Frank Dehnke, Vorstandsvorsitzender, Sparkasse Oberhessen
Auch wenn die Notfallhandbücher vieler Kreditinstitute spätestens nach dem Ausbruch der “Schweinegrippe“ im Jahre 2010 Regelungen zu epidemischen Ereignissen enthalten dürften, stellen die Auswirkungen der aktuellen Corona-Pandemie an uns alle neue, bisher nicht gekannte Herausforderungen. Dies ist auch in unserer Sparkasse nicht anders. Ich möchte an dieser Stelle ein wenig über unseren Umgang mit der „Corona-Herausforderung“ berichten und dabei den Fokus auf einige Einzelaspekte lenken, die mir in diesem Zusammenhang u. a. als wesentlich für ein erfolgreiches Krisenmanagement sind.
Krisenstab aktiv nutzen
Wären wir exakt nach dem Wortlaut unseres Notfallhandbuches vorgegangen, so wäre bislang – dankenswerterweise – (noch) gar keine Situation eingetreten, die die Tätigkeit des Krisenstabes ausgelöst hätte. Zum Glück lag bislang per definitionem weder ein Notfall geschweige denn eine Krise vor. Dennoch nutzen wir seit Anfang März unseren im Rahmen unserer Notfallkonzeption dauerhaft gebildeten Krisenstab sehr aktiv für die Beratung des Vorstands und für die Steuerung und Koordination aller durch „Corona“ indizierten Maßnahmen.
SEMINARTIPPS
FCH Fit & Proper VORSTAND: Fokus Gesamtbanksteuerung/Risikomanagement, 25.11.2020, Frankfurt/M.
Entschlackte Organisationsrichtlinien: Schlank-Prüfungssicher-Lebbar, 07.–08.12.2020, Frankfurt/M.
Unser Krisenstab besteht aus dem Unternehmensbereichsleiter Vorstandsstab und Compliance als Leiter, dem Unternehmensbereichsleiter Betriebs- und Marktservice als dessen Stellvertreter, den Unternehmensbereichsleitern Personal und Kommunikation sowie dem Notfallkoordinator. Dieses Team kommt inzwischen zweimal täglich, einmal frühmorgens und einmal am späten Nachmittag, zu einer Telefonkonferenz unterschiedlicher Dauer zusammen. Bald zeigte sich, dass es sinnvoll ist, gerade in einer sehr dezentral aufgestellten Flächensparkasse den Unternehmensbereichsleiter Privatkunden als temporäres Mitglied zum Krisenstab hinzuzuziehen. So können mit ihm alle wesentlichen Punkte für die Arbeit an der „Front“ direkt besprochen werden.
BUCHTIPP
Janßen/Schiwietz (Hrsg.): Risikokultur in Kreditinstituten, 2018.
Kommunikation ist das „A & O“
Neben dem Austausch innerhalb dieses (erweiterten) Krisenstabes galt es, dessen Austausch mit dem Vorstand und den anderen Führungskräften in angemessener Weise zu gestalten. Auch musste so erfolgen, dass das Ergebnis eine zeitnahe, effiziente und ressourcenschonende Kommunikation ermöglichte. Natürlich bereits seit längerer Zeit immer in der Form von Telefonkonferenzen. So findet jeden Morgen ein – in der Regel kurzer – Austausch zwischen dem Vorstand und dem Leiter des Krisenstabes statt. Zum Teil werden weitere Teilnehmer hinzugezogen.
Einmal wöchentlich, regelmäßig am Freitag zum Wochenschluss, findet zusätzlich eine größere Telefonkonferenz zwischen dem Krisenstab und unserer Managementrunde, bestehend aus allen Mitgliedern der ersten und zweiten Führungsebene, statt. Auch Letzteres hat sich als „Abbinder“ vor dem Wochenende sehr bewährt, lässt es doch alle Teilnehmer mit dem guten Gefühl der umfassenden Informiertheit ins Wochenende gehen.
INHOUSETIPP
Risikokultur und Entscheidungsprozesse.
Alle Mitarbeitenden werden darüber hinaus wöchentlich über einen (digitalen) Mitarbeiterbrief, den ausdrücklich der Gesamtvorstand unterzeichnet, über die wesentlichen Entwicklungen informiert bzw. dieses Medium wird von uns dazu genutzt, die für uns seitens der Geschäftsleitung wichtigsten Botschaften zu platzieren. Der Schwerpunkt kann dabei ausdrücklich variieren, mal ist der Brief mehr informativer Natur, mal motivierend bis hin zu klaren Appellen. Insgesamt halte ich die laufende Aufrechthaltung einer angemessenen Transparenz über die Arbeit des Notfallmanagements für wesentlich, um für die getroffenen Entscheidungen Akzeptanz zu erreichen.
Reguläre Verantwortlichkeiten bleiben bestehen
Für wesentlich halte ich auch, dass die Arbeit des Krisenstabes zusätzlich zu bzw. neben den „normalen“ Prozessen läuft. Anders gesagt: unser Krisenstab versteht sich nicht als eine Art „Ersatz-Geschäftsleitung“, sondern unterstützt, entlastet und berät. Natürlich gehört gerade zur Entlastungsfunktion für den Vorstand auch, dass der Krisenstab bzw. dessen Leitung pragmatisch Entscheidungen treffen kann und auch ausdrücklich soll, für die dort im Normalbetrieb keine formale Kompetenz besteht. Im sonstigen Sparkassenbetrieb blieb es bei den entsprechend zugewiesenen Verantwortlichkeiten. In diesem Zusammenhang war es frühzeitig auch wichtig, den Organisationseinheiten unserer Sparkasse, die, mit Verweis auf die Arbeit des Krisenstabes, Arbeiten aus dem Regelbetrieb „…wegen Corona…“ dorthin verlagern wollten, deutlich zu machen, dass sich der Krisenstab ausschließlich auf die großen Themen der zu bewältigenden Aufgaben konzentrieren soll und können muss. Dies war bereits für die handelnden Personen fordernd genug. Im Gesamtbild hilft einerseits die Arbeit des Krisenstabes allen Führungskräften durch die Wahrnehmung der Notfall-spezifischen Arbeit und andererseits wird einer Überforderung des Krisenstabes durch das Fortbestehen der originären Verantwortlichkeiten wirksam vorgebeugt.
BERATUNGSTIPP
Fit & Proper für die Bankorganisation.
Verantwortung geben – Vertrauen schenken
Was schon im unternehmerischen Alltag Standard sein sollte, bekommt in „Zeiten wie diesen“ nochmals einen ganz besonderen Stellenwert: Es erleichtert allen aktuell verantwortlich Handelnden in unserer Sparkasse, dass wir vor einigen Monaten – noch unabhängig von „Corona“ – ganz ausdrücklich Signale in unsere Führungsmannschaft und darüber hinaus bei vielen Gespräche im gesamten Unternehmen an alle Mitarbeitenden gegeben haben, wie wir uns vorstandsseitig die Zusammenarbeit in der Sparkasse wünschen. Ich bin froh, dass wir derzeit schon auf diese erste Vermittlung unserer Gedanken für eine nachhaltige Leistungs- und Führungskultur bauen können.
Gerade für diejenigen, die insbesondere in der Arbeit des Krisenstabes derzeit in besonderer Weise Verantwortung tragen, ist es wichtig, in einem Gefühl zu handeln, dass die getroffenen Entscheidungen Bestand haben und nicht etwa später – auch bei vielleicht dann bestehender besserer Einschätzung – kritisiert werden. Eine Corona-Pandemie hatte noch keiner von uns zu bestehen, so dass es hier ein „Besserwissen“ per se gar nicht geben kann. Vielmehr sollte man auf den kollegialen, kooperativen und hier und da durchaus konstruktiv-kritischen Dialog bei der Entscheidungsfindung – gerade innerhalb des Krisenstabes – vertrauen. Ein positives (Vor-)Leben einer Vertrauens- und auch Fehlerkultur ist hier meines Erachtens eines der Gebote der Stunde.
Wer diese Art der Zusammenarbeit erlebt, will sie nie wieder missen; auch wir als Vorstand nicht.

PRAXISTIPPS
- Nutzen Sie die Arbeit eines Krisenstabes zur Erleichterung der Unternehmensführung.
- Organisieren Sie eine effiziente, zeitnahe und ressourcenschonende Kommunikation und machen Sie die Vorgehensweisen des Notfallmanagements angemessen transparent.
- Machen Sie klar, dass der Krisenstab keine anderen Funktionen innerhalb der Sparkasse ersetzt und die normalen Verantwortlichkeiten – neben den spezifischen Aufgaben des Krisenstabes – fortbestehen.
- Leben Sie eine offene Vertrauens- und Fehlerkultur vor. Auf einer solchen „klimatischen“ Basis lässt sich auch eine schwierige Phase wie aktuell als „Sparkassen-Schicksalsgemeinschaft“ besser durchleben.
Beitragsnummer: 6807