Montag, 6. April 2020

Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz in Zeiten der Corona-Pandemie

Handlungsbedarf des Arbeitgebers bei Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung

Dr. Christina Mitsch, Rechtsanwältin, Thümmel, Schütze & Partner

 

Die Corona-Pandemie stellt Arbeitgeber auch im Hinblick auf Maßnahmen der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes vor Herausforderungen. Zum einen muss der Arbeitgeber den technischen Arbeitsschutz beachten, der sich u. a. mit der Vermeidung arbeitsbedingter Erkrankungen und dem präventiven Gesundheitsschutz befasst und beispielsweise bei der Frage, der Etablierung eines Nies- und Spuckschutzes im Schalter- und Kassenbereich von Bankfilialen relevant ist. Zum anderen fordert der soziale Arbeitsschutz seinen Tribut, wie etwa bei den mit zunehmender Dauer häuslicher Isolation wachsenden psychischen Belastungen im Home-Office, ggf. noch mit gleichzeitiger Kinderbetreuung. Was ist zu tun?

 

SEMINARTIPPS

Prüffelder des Personalmanagements – Fokus Aufsichtsrecht, 22.09.2020, Frankfurt/M.

Aufsichtliche Anforderungen an die Prozesse im Personalmanagement, 07.10.2020, Köln.

 

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet den Arbeitgeber, die unter Berücksichtigung der konkreten Umstände am Arbeitsplatz erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes sowie der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu treffen. Nur wer weiß, welche Gefährdungen überhaupt existieren, kann diese effektiv mindern. Daher muss der Arbeitgeber gem. § 5 Abs. 1 ArbSchG eine sog. Gefährdungsbeurteilung erstellen, um die für die Beschäftigten mit ihrer jeweiligen Tätigkeit einhergehenden Gefährdungen zu ermitteln. 

 

Die Gefährdungsbeurteilung ist nicht nach einmaliger Erstellung „in Stein gemeißelt“, sondern muss regelmäßig überprüft und bei neu hinzukommenden Gefährdungen angepasst werden. Mit dem sich epidemisch ausbreitenden neuartigen Coronavirus hat sich die Gefährdungslage am Arbeitsplatz eindeutig in vielerlei Hinsicht – teils drastisch – verändert, sodass – abhängig von den betrieblichen Gegebenheiten – eine Neuerstellung, zumindest aber eine Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung („Beurteilung nach Ereignis: Corona-Pandemie“) geboten ist. Betrachtet werden müssen die tätigkeitsbezogenen Risiken im Zusammenhang mit dem Corona-Virus bei den arbeitsplatzbezogenen Kontakten sowohl im Kollegen- als auch im Kundenkreis sowie bei sonstigen Ansprechpartnern.

 

BUCHTIPP

Kuhn/Thaler (Hrsg.), BankPersonaler-Handbuch, 2016.

 



Arbeitgeber sollten hierbei stets zumindest die aktuelle Risikoeinschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI), aber auch Veröffentlichungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), der örtlichen Gesundheitsämter, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sowie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) heranziehen. Berufsgenossenschaften liefern hilfreiche Muster und Hinweise zur Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung, die für den Arbeitgeber nach dem ArbSchG zwingend geboten ist. Unterstützung erhält der Arbeitgeber bei den Betriebsärzten, der Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie dem – mitbestimmungsrechtlich ohnehin einzubeziehenden – Betriebs-/Personalrat.

 

In der Gefährdungsbeurteilung sollten die durch das Corona-Virus verursachten spezifischen Risiken nach einem Ampelsystem klassifiziert und die zu ergreifenden Maßnahmen aufgeführt werden. Dabei ist grundlegend zu berücksichtigen, dass Coronaviren von infizierten Menschen über Tröpfchen in die Luft abgegeben und anschließend von anderen eingeatmet werden (Tröpfcheninfektion). Gelangen infektiöse Sekrete an die Hände, die anschließend mit der Mund- oder Nasenschleimhaut sowie mit der Augenbindehaut in Kontakt kommen, ist ebenfalls eine Übertragung möglich (Schmierinfektion). 

 

An allen Arbeitsplätzen sind somit insbesondere die empfohlenen Hygienemaßnahmen (richtiges Husten und Niesen, hinreichende Handhygiene) sowie Sicherheitsabstände einzuhalten, im Filialbereich etwa durch Abstandsmarkierungen für Kunden und Freilassung einzelner Schalter. Bei Publikumsverkehr sollte auch die Möglichkeit der Aufstellung von transparenten Abtrennungen geprüft werden. Der Einsatz von Schutzmitteln wie Handschuhe und Gesichtsschutz ist mit allen Vor- und Nachteilen zu prüfen.

 

Den Mitarbeitern muss auch außerhalb der Pausenzeiten in angemessenen Zeitabständen die Möglichkeit zum Händewaschen eingeräumt werden. Zu prüfen ist die Erstellung eines Hand- und Hautschutzplans. Auch wenn eine Übertragung außerhalb der Tröpfcheninfektion bislang nicht nachgewiesen ist (etwa durch Austausch von Geldscheinen, Nutzung von Arbeitsmitteln) sind Arbeitsmittel wie Tastatur, Bildschirm, Maus sowie die unmittelbaren Arbeitsflächen regelmäßig zu reinigen. Werden bei der Reinigung professionelle Reinigungsmittel verwandt (also nicht nur solche Mittel, die für Verbraucher frei im Einzelhandel erworben werden können), müssen ggf. Vorgaben für die Verwendung von Gefahrstoffen beachtet werden (Gefahrstoffverordnung nebst der Technischen Regeln für Gefahrstoffe). Professionellen Reinigungsunternehmen sollte dies bekannt sein. Der unbedachte Griff aller Arbeitnehmer in den Putzschrank muss aber unterbunden werden. Hier ist fachgerechte Aufklärung durch den Arbeitgeber, der sich vor allem durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit unterstützen lassen sollte, geboten. Zudem ist darauf zu achten, dass dann, wenn etwa Desinfektionsmittel in Corona-Zeiten in größeren Mengen außerhalb des regelmäßigen Tages-/Routinebedarfs gelagert werden, die Verpflichtung zur Anschaffung eines Gefahrstofflagerschrankes bestehen könnte.

 

Der Arbeitgeber ist auf Grund seiner Fürsorgepflicht und u. a. auf der Grundlage von § 12 ArbSchG verpflichtet, die Beschäftigten über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz angemessen und ausreichend zu unterweisen. Sog. Erstunterweisungen erfolgen etwa bei Arbeitsplatzwechsel, bei Anschaffung neuer Geräte oder Arbeitsmittel mit der Notwendigkeit des Erlernens ihrer Bedienung sowie bei Einführung neuer Regelungen oder Arbeitsabläufen. Situationsabhängige Unterweisungen finden beispielsweise dann statt, wenn neue Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung, aktuelle Informationen zu gesundheitsförderlichem Verhalten oder Änderungen rechtlicher Rahmenbedingungen vorliegen. 

 

Wichtig für den Arbeitgeber: Unterweisungen sind zu dokumentieren. Nur so kann die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten durch die Unternehmensleitung nachgewiesen werden.

 

Betriebsärzte weisen angesichts der aktuellen Corona-Pandemie insbesondere auf die vielfach unsachgemäße Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung wie Handschuhen und Mundschutz hin. Vor allem das Ablegen will gelernt sein, damit der Schutz nicht ins Gegenteil umschlägt und die Viren in erhöhtem Umfang an die Hände und nach unabsichtlichem Berühren des Gesichts zu den Schleimhäuten gelangen.

 

„Die besten Schutzvorkehrungen nutzen nichts, wenn sich die Beschäftigten nicht sicherheitsgerecht verhalten“ (BT-Drs 13/3540). Daher sind die Beschäftigten gem. § 15 ArbSchG verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gem. Unterweisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit sowie derjenigen der Kollegen Sorge zu tragen. Arbeitsmittel und ihnen zur Verfügung gestellte persönliche Schutzvorrichtungen sind von ihnen bestimmungsgemäß zu verwenden, Gefahren und Defekte unverzüglich zu melden. Verstöße kann der Arbeitgeber sanktionieren, sei es durch Abmahnung oder Kündigung.

 

Resümee: Arbeitgeber sollten in Anbetracht der Corona-Pandemie sorgfältig prüfen, ob sie im Hinblick auf das Thema Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz hinreichend gut aufgestellt sind und dies sorgfältig dokumentiert haben. Bei der Wahrnehmung der gesetzlichen Pflichten sollte insbesondere die Unterstützung der Fachkraft für Arbeitssicherheit, des Betriebsarztes und des Betriebs-/Personalrats in Anspruch genommen werden. Letzterem stehen ohnehin umfassende Informations- und Beteiligungsrechte zu. 


Beitragsnummer: 6475

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