Dienstag, 21. April 2020

BGH nimmt Klarstellung zu mehreren Pflichtangaben vor

Tilman Hölldampf, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

 

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Beschluss vom 11.02.2020 – XI ZR 648/18 – mit einer ganzen Reihe an Rügen zu angeblich fehlerhaft erteilten Pflichtangaben im Rahmen eines Allgemein-Verbraucherdarlehens auseinandergesetzt und dabei gerade auch im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des LG Ravensburg zum EuGH vom 07.01.2020 – 2 O 315/19 – festgehalten, dass hinsichtlich dieser Punkte das europäische Recht keinen Anlass zu einer anderweitigen Bewertung gebe. Im Wesentlichen sind dies folgende Gesichtspunkte:

 

  • Der Tageszins kann in der Widerrufsinformation mit „€ 0,00“ angegeben werden, wenn die Parteien sich im vertraglichen Wege darauf geeinigt haben, dass die Bank im Falle des Widerrufs keinen Zinsanspruch erhebt (Rn. 12 f.).
  • Die Bank muss nicht ausdrücklich erwähnen, welche Berechnungsmethode sie für die Vorfälligkeitsentschädigung wählt, sofern dies aus den angegebenen Berechnungsparametern hervorgeht. Die finanzmathematisch hochkomplexe Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung muss nicht näher erläutert werden (Rn. 14 ff.).
  • Die Angaben zu den Kündigungsrechten müssen lediglich einen Hinweis auf das aus Art. 13 Abs. 1 Verbraucherkreditrichtlinie (im nationalen Recht umgesetzt durch § 500 Abs. 1 BGB) ersichtliche Kündigungsrecht enthalten. Ein Hinweis auf das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB ist nicht erforderlich (Rn. 20 f.).
  • Der „Satz der Verzugszinsen“ ist nicht als konkreter Prozentsatz anzugeben, was allein aus der halbjährlichen Veränderlichkeit des gesetzlichen Verzugszinssatzes folge. Zudem sehe die Verbraucherkreditrichtlinie die Angabe eines konkreten Prozentsatzes im Hinblick auf die Verzugszinsen, anders als beispielsweise beim effektiven Jahreszins, nicht vor (Rn. 22 ff.).
  • Der Senat hält weiter fest, dass das Erfordernis der „klaren und verständlichen“ Mitteilung der Pflichtangaben keine Mindestschriftgröße erfordere. Maßgeblich ist allein, dass der durchschnittlich verständige und aufmerksame Verbraucher die mitgeteilten Angaben zur Kenntnis nehmen kann (Rn. 27 f.).
  • Die Angabe der Gesamtkosten des Kredits erfordere die Mitteilung sämtlicher mit dem Kredit verbundener Kosten, einschließlich der Zinsen, Provisionen, Steuern und Kosten jeder Art (ausgenommen Notargebühren), die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind. Weichen die mitgeteilten Gesamtkosten marginal von den tatsächlichen Gesamtkosten ab und geht diese Abweichung auf eine nach kaufmännischen Grundsätzen korrekt vorgenommene Rundung zurück, ist dies nicht zu beanstanden (Rn. 29 ff.).
  • Pflichtangaben können dem Verbraucher auch in anderen Unterlagen als dem Darlehensvertrag selbst mitgeteilt werden, sofern auf diese Unterlagen klar und verständlich verwiesen wird. Eine solche klare und verständliche Verweisung ist auch in der fortlaufenden Paginierung der Vertragsunterlagen zu sehen (Rn. 33 ff.).
  • Der Verbraucher wird über den Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren ausreichend dadurch informiert, dass er auf die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde zum Ombudsmann der privaten Banken hingewiesen wird. Dabei ist es ausreichend, wenn auf die entsprechende Verfahrensordnung verwiesen wird, ohne dass es einer inhaltlichen Darlegung dieser Verfahrensordnung im Darlehensvertrag selbst bedarf (Rn. 37 ff.).
  • Die Angabe zu den „sonstigen Kosten“ nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB a.F. umfasst nur solche Kosten, die aus der Durchführung des Darlehensvertrags erwachsen, wie etwa die der Bepreisung von Überziehungsmöglichkeiten oder Kosten für die Auszahlung oder Nutzung von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten. Darunter fallen dagegen nicht Gebühren für fakultativ zu beauftragende Sonderleistungen (wie etwa Ratenplanänderungen oder Stundungen), von welchen gar nicht klar ist, ob diese tatsächlich anfallen werden (Rn. 43 ff.)

 

SEMINARTIPPS

VerbraucherKreditRecht 2020, 22.09.2020, Frankfurt/M.

Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 23.11.2020, Frankfurt/M.

 

PRAXISTIPP

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs bestätigt weitestgehend dessen Entscheidungen vom 05.11.2019 – XI ZR 11/19 und XI ZR 650/18, m. Anm. Hölldampf, WuB 2020 S. 133. Der Umstand, dass der Bundesgerichtshof sich dabei umfassend mit der Frage auseinandersetzen muss, ob aus dem europäischen Recht etwas anderes folge, was der BGH zutreffend verneint, steht dabei sinnbildlich für den derzeitigen Versuch von Verbraucheranwälten, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über den Umweg zum EuGH zu umgehen.

 

Dass diese Versuche trotz entsprechender Klarstellungen des für das nationale Recht zuständigen Bundesgerichtshofs teilweise durch Gerichte unterstützt werden, ist bedauerlich. Denn es sollte dabei nie außer Acht gelassen werden, dass der umfängliche Katalog an Pflichtangaben, welcher einem Unternehmer auferlegt wird, eine ganz erhebliche Vielzahl von Fehlerquellen bietet. Insofern erscheint die Regelung des europäischen wie auch des nationalen Gesetzgebers, den Beginn der Widerrufsfrist an die Mitteilung von Pflichtangaben zu koppeln, mehr als unglücklich, wenn dies nun von vielen Verbrauchern zum Anlass genommen wird, sich unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes mit formalen Einwänden von bewusst eingegangenen Verträgen zu lösen. Dem sollten nationale Gerichte eigentlich entgegentreten, indem sie der Linie des BGH folgen, statt solchen Bestrebungen durch EuGH-Vorlagen auch noch Vorschub zu leisten, obwohl der XI. Zivilsenat bereits entschieden hat.

 

Für Immobiliardarlehen ist die Problematik jedoch insofern eingeschränkt, als der BGH in seinem Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 581/18 – klargestellt hat, dass solche Darlehen der Verbraucherkreditrichtlinie nicht unterfallen, weswegen diese Darlehen auch nicht an deren Vorgaben zu messen sind. 


Beitragsnummer: 6783

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