Dienstag, 21. April 2020

Verbrauchereigenschaft von Kapitalanlegern

Ist eine hochprofessionell und mit erheblichen Summen am Kapitalmarkt agierende Person noch Verbraucher?

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

Nachdem die ersten beiden tschechischen Instanzgerichte entschieden hatten, dass ein privater Anleger, welcher hochprofessionell, mit großen Summen sowie in ganz erheblichem Umfang am Kapitalmarkt dauerhaft tätig ist, nicht mehr als Verbraucher angesehen werden kann, der Oberste Gerichtshof der Tschechischen Republik an dieser Auslegung Zweifel und demgemäß die Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hatte, musste sich dieser mit der vorgelegten Frage auseinandersetzen. 

SEMINARTIPP

20. Bankrechts-Tag, 22.10.2020, Frankfurt/M.


In seinem Urt. v. 03.10.2019, Az. Rs C-208/18 (vgl. hierzu Anmerkung Thorsten Vogl, EWiR 6/2020 S. 189), hält der Europäische Gerichtshof fest, dass bei der Prüfung der Verbrauchereigenschaft Faktoren wie der Wert der getätigten Transaktionen, der Umfang der mit dem Abschluss solcher Verträge verbundenen Risiken finanzieller Verluste, etwaige Kenntnisse und Erfahrungen des Anlegers auf dem Gebiet von Finanzinstrumenten oder dessen aktives Handeln im Rahmen solcher Transaktionen sowie der Umstand, dass Finanzinstrumente nicht unter Art. 6 VO(EG) Nr. 593/2008 fallen oder dass diese Person ein „Kleinanleger“ i. S. v. Art. 4 Abs. 1 NR. 12 RL 2004/39/EG ist, irrelevant seien (Rn. 37). Der Verbraucherbegriff habe nämlich einen objektiven Charakter und sei (allein) in Abgrenzung zum Unternehmerbegriff zu definieren, sodass subjektive Elemente bei der Bestimmung der Verbrauchereigenschaft nicht relevant seien (Rn. 55).

PRAXISTIPP

So sehr wertende Gesichtspunkte dafür sprechen, denjenigen Kapitalanleger, welcher zur Erzielung von Gewinnen mit großen Summen sowie in erheblichem Umfang und dauerhaft auf dem Kapitalmarkt hochprofessionell risikobehaftete Geschäfte tätigt, nicht mehr als Verbraucher anzusehen (vgl. hierzu Edelmann, in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl. 2020, § 2, S. 60 ff.), so sehr sprechen die derzeitigen nationalen und europäischen Regelungen dafür, jeglichen Kapitalanleger dann als Verbraucher anzusehen, wenn dieser das Kapitalanlagegeschäft zu einem Zweck abschließt, der privat ist und weder einer gewerblichen noch einer (selbständigen) beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Damit müssen auch solche Kapitalanleger nach wie vor als Verbraucher gelten, die dauerhaft und hochprofessionell hohe Summen am Kapitalmarkt in hochriskante Geschäfte investieren.


Beitragsnummer: 6775

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
BGH: Rolle rückwärts bei Widerruf von Allgemein-Verbraucherdarlehen

Der BGH entschied aktuell, dass ein Kreditnehmer kein fortdauerndes Widerrufsrecht hat, auch wenn die erteilte Angabe einer Klauselkontrolle nicht standhalte.

21.03.2024

Beitragsicon
Münchener Anwaltshandbuch Bank- und Kapitalmarktrecht

Münchener Anwaltshandbuch Bank- und Kapitalmarktrecht

26.02.2024

Beitragsicon
Prospektqualität eines Informationsblattes

In der BGH-Entscheidung vom 14.11.2023, XI ZB 2/21 geht es u.a. um die spezialgesetzlichen Prospekthaftung sowie um das Erfordernis eines Prospektnachtrages.

21.03.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.