Samstag, 25. April 2020

Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Risikotragfähigkeit

Dominik, Leichinger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfungen 2, Hauptverwaltung in NRW, Deutsche Bundesbank

 

Die in diesem Aufsatz vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.

 

Der Ausbruch des SARS-CoV-2-Virus und seine rasante Verbreitung über den gesamten Globus hat die Welt verändert. Staaten auf der ganzen Welt verhängen Ausgangssperren und reduzieren das wirtschaftliche und öffentliche Leben in großen Teilen auf ein Minimum (sogenannter „Lockdown“). Eine Rückkehr zur gewohnten „Normalität“ scheint in diesen Tagen auch langfristig nicht vorstellbar.

 

Die Covid-19-Pandemie hat das Potenzial die realwirtschaftlichen Verluste zu Zeiten der Finanzmarktkrise 2008/2009 deutlich zu übersteigen. Nach Projektionen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird die Weltwirtschaftsleistung 2020 um drei Prozent schrumpfen. Die Projektionen für Deutschland liegen bei minus sieben Prozent.[1]

 

Eine derartige Veränderung der ökonomischen Rahmenbedingungen sollte die Kreditinstitute dazu veranlassen, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf ihre Risikotragfähigkeit hin zu untersuchen. Im Ausgangspunkt dieser Analyse steht die Frage, wie das Gesamtrisikoprofil des einzelnen Instituts durch die Pandemie tangiert wird.

 

Im Bereich der Marktpreisrisiken spiegeln sich die ersten Auswirkungen direkt in den Veränderungen der Marktdaten wider. Insbesondere die Aktienmärkte erfuhren teils einen historisch rasanten Preisverfall.[2] Auch auf den Rohstoffmärkten zeigten sich teils dramatische Kursrückgänge. So rutschte der Ölpreis innerhalb von einem Monat um mehr als die Hälfte ab. Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie sind die Märkte vor allem durch einen bedeutenden Volatilitätsanstieg gekennzeichnet.[3]

 

Bei den Adressenausfallrisiken wird sich das gesamte Ausmaß der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie erst mit Zeitversatz zeigen. Zwar hat die Politik zahlreiche Rettungsprogramme auferlegt, um Wirtschaftsbetriebe zu stützen. Entscheidend für die Überlebensfähigkeit von Unternehmen in dieser Zeit ist vor allem die Zeitspanne und der Umfang an Beschränkungen in der Geschäftstätigkeit (Stichwort „Lockdown“). Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit die Pandemie das Geschäfts- und Konsumverhalten nachhaltig verändern wird.

 

Ein Großteil der Belegschaft in den Instituten arbeitet seit Ausbruch der Pandemie im Home Office. Geschäftsprozesse mussten teilweise ad-hoc angepasst werden und eine stärkere Ausrichtung auf die Digitalisierung ist erkennbar. Im Zusammenhang mit der Veränderung von Prozessen und IT-Systemen sind vor allem die operationellen Risiken eines Instituts neu zu bewerten.

 

Mit Blick auf die Liquiditätsrisiken ist zu beurteilen, wie sich sinkende Wertpapierkurse auf die Liquiditätsreserve eines Instituts auswirken. Auch ein in der Krise verstärktes „Ziehen“ offener Linie von Kreditnehmern bindet Liquiditätsressourcen. Sowohl der zukünftige Liquiditätsbedarf als auch das Risiko steigender Refinanzierungskosten sollten unter Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie überprüft werden.

 

SEMINARTIPPS

Überwachung/Steuerung bislang unterschätzter Adressrisiken im Depot A, 28.05.2020, Köln.

Bewertung der Kapitalplanung im SREP: neue Anforderungen & Fallstricke, 15.06.2020, Frankfurt/M.

Gesamtbanksteuerung: Neue Anforderungen, Prüffelder & Feststellungen, 16.06.2020, Frankfurt/M.

FCH Fit & Proper VORSTAND: Fokus Gesamtbanksteuerung/Risikomanagement, 25.11.2020, Frankfurt/M.

Kennzahlenanalyse in Kreditportfolio-Steuerung nach neuen RTF-Ansätzen, 25.11.2020, Frankfurt/M.

 

Die Ermittlung der Auswirkungen auf die Risikotragfähigkeit sollte alle wesentlichen Risiken eines Instituts umfassen. Hierbei ist nicht auszuschließen, dass krisenbedingt auch weitere Risiken als bisher als wesentlich zu klassifizieren sind.

 

Des Weiteren sind die Modellannahmen der für Risikoquantifizierungszwecke eingesetzten Verfahren zu überprüfen. Insbesondere Verteilungsannahmen, aber auch angenommene Diversifikationseffekte könnten aufgrund der aktualisierten Datenlage in Frage gestellt werden.

 

Die Erkenntnisse sind sowohl in der ökonomischen als auch in der normativen Perspektive der Risikotragfähigkeit zu verarbeiten. Im Falle von Annex-Instituten ist neben der Risikotragfähigkeitsbetrachtung im Bedarfsfall auch die Kapitalplanung neu aufzustellen.



 

PRAXISTIPPS

  • Neubewertung des Risikoprofils auf Basis einer anlassbezogenen Risikoinventur.
  • Identifizierung besonders von der Covid-19-Pandemie betroffener Positionen im Rahmen einer Portfolioanalyse.
  • Approximative Ableitung von Risikopotentialen über Sensitivitätsanalysen möglich.
  • Berücksichtigung veränderter Risikofaktoren, die sich erst im Zeitablauf materialisieren über geeignete Szenarioanalysen.

[1] Vgl. IWF; World Economic Outlook, April 2020, S. 5.

[2] Beispielsweise verlor der S&P 500 Index von seinem Höchststand im Februar 2020 mehr als 20 % binnen 16 Handelstagen.

[3] Der VIX-Index erreichte beispielsweise die Ausmaße, die in der Finanzmarktkrise 2008/2009 beobachtet werden konnten.


Beitragsnummer: 6484

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