Montag, 6. April 2020

Corona-Virus in der Finanzwirtschaft – Maßnahmen der Aufsicht

Max Kirschhöfer, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

 

Die weltweite Verbreitung des Corona-Virus führt zu weitreichenden Veränderungen des täglichen Lebens, ruft eine Vielzahl an gesetzgeberischen (s. das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020) und behördlichen Maßnahmen hervor und zeigt auch spürbare Auswirkungen auf die Finanzbranche. 

 

SEMINARTIPPS

20. Bankrechts-Tag, 22.10.2020, Frankfurt/M.

4. Kölner Wertpapierrevisions-Tage, 16.–17.11.2020, Köln.

Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 23.11.2020, Frankfurt/M.

Knackpunkte der Geldwäschebekämpfung, 03.–04.12.2020, Frankfurt/M.

 

Vergegenwärtigt man sich die aktuell von Wirtschaftswissenschaftlern diskutierten Auswirkungen der „Corona-Krise“ des noch jungen Jahres 2020 auf die Wirtschaft, war und ist es unausweichlich, dass die europäischen und nationalen Finanzaufsichtsbehörden tätig werden, um den Finanz- & Kapitalmarkt entsprechend ihrem jeweiligen gesetzlichen Auftrag zu schützen (vgl. nur. Art. 1 Abs. 5 VO 1093/2010). Aufgrund der sich stetig ändernden behördlichen Einschätzungen sei bereits an dieser Stelle auf die amtlichen Websites der zuständigen Behörden verwiesen. Ob die getroffenen Maßnahmen – ungeachtet deren Rechtsqualität – schlussendlich greifen und einer gerichtlichen Überprüfung, welche i. d. R. der EuGH vornehmen wird, standhalten, soll nicht Gegenstand dieses Beitrages sein. Vor dem Hintergrund dessen, dass sowohl nationale Gerichte (vgl. KG Berlin, Urt. V. 25.09.2018, Az. (4) 161 Ss 28/18 (35/18), als auch der EuGH (vgl. Urt. V. 28.06.2012, Rs-C19/11) in der Vergangenheit die Rechtsauffassung der Finanzaufsicht als fragwürdig eingestuft haben, sollte bei der Umsetzung der getroffenen Maßnahmen stets zur Vorsicht gemahnt werden. 

 

Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts 

Nachdem absehbar wurde, dass es zur Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus zu weitreichenden Kontaktverboten oder gar Ausgangssperren kommen würde, zeichnete sich in vielen Banken der „Run“ aufs und/oder die arbeitgeberliche Verordnung des Homeoffice ab. Hier war es erfreulich, dass die BaFin zunächst für die den MaRisk unterliegenden Institute darauf hingewiesen hatte, dass eine vorübergehende und „krisenbedingte“ Lockerung der strengen in Handelsräumen geltenden Regeln vom Wortlaut der MaRisk gedeckt und bankaufsichtlich vertretbar erscheint. Eine entsprechende Verlautbarung wurde auch für den KAMaRisk unterliegenden Kapitalverwaltungsgesellschaften veröffentlicht. Relevant an den beiden Meldung ist – für die Vergangenheit und die Zukunft –, dass die BaFin allerdings die Auffassung zu vertreten scheint, dass eine Homeoffice-Lösung als Teil eines Notfallkonzepts sogar geboten sein kann (vgl. AT 7.3. MaRisk sowie 8.2 KAMaRisk). So sei es erforderlich, „bei fehlender Zugangsmöglichkeit zu Büro- und Handelsräumen“ eine geeignete Alternative zu schaffen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten, wobei dies keinesfalls von den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen entbinde. Gegebenenfalls bestehende Homeoffice-Verbote müssten allerdings ausdrücklich aufgehoben werden. 

 

In den Bereich des Homeoffice sind sicherlich auch das „Public Statement“ der ESMA sowie die folgende „Ergänzung“ der BaFin betreffend die Wohlverhaltenspflichten nach MiFID II/WpHG vom 20.03.2020 zu zählen. Die ESMA verweist in diesem Public Statement zunächst betreffend die Telefonaufzeichnungspflicht nach Art. 16 MiFID II („Taping“) auf Nr. 10 Q&A on MiFID II. Sofern vor dem Hintergrund der Corona-Krise und bspw. wegen kurzfristig zugelassener Homeoffice-Lösungen die sich aus der MiFID II ergebenden Pflichten nicht eingehalten werden können, hält die ESMA es für zulässig, vom „Taping“ abzusehen, wenn die Institute entsprechende Alternativen schaffen („When the above arrangements [No. 10 Q&A] cannot be put in place, firms are required to adopt any alternative arrangements to ensure full compliance with existing regulatory requirements such as the use of recordable electronic communications as an alternative to telephone conversations“). Namentlich verweist die ESMA darauf, dass die Institute dazu übergehen können, die mit den Kunden geführten Telefonate (stichpunktartig) mitzuschreiben. Zugleich sieht die ESMA in solchen Fällen aber auch eine gesteigerte Obliegenheit des Instituts zu einem „enhanced monitoring“ und einer ex-post Betrachtung relevanter Orders und Transaktionen vor. 

 

An dieses Public Statement der ESMA vom 20.03.2020 anknüpfend hat die BaFin gleichtägig auf ihrer Website verlautbaren lassen, dass sie einen Dispens von den Vorschriften des 11. Abschnitts des WpHG (in welchem die Vorgaben der MiFID II umgesetzt sind) nicht erteilen kann. Allerdings weist die BaFin darauf hin, dass sie ein Absehen vom Taping oder auch der Pflicht zur Verfügungstellung einer Geeignetheitserklärung oder der Ex-ante-Kosteninformation nicht verfolgen wird, sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen geeignete Ersatzvornahmen trifft. Durch solche Ersatzvornahmen, die die BaFin nicht näher konkretisiert, sollen Dokumentations- und Informationslücken geschlossen werden. Die BaFin stellt somit sicher, dass auch in Zeiten der „Corona-Krise“ der Anlegerschutz weitestgehend gewährleistet bleibt. 

 

Zu den die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts veröffentlichten Statements der BaFin sind sicherlich auch die Einschätzungen hinsichtlich der insiderrechtlichen Ad-hoc-Pflichtigkeit (Art. 17 MAR) verschiedener im Zusammenhang mit der Corona-Krise stehender Ereignisse zu zählen. Hier differenziert die BaFin bspw. zwischen der zeitlichen Verschiebung des Dividendenzahlungsbeschlusses infolge der Verlegung der Hauptversammlung (nach Ansicht der BaFin keine Ad-hoc-Pflicht) und der zeitlichen Verschiebung des Dividendenzahlungsbeschlusses im Hinblick auf Aktien bezogene Derivate, welchen durchaus ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential beigemessen wird und welche daher von der BaFin als ad-hoc-pflichtig angesehen werden. Festzuhalten bleibt, dass es auch in der Corona-Krise dem jeweiligen Emittenten überlassen bleibt, zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Ad-hoc-Mitteilung bestehen und allein die Corona-Krise nicht von der Ad-hoc-Pflicht entbindet. 

 

Auch was die Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch (Art. 16 MAR) anbelangt, geht die BaFin davon aus, dass die Meldepflichtigen auch in der „Corona-Krise“ ausreichende Maßnahmen getroffen haben, um ihren Meldepflichten in der gebotenen Art und Weise nachkommen zu können. 

 

Für den Bereich des Kapitalmarkts lässt sich somit festhalten, dass auch in der „Corona-Krise“ die die Integrität des Kapitalmarkts schützenden Vorschriften keineswegs aufgehoben sind. Gerade in einer Zeit stark schwankender Märkte sollte daher dringend auf die Einhaltung der kapitalmarktrechtlichen Vorgaben geachtet werden. 

 

Geldwäscheprävention 

Im Hinblick auf die Vergabe von Förderkrediten weist die BaFin wiederum darauf hin, dass der geldwäscherechtlich vorgeschriebene Identifizierungsprozess grds. im vereinfachten Verfahren nach § 14 GwG erfolgen könne, womit letztlich die kurzfristige Vergabe von dringend notwendigen Förderkrediten ermöglicht wird. Allerdings müsse dann im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehung den geldwäscherechtlichen Belangen Rechnung getragen werden. Dies kann etwa in der Art und Weise geschehen, dass anlassbezogen und gem. dem sog. risikobasierten Ansatz auch während der laufenden Geschäftsbeziehung eine Überprüfung der Identität nach den Vorgaben des GwG erfolgt. 

 

Kreditwesen 

Für das Kreditwesen weist die BaFin zunächst darauf hin, dass auch in der Corona-Krise ein Kredit als Problemkredit einzuordnen ist, wenn die Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers auf absehbare Zeit nicht gegeben ist und das Adressatenausfallrisiko nicht mehr begrenzt werden kann. Wird ein Kredit hiernach als Problemkredit eingestuft, müsse das Institut nach BTO 1.2.5 Tz. 3 MaRisk entscheiden, ob es eine Sanierung des Kreditnehmers begleitet. Im Hinblick auf die Corona-Krise setzt die BaFin indessen die Anwendung der BTO 1.2.5 Tz. 3 MaRisk aktuell aus und weist drauf hin, dass derzeit eine Kreditvergabe auch dann erfolgen könne, wenn eine Kapitaldienstfähigkeit krisenbedingt nicht gegeben sei, das Institut aber zu dem Schluss komme, dass der Kreditnehmer ohne Corona-Krise kein Sanierungsfall geworden wäre bzw. nach der Krise den Kapitaldienst wieder erwirtschaften kann. Relevant ist hier insbesondere, dass die BaFin unterstellt, dass Vorstehendes für sämtliche Kreditnehmer gelte, die staatliche Fördermittel erhalten. Es müsse dann allerdings am Ende der Förderung einzelfallbezogen geprüft werden, ob eine weitere Begleitung des Kreditnehmers eine Sanierung erfordert. 

 

Was wiederrum die Stundung von bereits gewährten Krediten anbelangt, so weist die BaFin darauf hin, dass bei einem gestundeten Kredit, bei dem die gestundeten Beträge entsprechend den ursprünglich vereinbarten Kreditkonditionen verzinst werden, nicht als ausgefallene Kredite zu werten sind, weswegen dies auch nicht in FINREP entsprechend ausgewiesen werden muss. Wird eine Darlehensforderung durch staatliche Anordnung gestundet, gelte dies zudem nicht als Stundungsmaßnahme nach Art. 47b CRR, da es hier nicht zu einer einzelfallbezogenen Stundung aufgrund einer Entscheidung der Bank komme, sondern „die Stundung für eine größere Gruppe von Schuldnern ohne Bezugnahme auf deren konkrete finanzielle Situation“ erfolge. Auch gelte nach Ansicht der BaFin eine staatliche Stundung nicht als Ausfall des Schuldners nach Art. 178 CRR. 


Beitragsnummer: 6468

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