Dienstag, 21. April 2020

Zur Kündigung und Kündbarkeit von Prämiensparverträgen

Dr. Roman Jordans, LL.M. (NZ), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, CBH Rechtsanwälte, Köln

Einleitung

Das derzeitige Niedrigzins- bzw. Negativzinsumfeld zwingt die Kreditwirtschaft dazu, nach alternativen Einnahmequellen zu suchen. Daher ist die Einführung von Negativzinsen bzw. Verwahrentgelten für Kunden genauso in der Diskussion wie die Erhöhung der Provisionserträge, da die Zinsmarge nicht mehr so auskömmlich ist wie zu normalen Zeiten.

Parallel dazu sind Banken ebenfalls auf der Suche nach Möglichkeiten, sich von hohen Zahlungsverpflichtungen, insbesondere aus variabel verzinsten Sparverträgen mit Prämienklausen, zu lösen.

Rechtsprechung

Während die Rechtsprechung hier über Jahre uneinheitlich war, hatte das OLG Stuttgart zu den sog. Scala-Sparverträgen im Jahre 2015 eine erste Entscheidung getroffen (Urt. v. 23.09.2015 – 9 U 31/15). Weitere Entscheidungen, die hier von Interesse sind, stammen vom OLG Naumburg (Urt. v. 16.05.2018 – 5 U 29/18) und vom OLG Dresden (Urt. v. 18.4.2019 – 8 U 52/19).

Entscheidend war jeweils die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Bank bzw. Sparkasse zur Kündigung dieser Sparverträge berechtigt ist. Das OLG Stuttgart hatte ein Kündigungsrecht verneint. Das OLG Naumburg hatte dagegen schon in einer früheren Entscheidung (Urt. v. 21.02.2018 – 5 U 139/17) die Wirksamkeit der Kündigung eines Prämiensparvertrags bejaht. Es gebe keine Vereinbarung über die Laufzeit. Daher könne der Vertrag auf der Grundlage der Nr. 26 Abs. 1 der AGB Sparkassen gekündigt werden. So entschied das OLG Naumburg dann auch mit weiterem Urteil, gefolgt vom OLG Dresden.

Das Vorliegen eines sachgerechten Grunds sei aber Voraussetzung:

Zumindest bei Verträgen, die sich auf der letzten Prämienstufe befinden, rechtfertige das Niedrig- und Negativzinsumfeld die Kündigung der den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr entsprechenden Sparverträgen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Erfordernis eines „sachgerechten Grundes“ deutlich geringere Hürden aufstellt als das Erfordernis eines „wichtigen Grundes“. Der sachgerechte Grund verbietet allein eine willkürliche Entscheidung, d. h. die Kündigung muss aus kaufmännischer Sicht nachvollziehbar sein.


SEMINARTIPPS

Einführung Negative Zinsen & Verwahrentgelte, 11.05.2020, Frankfurt/M.

Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 29.10.2020, Würzburg.

(Un)Zulässige Bankentgelte, 24.11.2020, Frankfurt/M.

 

 

Urteil des BGH

Mit Entscheidung vom 14.05.2019 (XI ZR 345/18) hat der Bundesgerichtshof erstmals hierzu entschieden, dass eine ordentliche Kündigung über das Kündigungsrecht aus den AGB eines solchen Prämiensparvertrags dann möglich ist, wenn die höchste Prämiensparstufe oder Prämienstaffelstufe erreicht ist. Für die Zeit bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe gilt mit Blick auf das Bonusversprechen zugunsten des Kunden ein konkludenter Kündigungsausschluss

Einen über das Ende des 15. Sparjahres hinauswirkenden Ausschluss des Kündigungsrechts hätten die Parteien dagegen auch im Hinblick auf die unbefristete Laufzeit des Vertrages nicht vereinbart. Nach dem Inhalt der Vertragsantragsformulare habe die Beklagte die Zahlung einer Sparprämie lediglich bis zum 15. Sparjahr versprochen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem von der Sparkasse verwendeten Werbeflyer. Die in dem Werbeprospekt enthaltene Musterrechnung, die auf einen Zeitraum von 25 Jahren bezogen sei, stelle lediglich ein Rechenbeispiel dar, mit dem keine verbindliche Aussage zur tatsächlichen Laufzeit des Vertrages verbunden wäre. Diese ergebe sich vielmehr aus den Vertragsantragsformularen, in denen die Sparkasse ein Erreichen der höchsten Prämienstufe mit dem 15. Sparjahr zugesagt habe.

Die dogmatische Herleitung des BGH ist in der Literatur nicht immer geteilt worden, für die Praxis ist dies allerdings auch von untergeordneter Bedeutung. Für die Praxis ist von Interesse, unter welchen Voraussetzungen Prämiensparverträge durch für die Institute gekündigt werden können.

Dabei ist zu beachten, dass es nicht den einen oder den Sparvertrag gibt, der quer durch die Kreditwirtschaft und alle ihre Säulen unisono verwendet wurde, sondern dass es teilweise sogar innerhalb der Institutsgruppen sich deutlich voneinander unterscheidende Verträge gibt. Daher ist jeder einzelne Vertrag zu betrachten und – wie sich durchaus auch aus dem Urteil des BGH vom 14.05.2019 ergibt – auch auf die zugehörigen Werbeunterlagen bzw. Flyer abzustellen, sofern die seinerzeit in den Vertragsverhandlungen mit den Kunden genutzt wurden.

Prüfungsschritte aus Sicht der Institute

Flyer 

Es bietet sich daher an, zunächst zu prüfen, ob in Werbeunterlagen rechtlich relevante Versprechungen gemacht wurden. Da es sich um Verträge handelt, die zu einem großen Teil in den 1990er Jahren begründet wurden, stellt sich oftmals schon die rein faktische Frage, ob diese Unterlagen noch vorhanden sind. Problematisch wird es dann, wenn das Kreditinstitut selbst diese Unterlagen nicht mehr hat, der Kunde aber im Rahmen einer Beschwerde oder gar im Rahmen eines Prozesses diese Unterlagen noch vorlegen kann und behauptet, sich auch hierauf bei seiner Anlageentscheidung gestützt zu haben. Auch wenn in den bisher entschiedenen Einzelfällen tendenziell den Aussagen in Flyern und anderen Werbematerialien wenig Bedeutung beigemessen wurde, sollte dies nicht außer Acht gelassen werden.

Vertragsinhalt 

In einem nächsten Schritt ist dann zu prüfen, welche konkreten Vorgaben der streitige Prämiensparvertrag macht. Insbesondere wird ein Augenmerk darauf zu legen sein, ob und wie Mindestlaufzeiten bzw. Mindestprämienstaffeln ausgestaltet sind. Denn nach dem zitierten BGH-Urteil ist eine Kündigung wohl erst dann möglich, wenn die höchste bzw. letzte Prämienstaffel erreicht ist.

Sodann ist naturgemäß zu prüfen, ob diese Stufe bereits erreicht ist. Dabei ist nach Laufzeit und Prämienstaffel zu unterscheiden.

Wenn der Vertrag eine Laufzeitvereinbarung enthält, wird eine Kündigung vor Ablauf der Laufzeit nicht möglich sein, da ein konkludenter Kündigungsausschluss für die Laufzeit zu unterstellen ist.

Fraglich ist, ob dies auch dann gilt, wenn die höchste Prämienstaffel etwa nach 15 Jahren greift, aber eine Laufzeit von 25 Jahren vereinbart ist. Auch hier wird man davon auszugehen haben, dass nicht bereits nach 15 Jahren, sondern erst nach 25 Jahren ein Kündigungsrecht greift.

Vorgehensweise vor Aussprache der Kündigung

Wenn nach den geschilderten Kriterien eine Kündigung von Prämiensparverträgen als möglich erscheint, sollten sich aus Sicht des betroffenen Instituts dennoch einige Fragen stellen:

Öffentlichkeitswirkung/Reputation

Die Berichterstattung über die Entscheidungen des LG Ulm und OLG Stuttgart zu den seinerzeitigen Kündigungen von Scala-Verträgen hat gezeigt, dass die Öffentlichkeitswirkung von Kündigungen bzw. gar Kündigungswellen nicht zu unterschätzen ist.



Streit um Wirksamkeit der Zinsanpassungen in der Vergangenheit

Kunden könnten die Aussprache einer Kündigung zum Anlass nehmen, nicht nur die Wirksamkeit der Kündigung, sondern auch die Wirksamkeit der während der Laufzeit erfolgten Zinsanpassungen einer Überprüfung zu unterziehen bzw. unterziehen zu lassen.

Vor diesem Hintergrund ist eine sorgfältige Abwägung der Vorgehensweise anzuraten. Dabei sollte ggf. über die Hinzuziehung fachkundiger Unterstützung nachgedacht werden.

PRAXISTIPPS

• Auch langfristige Prämiensparverträge sind nicht grundsätzlich unkündbar.

• Die vertraglichen Regelungen sind zu beachten.

• Die Außenwirkung von Kündigungen ist zu bedenken.


Beitragsnummer: 6488

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