Dienstag, 15. Mai 2018

Aufsichtlicher Fokus der Kreditgeschäfts-Neuerungen

Frank Günther, Senior Consultant und Kreditspezialist, FCH Consult GmbH; langjähriger Leiter Kreditreferat der Berliner Volksbank eG

Auch 2018 befinden sich die Banken betreffs der Entwicklung ihres Kreditgeschäftes weiterhin in einem komplexen, herausfordernden Marktumfeld. Dieses wird durch neue und erweiterte regulatorische Anforderungen z. B. der MaRisk, der Papiere von EZB und EBA zum Thema der Beherrschung der Risiken von Non Performing Loans, der EBA-Guidelines zur Bildung der Gruppe verbundenen Kunden, Richtlinien zur Kreditstatistik AnaCredit aufsichtsrechtlich begleitet. Dabei steht im Zielbild ein qualitativ hochwertiges Kreditgeschäft im Blickpunkt, bei dem die Banken die perspektivischen Ausfälle beherrschen.

Als wesentliche Neuerungen speziell für das Kreditgeschäft sind aktuell hervorzuheben:

Objekt-/Projektfinanzierungen:

Die Definition der Objekt-/Projektfinanzierungen wurde konkretisiert. Während der Entwicklungsphase eines Projektes/Objektes sind regelmäßige Besichtigungen und Bautenstandskontrollen durchzuführen. Der zeitliche Abstand ist unter Risikogesichtspunkten institutsindividuell festzulegen (MaRisk BTO 1.2 TZ 5).

Kapitaldienstfähigkeit (KDF):

In die Analyse sind auch Risiken für die zukünftige Vermögens- und Liquiditätslage des Kreditnehmers einzubeziehen, dies gilt insbesondere bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen für zukünftige, als wahrscheinlich anzusehende Einkommensschwankungen (MaRisk BTO 1.2.1 TZ 1-2).

Sicherheitenbewertung bei Kreditgewährung:

Der Wertansatz muss hinsichtlich wertbeeinflussender Umstände nachvollziehbar und in den Annahmen und Parametern begründet sein. Für die Überprüfung der Werthaltigkeit einer Sicherheit ist je nach Sicherheitenart eine institutseigene Grenze für Objektbesichtigungen festzulegen, die unbegründete Übernahme von aufsichtsrechtlichen Grenzen ist nicht zulässig (MaRisk BTO 1.2.1 TZ 3).

Sicherheitenbewertung bei Immobilienkrediten:

Der alleinige Einsatz von Marktschwankungskonzepten zur Überprüfung der Werthaltigkeit von Immobiliensicherheiten ist nicht (mehr) ausreichend. Das Institut hat Immobiliensicherheiten ab einer unter Risikogesichtspunkten festzulegenden Grenze eigenverantwortlich zu beobachten und Risiken für die Werthaltigkeit der Sicherheit zu identifizieren und zu steuern (MaRisk BTO 1.2.2 TZ 3).

Anforderung an Forbearance-Maßnahmen:

Bei der Festlegung der Kriterien zur Überleitung in die Intensivbetreuung oder Problemkreditbearbeitung hat das Institut auch die Engagements hinsichtlich eines Übergangs angemessen zu berücksichtigen, bei denen Zugeständnisse hinsichtlich der Rückzahlungsmodalitäten zugunsten des Kreditnehmers gemacht wurden. Eine genaue Definition und Abgrenzung von Forbearance kann das Institut institutsindividuell vornehmen, ggf. auch in Anlehnung an Definitionen internationaler Aufsichtsinstitutionen (MaRisk BTO 1.2.4 TZ 1).

Die Erkenntnisse aus Forbearance-Maßnahmen sind zudem angemessen bei den Verfahren zur Früherkennung von Risiken, beim Risikoklassifizierungsverfahren und bei der Bildung der Risikovorsorge zu berücksichtigen.

Behandlung von Problemkrediten:

Die Klarstellungen grenzen den Übergang von Intensivbetreuung in Sanierung/Abwicklung sowie zu Sanierungsfällen ab (MaRisk BTO 1.2.5 TZ 2).

Anforderungen an die Abwicklung von Kreditengagements:

Das Institut hat eine angemessene Erfassung der Erlöse aus der Abwicklung von Kreditengagements sowie der zugehörigen historischen Werte der Kreditsicherheiten in einer Erlösquotensammlung zu gewährleisten. Die Erkenntnisse aus der Erlösquotensammlung sind bei der Steuerung der Adressenausfallrisiken angemessen zu berücksichtigen (MaRisk BTR 1 TZ 7). Dies betrifft sowohl die Rückflüsse aus den Kreditbeitreibungen als auch der Sicherheitenverwertungen.

Bildung der Gruppe verbundener Kunden (GvK):

Durch die Veröffentlichung der Leitlinien seitens der EBA, welche bis zum 01.01.2019 in nationales Recht zu überführen sind, erhält die Bildung von Gruppen verbundener Kunden eine neue Aktualität. Dies gilt insbesondere für die nun bei Vorliegen von besonderen Ansteckungsrisiken vorgesehene Zusammenführung von Gruppen, die unter Anwendung des Kontrolltatbestands gebildet wurden, mit Gruppen, welche auf Grund wirtschaftlicher Abhängigkeiten gebildet wurden. Die Änderungen betreffen neben den Großkreditvorschriften alle Anforderungen an die Kreditprozesse, die auf den einheitlichen GvK-Begriff zurückgreifen (z. B. anwendbare Kreditkompetenz, Einstufung für risikoorientierte MaRisk Öffnungsklauseln, § 18 Offenlegung, Einhaltung der Organkreditvorschriften).

 SEMINARTIPP

Schlüsselkontrollen Spezial: Kreditprozesse, 27.09.2018, Frankfurt/Offenbach.


Anforderungen an Datenqualität, -aktualität, -konsistenz:

Neben den Umsetzungen der BCBS 239 im Rahmen der MaRisk werden durch die ab 30.09.2018 vollumfänglichen Anzeigen nach AnaCredit eine Vielzahl von Kunden- und Kreditdaten aktuell und konsistent aus dem Kreditprozess erwartet. Diese Anforderungen sind auch zur Optimierung der Vertriebs- und Steuerungsprozesse zu nutzen.

Die Umsetzung einer Vielzahl der o. g. Neuerungen, wie die Anforderungen an die Sicherheitenbewertungen, die Anwendungen von Forbearancemaßnahmen, die Problemkredit-/NPL-Bearbeitung inkl. Entwicklung der Risikovorsorge und Rückflussquoten bekommen im Rahmen der Anzeigen nach FinRep und AnaCredit eine hohe aufsichtsrechtliche Transparenz.

Vor allem wird durch den EZB-Leitfaden zu notleidenden Krediten und den Papieren der EBA zu Ausfall und notleidenden Krediten ganz klar der erhöhte Anspruch der Aufsicht an ein aus den Ergebnissen und Erfahrungen der Problemkreditbearbeitung abgeleitetes lernendes System der Risikofrüherkennung, der Kapitaldienstrechnung, der Sicherheitenbewertung, der Anwendung von Forbearance-Maßnahmen dargelegt.

Im Rahmen von sogenannten „PaaR-Prüfungen” (Prüfung aufsichtlich angemessener Risikovorsorge) wird auf die Umsetzung der wesentlichen genannten Anforderungen fokussiert. Hier steht neben dem bisherigen prozessorientierten Prüfungsansatz wieder die einzelengagementbezogene Werthaltigkeitsprüfung verstärkt im Fokus der Aufsicht (Überprüfung von Kreditsicherheiten, Beurteilung der nachhaltigen KDF).

PRAXISTIPPS

  • Die bankinternen Richtlinien/Definitionen (schriftliche fixierte Ordnung) sind regelmäßig aus den Erfahrungen der Bank vor allem betreffs des Risikofrühwarnsystems, der Verfahren zur Kapitaldienstberechnung, der Sicherheitenbewertung und der Prozesse rund um Ausfall, Risikovorsorge, Forbearance, Problemkreditbearbeitung, NPL zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
  • Ein laufender Qualitätssicherungsprozess hat aktuelle und konsistente Daten im Kreditprozess sicherzustellen, welche einheitliche Grundlage für das interne Reporting/Controlling und das externe Meldewesen sind. Diese Daten sind auch zur Weiterentwicklung der Prozesse aus Risiko- und Effizienzsicht zu nutzen.
  • Im Mittelpunkt der Neuerungen steht nicht die Umsetzung von Einzelthemen, sondern die Gestaltung und stete Weiterentwicklung eines effizienten Kreditgesamtprozesses unter Einhaltung der einzelnen aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Dies erfordert gut qualifiziertes und motiviertes Personal, welches über das eigene Arbeitsgebiet hinausdenkt und handelt.



Beitragsnummer: 673

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