Dienstag, 28. April 2020

Auswirkungen der Corona-Krise auf die LCR

Be- oder Entlastung durch krisenbedingte Effekte

Tobias Westbrock, Referent Risikocontrolling, Institutssteuerung, abcbank Köln

 

In diesen außergewöhnlichen Zeiten stellt sich die Frage, wie es um die Liquidität eines Institutes bestellt ist und ob es die entsprechenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen noch erfüllen kann. Hier sollen speziell die Auswirkungen auf die LCR beleuchtet werden.

 

Einflussfaktoren

 

Auf der Abflussseite könnte es in einigen Einlagenprodukten zu erhöhten Abflüssen kommen, wenn die Kunden in der Krise ihr Geld abziehen. Abflüsse von z. B. Tagesgeldern und Girokonten müssen aber zuvor nicht angekündigt werden und können damit nur schlecht im Vorhinein abgeschätzt werden. Außerdem stellen die Abflussannahmen der LCR ohnehin bereits ein Stressszenario dar, so dass hier kein unmittelbarer Anpassungsbedarf herrschen sollte.

Stellt sich im Laufe der Krisensituation heraus, dass sich die Abflüsse gleichbleibend auf einem erhöhten Niveau bewegen, so kann im Rahmen der regelmäßigen Validierung der Abflussfaktoren für Privatkunden und KMU eine Anpassung innerhalb des aufsichtsrechtlichen Gewichtungskorridors nach oben notwendig und diese Validierung auch außerhalb des normalen Turnus sinnvoll sein.

 

SEMINARTIPPS

Verzahnung von Daten aus Risikocontrolling, Rechnungs- und Meldewesen, 18.06.2020, Frankfurt/M.

COREP: Verschärfte Anforderungen im Solvenz- & Liquiditätsmeldewesen, 26.10.2020, Frankfurt/M.

Auf-/Ausbau Meldewesen-IKS – Erfahrungen aus Aufsicht und Bankpraxis, 29.10.2020, Frankfurt/Offenbach.

Neue ILAAP-Vorgaben: Handlungsoptionen für Liquidität- & Banksteuerung, 02.11.2020, Hamburg.

 

Auf der Seite der Zuflüsse muss man von reduzierten Zahlungsrückflüssen der Kreditprodukte ausgehen, da einige Kunden ihre Raten nicht werden zahlen können. Sofern es sich dabei um erwartete Ausfälle handelt, sind auch diese bereits durch die Zuflussannahmen der LCR abgedeckt, die für einen Stressfall konzipiert wurden.

In dem Zusammenhang krisenbedingter kurzfristiger Zahlungsunfähigkeit wurden jedoch umfangreiche Regelungen für Zahlungsmoratorien von Seiten der Aufsicht getroffen, so dass mit vielen Kunden schon im Vorhinein entsprechende Vereinbarungen für einen Zahlungsaufschub getroffen werden konnten. Waren diese Vereinbarungen zum Stichtag bereits bekannt und im Detail ausgestaltet, könnten die Verschiebungen der betroffenen Zuflüsse dementsprechend in der LCR berücksichtigt werden.

 

Bei den liquiden Aktiva sind Wertverluste durch Kursschwankungen an den Märkten denkbar. Allerdings ist auch dieser Aspekt in den Gewichtungen der unterschiedlichen Kategorien liquider Aktiva bereits berücksichtigt, um deren Liquidierbarkeit in Krisenzeiten widerzuspiegeln. Man muss also keine Kursschwankungen antizipieren, jedoch stets den zum Stichtag gültigen Marktwert ansetzen, der in Abhängigkeit vom Produkt aktuell deutlich geringer ausfallen kann als noch vor den Corona-Maßnahmen.

Bestehen die liquiden Aktiva größtenteils aus Guthaben bei der Bundesbank, so stellt sich eher die Frage, wie viele unerwartete Abflüsse man hat hinnehmen müssen (s. o.) und ob die Liquiditätsreserve noch für die Einhaltung der Kennzahl ausreicht.

 

Liquiditätsbedarf in der Krise

 

Bei einigen Instituten wird es so sein, dass der 75%-Cap auf die meisten Zuflüsse angewendet werden kann. Somit besteht der Nenner der LCR aus

gewichtete Abflüsse – Min (75 % * gewichtete Abflüsse; gewichtete Zuflüsse).

 

BUCHTIPP

Rohde, Liquiditätsrisikomanagement deutscher Regionalbanken unter ganzheitlicher Betrachtung der drei Baseler Säulen, 2017.

 



Sind dann die gewichteten Zuflüsse deutlich höher als 75 % der gewichteten Abflüsse, so muss die durch z. B. Zahlungsaufschübe erwartete Reduktion an Rückflüssen erst einmal die Differenz von Zuflüssen und 75 % der Abflüsse übersteigen, um – bei gleichbleibenden liquiden Aktiva – überhaupt einen Einfluss auf die LCR-Kennzahl zu haben.

 

In einigen Konstellationen kann es dazu kommen, dass – aufgrund der Krisensituation und der damit verbundenen Zahlungsmoratorien – weniger liquide Aktiva für die Einhaltung der Kennzahl benötigt werden als zuvor.

 

 

Sind beispielsweise Durchleitungspositionen auf der Aktivseite von den Aufschüben betroffen, wie sie bei der Strukturierung eines ABS vorkommen, also Aktivpositionen, die eins zu eins an eine Zweckgesellschaft weitergeleitet werden, so reduzieren sich nicht nur die Zuflüsse innerhalb der nächsten 30 Tage, sondern auch die Abflüsse.

Dadurch kann der gesamte Nenner der LCR kleiner werden und demzufolge der Bedarf an liquiden Aktiva für die Einhaltung der Kennzahl sinken.

 

PRAXISTIPPS

  • LCR als Stresskennzahl deckt bereits Unsicherheiten in Krisensituation ab.
  • Erst vertraglich bzw. bewertungstechnisch eindeutige Änderungen sollten Eingang finden.
  • Bestimmte Konstellationen können sich mindernd auf den Liquiditätsbedarf auswirken.

Beitragsnummer: 6487

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