Freitag, 15. Juni 2018

Widerrufsrecht – Zahlung auf Nichtschuld

Dr. Nicolai-Anselm von Holst, Thümmel, Schütze & Partner, Berlin

Widerruft der Darlehensnehmer seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung und führt das Darlehen anschließend unter Zahlung der von der Bank berechneten Vorfälligkeitsentschädigung vorbehaltlos zurück, steht einem Rückforderungsverlangen die Einrede des § 814 BGB entgegen. Dieser Instanzenrechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.05.2015 – Az. 17 U 59/14; LG Berlin, Urt. v. 21.11.2016 – Az. 37 O 153/16) hat sich nunmehr auch der 8. Senat des Kammergerichts mit Hinweisbeschluss vom 23.03.2018 – 4 U 3/17 angeschlossen.

Vorliegend hatten die Kläger im Jahre 2008 drei Darlehensverträge abgeschlossen, die aufgrund finanzieller Schwierigkeiten immer wieder nur schleppend bedient wurden. Die Kläger entschieden sich deshalb im Februar 2014, die Immobilie im Sommer 2014 zu verkaufen und baten die Bank um Aufgabe der Restdarlehensvaluta, welche die Bank den Klägern – einschließlich der indikativ berechneten Vorfälligkeitsentschädigung – mitteilte. Im Januar 2015 teilten die Kläger der Beklagten unter Verweis auf eine Beratung durch die Verbraucherzentrale Hamburg mit, dass sie „von dem sog. Widerrufsjoker Gebrauch machen“ und demgemäß keine Vorfälligkeitsentschädigung schulden würden. Ende März 2015 wurde das Darlehen einschließlich der Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Kaufpreis abgelöst. Mit Schreiben vom 18.04.2015 erklärten die Kläger den Widerruf.

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Mit der vor dem Landgericht Berlin geführten Klage verlangten die Kläger zunächst Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung einschließlich Nutzungsersatz hierauf, stellten die Klage dann jedoch auf den nach Aufrechnung verbleibenden Saldo aus einem vermeintlichen Rückgewährschuldverhältnis um, was nach der Berechnung der Kläger ca. EUR 5.000,00 weniger ausmachte als der ursprüngliche Klageantrag. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen.

Das Kammergericht führt zunächst aus, dass der Zahlungsantrag – weil er die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung nicht übersteige – so auszulegen sei, dass die Kläger weiterhin die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung begehrten. Dies gelte auch dann, wenn von einem wirksamen Widerruf auszugehen sei. Der Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung könne die Bank jedoch den Einwand der Kenntnis der Nichtschuld aus § 814 BGB entgegenhalten. Zahlungen der Kläger an die Bank, die nach Widerruf erfolgten, würden nicht in das Rückgewährschuldverhältnis fallen. Da insoweit Bereicherungsrecht zur Anwendung komme, sei für die Anwendung des § 814 BGB entscheidend, ob die Kläger bei Darlehensrückzahlung wussten, dass sie zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht mehr verpflichtet waren. Dies konnte das Kammergericht vorliegend aufgrund der Mitteilung der Kläger aus Januar 2015, sie könnten sich auf ihren Widerrufjoker berufen, feststellen.

PRAXISTIPP

Die Einrede der Zahlung auf eine Nichtschuld gem. § 814 BGB ist gerade bei der Rückforderung einer bereits gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung von erheblicher prozessualer Bedeutung, wenn der Darlehensnehmer nach Erklärung des Widerrufs und vor Zahlung keinen beachtlichen Vorbehalt erklärt hat. Dem Einwand kann aber auch im noch laufenden Darlehens – bzw. Rückgewährschuldverhältnis eine entscheidende prozessuale Wirkung zukommen. Zahlt der Darlehensnehmer nämlich nach Widerruf vorbehaltlos die Annuitäten weiter, erfolgt die Zahlung im Zweifel weiterhin auf das Darlehens- und nicht auf das Rückgewährschuldverhältnis. Die Ansprüche der Bank auf Zahlung von Nutzungsersatz auf den Rückabwicklungssaldo werden durch die Zahlung der Annuitäten also mangels entsprechender Tilgungsbestimmung des Darlehensnehmers nicht erfüllt; zahlt er auf das Darlehensverhältnis, dann zahlt er hingegen auf eine Nichtschuld. Soweit teilweise angenommen wird, Zahlungen nach Widerruf würden auch ohne eine Aufrechnungserklärung der Parteien mit Ansprüchen der Bank aus dem Rückgewährschuldverhältnis saldiert, lässt diese Auffassung unberücksichtigt, dass der Bank damit der Einwand aus § 814 BGB abgeschnitten würde.



Beitragsnummer: 695

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