen, dass die Vertragsparteien des dort betroffenen Sparvertrages eine 25-jährige Laufzeit mit entsprechender Einzahlungspflicht vereinbart hatten, was in den vom OLG Naumburg entschiedenen Sparverträgen nicht der Fall war. Hinzu kommt, dass bereits mehr als zweifelhaft ist, ob allein in der Vereinbarung einer immer höher werdenden Zinsstaffel bis zum Erreichen der höchsten Bonusverzinsung die konkludente Vereinbarung eines Kündigungsausschlusses gesehen werden kann. Denn allein der Umstand, dass bei einem unbefristet laufenden Sparvertrag dem Sparer die Möglichkeit eingeräumt wird, bei längerer Erbringung seiner Sparraten eine immer höhere Prämie zu erhalten, besagt noch lange nicht, dass die Parteien zugleich auch vereinbart haben, dass die Sparkasse innerhalb dieser Zinsstufen von ihren gesetzlichen oder vertraglich vorgesehenen Kündigungsrechten keinen Gebrauch macht. Etwas anderes kann nur – ähnlich wie in den vom OLG Stuttgart und LG Ulm entschiedenen Scala-Fällen – gelten, wenn feststeht, dass die Sparkasse dem Sparer fest zugesagt hat, dass dieser für eine genau festgelegte Zeit seinen Sparvertrag ansparen kann (so auch Schultheiß, ZIP 2017 S. 1.793, 1.796).

Völlig zu Recht hat auch das OLG Naumburg das Vorliegen eines sachlichen Grundes i. S. v. Nr. 26 AGB bejaht. Denn selbst der Bundesgerichtshof hat in seiner vom OLG Naumburg zitierten Entscheidung vom 05.05.2015, Az.: XI ZR 214/14, festgehalten, dass es einer Sparkasse erlaubt sei, bei Vorliegen eines sachlichen Grundes die ordentliche Kündigung auszusprechen. Ist dem aber so, dann kann nicht ernsthaft angezweifelt werden, dass in der massiven Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die schon seit vielen Jahren andauernden und von niemanden vorhersehbaren Niedrig- und Negativzinsphase ein sachlicher Grunde i. S. v. Nr. 26 AGB Sparkassen zu sehen ist, und dass das Berufen auf diesen sachlichen Grund kaufmännisch vernünftig, wenn nicht sogar zwingend vorgegeben ist.

Völlig zu Recht weist schließlich das OLG Naumburg darauf hin, dass selbst bei Nichtheranziehung der vertraglich vereinbarten Kündigungsmöglichkeit der Sparkasse nach Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen die Sparkasse nach § 488 Abs. 3 BGB den Sparvertrag wirksam kündigen dürfte. Dabei hebt das OLG Naumburg auch in diesem Zusammenhang hervor, dass es völlig fern liegt anzunehmen, dass die Parteien dieses gesetzliche Kündigungsrecht der Sparkasse nach § 488 Abs. 3 BGB abbedungen haben. Dabei spricht mangels ausdrücklicher Vereinbarung einer festen Laufzeit mit entsprechender Einzahlungspflicht alles dafür, dass die Parteien selbst innerhalb der 15-jährigen Zinsstaffel einen Ausschluss oder eine Einschränkung des gesetzlichen Kündigungsrechts nach § 488 Abs. 3 BGB nicht vereinbart haben und auch nicht vereinbaren wollten.

Nicht geprüft hat das OLG Naumburg mangels Entscheidungserheblichkeit die Frage, ob die Sparkasse im Falle der Annahme eines veränderlichen Zinssatzes nach § 489 Abs. 2 BGB sowie im Alternativfall der Annahme eines gebundenen Sollzinssatzes nach § 489 Abs. 1 Nr. 1, 2. HS BGB die langfristigen Sparverträge ebenfalls hätte wirksam kündigen dürfen, was zu bejahen ist. Zwar hat das OLG Stuttgart sowie das LG Ulm in den sogenannten Scala-Entscheidungen (WM 2016 S. 311 u. WM 2015 S. 827) eine teleologische Reduktion jedenfalls der Norm des § 489 Abs. 1 Nr. 1, z. HS BGB vorgenommen. Allerdings bestehen ganz erhebliche Bedenken, ob diese Rechtsprechung vor dem Hintergrund der zu Bausparverträgen ergangenen Urteile des Bundesgerichtshofs vom 21.02.2017 (XI ZR 185/16 sowie 272/16) noch haltbar ist (verneinend Schultheiß, Zip 2017 S. 1.793, 1.797). Denn der Bundesgerichtshof hat in seinen beiden Bausparkassenurteilen vom 21.02.2017 mit nicht nur für § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sondern auch für § 489 Abs. 1 Nr. 1, 2. HS BGB und für § 489 BGB im Allgemeinen geltenden Argumenten unter Heranziehung von Wortlaut, Gesetzessystematik, Historie sowie Sinn und Zweck der Vorschrift umfassend und ausführlich dargelegt, dass eine einschränkende Auslegung der Norm des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht in Betracht kommt. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung XI ZR 185/16 hervorgehoben, dass der Umstand, dass das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach den Gesetzesmaterialien ein Mittel gegen den Missbrauch der wirtschaftlichen Übermacht des Gläubigers gegen den Schuldner darstellt und dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren dienen sollte, es nicht rechtfertigt, das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf solche Personen zu beschränken, die hinsichtlich ihrer persönlichen Eigenschaften bei einer typisierenden Betrachtungsweise schutzbedürftig sind (Rn. 45). Auch hat der Bundesgerichtshof dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Kündigungsrechte nach § 489 Abs. 1 BGB weder in personeller noch in sachlicher Hinsicht eingeschränkt werden können (Rn. 54 ff.). Vor dem Hintergrund all dieser gegen eine teleologischen Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 BGB sprechenden Argumente bestehen ganz erhebliche Zweifel daran, ob allein der Hinweis in den Gesetzesmaterialien, wonach das Kündigungsrecht aus § 609a Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. (heute § 489 Abs. 1 Nr. 1, 2. HS BGB) ein Gegengewicht zu dem den Kreditinstituten zustehenden Zinsbestimmungsrecht bilden sollte (vgl. hierzu Rn. 53 BGH 185/16), eine einschränkende Auslegung des § 489 BGB dahingehend zu rechtfertigen vermag, dass dieser nur auf Verbraucher als Darlehensnehmer Anwendung findet (bejahend Stößer, BB 2018 S. 1.223, 1.227 f.).



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