Donnerstag, 23. April 2020

Echtzeitüberweisung – Status und Ausblick

Markus Thiedtke, Senior Spezialberater Zahlungsverkehr, Deutsche Bank Hamburg

 

Worüber sprechen wir hier eigentlich in Zeiten von 24/7/365?

Die Zahlungsverkehrslandschaft in Deutschland und Europa ist historisch gewachsen. Noch immer gibt es Buchungsschnitte um die Mittagszeit oder am frühen Nachmittag. Geschäfts- und Firmenkunden wickeln ihren Zahlungsverkehr fast nahezu vollständig elektronisch ab und die Gutschrift erfolgt am nächsten Tag. Wenn es mal schnell gehen soll, gibt es – ebenfalls gewachsen – verschiedene Instrumente mit noch viel mehr Namen dafür. Fast alle diese Instrumente sind nicht für den Massenzahlungsverkehr geeignet (anders als z. B. eine SEPA-Überweisung). Die Anforderungen der modernen Welt – und nicht nur des eCommerce – erfordern schnellere Lösungen. Diese entwickeln sich sukzessive weiter, auch mit neuen Services. Doch was nützt mir das sofort zugestellte Geld in meinem PayPal-Konto, wenn ich es doch am Automaten abheben möchte? Die dahinter liegende Auszahlung auf mein Bankkonto dauert ca. zwei Tage und gegen ein Prozent Gebühr geht es dann auch in wenigen Minuten. 

 

Was ist der Grund für diese verhältnismäßig langsame Entwicklung?

Vorweggesagt, es gibt Länder, in denen sind Echtzeitüberweisungen schon deutlich verbreiteter, doch interessant ist vor allem, was passiert bei uns in Deutschland?

Die Echtzeitüberweisung basiert technisch gesehen auf einer SEPA-Zahlung und das Clearing der Gelder erfolgt zeitversetzt an Targettagen regulär über die EZB. Dennoch kann der Kunde innerhalb von zehn Sekunden über das Geld sofort am POS, per Überweisung oder eben auch per Abhebung verfügen. Die Gründe dafür sind vielschichtig und stecken nur bedingt in den vordergründigen allgemein genannten Verdächtigen:

  • Betragsgrenze zu gering (aktuell 15.000 EUR pro Zahlung, ab 01.07.2020 100.000 EUR pro Zahlung).
  • „Hoher Preis“ bei vielen Banken (zwischen 30 und 80 Cent sind marktüblich).
  • Teilnehmende Banken sind zu wenige (Echtzeitüberweisungen sind für Banken keine verpflichtende Leistung). 
  • Die Technik ist den Nutzern zu kompliziert. 

 

Nutzer und Banken nähern sich dem Thema aus verschiedenen anderen Gründen nur langsam und die heißen Veränderungswille, Marktentwicklung, Regulatorik und Sicherheit.

 

 

Veränderungswille

Ähnlich wie bei der Umstellung von Bargeld auf elektronische Varianten, stockt auch der Wechsel von SEPA-Zahlungen auf Echtzeitüberweisungen an dem Thema – brauch ich nicht – geht doch auch so – ist doch zu teurer. In anderen Ländern, wie z. B. UK oder den Niederlanden, gehen die Bürger offener damit um. 

 

Zumindest als Unternehmen sollte ich aber das Thema für mich etwas stärker bewerten, denn im Zweifel wird am Unternehmen vorbei verändert. Ein Beispiel: Sie kaufen ein Auto und der Händler sagt zu Ihnen: Sie können überweisen oder bar zahlen. An einem Samstagvormittag möchten Sie Ihr Auto freudig abholen und führen den folgenden Dialog:

 

Mitarbeiter im Autohaus: Da Sie vorher nicht überwiesen haben, gehe ich davon aus, dass Sie jetzt bar zahlen möchten.

Sie: Nein, ich habe mir den Wagen eben schon mal angesehen und eine Echtzeitüberweisung auf Ihr Konto getätigt. Das Geld ist schon auf dem Konto Ihrer Firma.

Mitarbeiter im Autohaus: Oh, das ist jetzt aber schlecht. Die Buchhaltung arbeitet heute nicht und ich komme nicht auf das Konto. Das Auto darf ich Ihnen nicht mitgeben.

Sie: Ich habe aber bezahlt, das ist nicht mein Problem.

 

… den Rest können wir uns ausmalen.

 

SEMINARTIPPS

FCH Innovation Days 2020, 15.–16.06.2020, Berlin.

Digitale Authentifizierung im Konten- & Zahlungsverkehr gemäß PSD II, 29.09.2020, Frankfurt/M.

Cloud-Dienstleistungen: Anforderungen, Implementierung & Überwachung, 30.09.2020, Frankfurt/M.

 

Marktentwicklung

Das klassische Henne-und-Ei-Problem. Was kommt zuerst? Die Akzeptanzstellen oder die Kunden, die so oder so zahlen wollen? Die breite Masse hat das Thema nach wie vor noch nicht für sich entdeckt. Dies liegt unter anderem an der Vielfalt der neuen/modernen Zahlverfahren. Apple Pay, Zahlung per Android NFC-Schnittstelle durch meine Bank-App oder Google-Pay? Paydirekt und PayPal, sowie Klarna, um nur einige wenige zu nennen. 

 

Regulatorik 

Banken müssen eine völlig neue Infrastruktur aufbauen, um Echtzeitüberweisungen anbieten zu können. Die herkömmliche Welt hat immer in Tagen gedacht und gearbeitet. Jetzt müssen alle bankfachlichen Prüfungen wie Kontodisposition, Geldwäsche, Verfügungssperren (auch Habenseite wie z. B. bei einer GmbH i. G.), Embargos etc. innerhalb von zehn Sekunden erledigt sein. Manuelle Eingriffe sind dabei ausgeschlossen. 

 

Sicherheit

Solange Anrufe in den Serviceabteilungen der Banken von Geschäfts- und Firmenkunden für Überweisungsrückrufe an der Tagesordnung sind, bekommt man ein Gefühl, warum es gut ist die Echtzeitüberweisung noch nicht vollständig zu haben. Es werden zum Teil fünf- und auch sechsstellige Beträge zurückgerufen, die aus Versehen überwiesen wurden. Viele dieser Kunden setzen noch kein 4-Augen-Prinzip ein, gehen nicht korrekt mit Ihren Legitimationsmedien um, bzw. reichen diese gleich an andere Mitarbeiter weiter. In Zeiten von Echtzeitüberweisungen reichen wenige Stunden aus, um die Beträge x-mal weiter zu überweisen und im Falle von echtem Betrug wie CEO Fraud, die Spuren zu verwischen.

 




Wie geht es weiter?

Der Siegeszug der Echtzeitüberweisung ist nicht aufzuhalten. Die Vorteile liegen auf der Hand und der Markt fordert schnelle Überweisungen. Die Höchstgrenzen werden sukzessive steigen und nach Etablierung, sowie nach (Teil-)Amortisation der Erstinvestitionen werden auch die Preise voraussichtlich sinken. Die Herkömmliche SEPA-Überweisung wird durch die Echtzeitüberweisung vollständig ersetzt – alles nur eine Frage der Zeit. 

PRAXISTIPPS

  • Machen Sie Echtzeitüberweisungen selbst, im gleichen Institut/für deren Mitarbeiter oft auch kostenfrei.
  • Versetzen Sie sich in die Lage Ihrer Kunden und bringen Sie Ideen ein. Muss ein Handwerker immer ein POS-Gerät im Gepäck haben oder geht nicht auch eine Echtzeitüberweisung?

 

Glossar

Targettage – Geschäftstage (für Buchungen) von Banken im SEPA-Raum orientieren sich nicht an den lokalen Feiertagen, sondern am Feiertagskalender der EZB. Gebucht wird damit an jedem Tag des Jahres, mit Ausnahme von Wochenenden und den im Targetkalender genannten Feiertagen: Neujahr (1. Januar), Karfreitag, Ostermontag, Maifeiertag (1. Mai), 1. und 2. Weihnachtstag (25. und 26. Dezember). Link Bundesbank: https://www.bundesbank.de/resource/blob/812262/d03d933da40d1fd18a0e1fcfec670b83/mL/feiertage-in-deutschland-2-data.pdf

 

Weblinks

 

 


Beitragsnummer: 6787

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