Freitag, 24. April 2020

Mehrwert anlassbezogener Stresstests zur Corona-Krise

Dr. Daniel Baumgarten, Teamleiter, Risikotragfähigkeit & Kapital, Sparkasse KölnBonn

 

Anforderung zur Durchführung anlassbezogener Stresstests

 

Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) formulieren im Allgemeinen Teil 4.3.3 Textziffer 1:

 

"Es sind regelmäßig sowie anlassbezogen angemessene Stresstests für die wesentlichen Risiken durchzuführen, die Art, Umfang, Komplexität und den Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten widerspiegeln."

 

Die aktuell vorherrschenden Umstände und deren wirtschaftlichen Folgen stellen zweifelsohne eine außergewöhnliche Situation dar. Dalia Marin, Professorin für Internationale Wirtschaft an der School of Management der TU München, prognostiziert einen Rückgang der globalen Lieferketten aufgrund der Corona-Krise um 34,5 %, der Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (BVMW) befürchtet Umsatzrückgänge von über 60 %, die Börsen dürften auf absehbare Zeit ein Wechselbad der Gefühle darstellen. 

 

SEMINARTIPPS

10. Kölner Risikomanagement-Tagung 2020, 25.–26.05.2020, Köln.

Überwachung/Steuerung bislang unterschätzter Adressrisiken im Depot A, 28.05.2020, Köln.

Bewertung der Kapitalplanung im SREP: neue Anforderungen & Fallstricke, 15.06.2020, Frankfurt/M.

Gesamtbanksteuerung: Neue Anforderungen, Prüffelder & Feststellungen, 16.06.2020, Frankfurt/M.

 

Die Liste von wirtschaftlichen Hiobsbotschaften und düsteren Prognosen ließe sich nahezu unendlich lange fortführen. Anlass für eine zusätzliche Durchführung von Stresstests bestünde folglich genug, es stellt sich jedoch die Frage der konkreten operativen Umsetzung in den Instituten.

 

Möglicher Ausgangspunkt schwerer konjunktureller Abschwung

 

Die „ad hoc“ Entwicklung eines zusätzlichen neuen Stressszenarios „Corona-Pandemie“ erscheint hinsichtlich der Ableitung einer angemessenen Parametrisierung zum jetzigen Zeitpunkt noch schwierig und damit nur eingeschränkt zielführend.

 

Je nach individueller Ausgestaltung kann der – aufgrund der MaRisk-Anforderung in jedem Institut bestehende – Stresstest eines „schweren konjunkturellen Abschwungs“ die möglichen Auswirkungen der aktuellen Situation bereits angemessen widerspiegeln, der Auslöser ist nur vermutlich ein anderer als bei Entwicklung des Szenarios angenommen.

 

Zur anlassbezogenen Stresstest-Analyse könnte dieser Stresstest auf Grundlage aktueller Portfolio-Daten neu berechnet werden und darüber hinaus durch portfolio- bzw. branchenspezifische Analysen ergänzt werden. Insbesondere sollte analysiert werden, inwieweit insbesondere im Marktpreisrisiko bereits Marktbewegungen im Verhältnis zu den Stressparametern eingetreten sind.

 

Ergänzende Analysen auf Ebene der Einzelrisikoarten

 

Neben risikoartenübergreifenden Szenarien kann ein Informationsmehrwert durch Analysen zu möglichen Auswirkungen der Krise auf Einzelrisikoebene geschaffen werden. Mit besonderem Fokus sollte das institutsindividuelle Kreditportfolio (und ggf. das Depot A) hinsichtlich besonders betroffener Branchen (Messen, Eventcatering, Gastronomie, Einzelhandel) betrachtet werden.

 

Auch Auswirkungen auf Liquiditätsrisiken und operationelle Risiken (Mitarbeiterausfall, Business Continuity Management, externe Einflüsse) sollten beleuchtet werden und ggf. zu einer kombinierten Wirkung zusammengeführt werden.

 

BUCHTIPP

Geiersbach/Prasser (Hrsg.): Praktikerhandbuch Stresstesting 4. Aufl. 2020.

 

Überprüfung der Kapitalplanung

 

Bezüglich der Kapitalplanung ist eine Einschätzung zu treffen, ob die im Rahmen der turnusmäßigen Erstellung abgeleitete Kapitalplanung tatsächlich realisierbar ist oder ob Anpassungen auf Basis der neuen Gegebenheiten geboten sind. 



 

Dabei können neben den zu erwartenden belastenden Effekten der Krise jedoch auch die zwischenzeitlich durch die europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden kommunizierten Erleichterungen wie beispielsweise die Reduktion des nationalen antizyklischen Puffers der BRD von 0,25 % auf 0 % zum 01.04.2020 sowie die Verschiebung der Vollendung von Basel III („Basel IV“) um ein Jahr berücksichtigt werden.

 

PRAXISTIPPS

  • Prüfen Sie den Mehrwert eines anlassbezogenen Stresstests zur aktuellen Krisenlage, eine Modifizierung und Neuberechnung des bestehenden Stresstests eines schweren konjunkturellen Abschwungs kann ein geeigneter Ausganspunkt sein.
  • Ergänzen Sie risikoartenübergreifende Szenarien durch Analysen auf Einzelrisikoebene, insbesondere in Bezug auf das Kreditportfolio.
  • Beobachten Sie, ab welchem Zeitpunkt und welcher Informationsgrundlage eine Aktualisierung der Kapitalplanung sinnvoll und zielführend erscheint.

Beitragsnummer: 6491

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