Max Kirschhöfer, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner
Banken sind als Kreditinstitut i. S. d. § 1 Abs. 1 KWG geldwäscherechtlich Verpflichtete i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GwG. Diesen obliegt es somit, die sich aus den §§ 10 GwG ff. ergebenden „allgemeinen“ geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten einzuhalten. Teil dieser allgemeinen geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten ist grundsätzlich auch die Identifizierung des Vertragspartners gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 GWG i. V. m. § 11 Abs. 1 GWG (sog. Prinzip des Know Your Customer (= KYC)). Diesem Prinzip des KYC liegt die Überlegung zu Grunde, dass der geldwäscherechtlich Verpflichte stets wissen sollte, wer sein Vertragspartner ist. Demgemäß ordnet § 10 Abs. 9 GWG an, dass die Geschäftsverbindung nicht begründet oder fortgesetzt werden darf, solange der geldwäscherechtlich Verpflichtete die ihm obliegenden allgemeinen Sorgfaltspflichten nicht erfüllt.
§ 11 Abs. 1 S. 1 GWG bestimmt, dass der Verpflichtete den Vertragspartner zunächst vor Begründung der Geschäftsbeziehung zu identifizieren hat. § 10 Abs. 3 S. 3 GWG wiederum ist zu entnehmen, dass bei bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen die Verpflichteten die allgemeinen Sorgfaltspflichten „zu geeigneter Zeit auf risikobasierten Grundlage erfüllen“ müssen. § 10 Abs. 3 S. 3 GWG liegt damit ein sogenannter risikobasierter Ansatz zugrunde.
SEMINARTIPPS
Revisionskompetenz Kompakt: Geldwäsche, 26.05.2020, Frankfurt/M.
(Neue) BaFin-AuAs zum Geldwäschegesetz, 04.–05.11.2020, Frankfurt/M.
Knackpunkte der Geldwäschebekämpfung, 03.–04.12.2020, Frankfurt/M.
In der Praxis ist immer wieder umstritten, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung gemäß dem risikobasierten Ansatz eine erneute Identifikation des Kunden vorzunehmen ist. Dies verwundert bereits deshalb nicht, da es die Kunden oft buchstäblich als „lästig“ empfinden, wenn sie von der Bank unter Vorgabe strenger und sich unmittelbar aus dem GwG ergebender Formalia während einer laufenden Geschäftsbeziehung zur Identifikation aufgefordert werden. Der Vorwurf, die Banken würden sich allzu strenge Formvorgaben überlegen, um den Kunden zu drangsalieren, ist vielfach zu lesen.
Sowohl das Landgericht Frankfurt (Urt. v. 03.03.2020, Az. 2-12 O 123/19) als auch kurz zuvor das Amtsgericht Frankfurt im Rahmen eines anderen Prozesses (Urt. v. 24.02.2020, Az. 29 C 4437/19 (46)) haben in ihren zwei unterschiedliche Fälle betreffenden Urteilen keinen Zweifel daran gelassen, dass der Bank nach dem risikobasierten Ansatz ein Ermessen zusteht, wann sie im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung anlassbezogen den Kunden (nochmals) entsprechend der Vorgaben des GwG identifiziert. Das LG Frankfurt hatte dies ganz konkret für einen Fall bejaht, in dem weit über 30 zum Teil im Ausland lebende Erben Ansprüche aus einer Erbschaft geltend gemacht hatten, nachdem die Erben in die Geschäftsbeziehung eingetreten waren (§ 1922 BGB). Das AG Frankfurt hat wiederum ein Ermessen für den Fall angenommen, dass über das Vermögen einer Kundin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und in der Folge sowohl die Kunden als auch der Insolvenzverwalter zur geldwäscherechtlichen Identifikation aufgefordert wurden. Beide Gerichte entschieden übereinstimmend, dass für die Dauer der nicht erfolgten Identifikation der Erben, bzw. der Kundin und des Insolvenzverwalters das Verbot aus § 10 Abs. 9 GwG der Fortführung der Geschäftsbeziehung selbst dann entgegensteht, wenn die gerichtlich geltend gemachten Ansprüche unstreitig waren.
BUCHTIPPS
Risikoorientierte Geldwäschebekämpfung, 3. Aufl. 2018.
von Drathen (Hrsg.), Bearbeitungs- und Prüfungsleitfaden: Risikoorientierte Prävention von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen, 4. Aufl. 2020.
Das Landgericht Frankfurt hat in seiner Entscheidung vom 03.03.2020 keinerlei Zweifel an der Wirksamkeit der geldwäscherechtlichen Vorgaben zur Identifikation durch Dritte aufkommen lassen. Die Identifikation durch Dritte ist unter den sich aus § 17 GwG ergebenden Voraussetzungen zulässig, wenn ein in § 17 Abs. 1 GwG genannter Dritter die Kundenidentifikation selbst vornimmt und die Identifikationsunterlagen selbst und unverzüglich an den geldwäscherechtlich Verpflichteten weiterleitet. Hier hat das LG Frankfurt dem oft anzutreffenden Fehlverständnis auf Kundenseite eine Absage erteilt, wonach auch – in § 17 GwG nicht genannte – Behörden zur Vornahme der Identifikation geeignete Dritte sein können.
Beitragsnummer: 6423