Freitag, 13. April 2018

Kündigungen hochverzinslicher Altsparverträge kein Verstoß gegen UWG

Dr. Amela Schön, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

Verschiedene Instanzgerichte hatten sich in der jüngsten Vergangenheit mit der Problematik auseinanderzusetzen, ob Streitigkeiten über die Wirksamkeit von seitens der Kreditinstitute ausgesprochenen Kündigungen von hochverzinsten Sparverträgen (Prämiensparverträge, Bausparverträge, Riesterverträge) durch Verbraucherzentralen im Rahmen von Wettbewerbsprozessen geklärt werden können und ob entsprechende Kündigungen als wettbewerbsrechtlich relevantes Verhalten zu bewerten sind oder nicht.

So hatte das LG Aachen, Urt. v. 20.03.2018, Az. 41 O 51/17, über die Wettbewerbswidrigkeit von Kündigungen hochverzinster Altbausparverträge aufgrund der anhaltenden Negativzinsphase wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage und aus wichtigem Grund gem. §§ 313, 314 BGB zu entscheiden. In einem vor dem LG Hamburg, Urt. v. 24.01.2018, Az. 416 HKO 196/17, geführten Verfahren hatte das Gericht dagegen darüber zu entscheiden, ob die von dem dort beklagten Kreditinstitut aufgrund einer IT-Umstellung gekündigten Riesterverträge wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB als wettbewerbswidrig zu bewerten sind oder nicht. In dem Verfahren vor dem LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 15.11.2016, Az. 4 O 106/16, sowie dem anschließenden Berufungsverfahren vor dem OLG Naumburg, Urt. v. 27.04.2017, Az. 9 O 90/16, wurden dagegen Prämiensparverträge mit einer Prämienstaffelung vom 15 bzw. 25 Jahren unter Hinweis darauf, dass es sich bei diesen um Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist handelt, gem. § 488 Abs. 3 BGB gekündigt. Auch hier mussten die Gerichte darüber urteilen, ob diese Kündigungen ein wettbewerbsrechtlich relevantes Verhalten darstellen.

SEMINARTIPP

18. Heidelberger Bankrechts-Tage, 22.–23.10.2018, Heidelberg

Zu diesen Gerichtsentscheidungen kam es, weil verschiedene Verbraucherzentralen in dem Ausspruch dieser Kündigungen jeweils eine wettbewerbswidrige Irreführung gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3 und 7 UWG sahen und gestützt auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKlaG, §§ 8 Abs. 2, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3, 7 UWG Klage auf Unterlassung der Berufung auf die Wirksamkeit der Kündigungen erhoben hatten. Zwei Verbraucherzentralen beantragten zudem die beklagten Kreditinstitute zu verurteilen, den gekündigten Kunden ein individuelles Berichtigungsschreiben zu versenden, worin diese darüber informiert werden sollten, das die ausgesprochene Kündigung rechtswidrig und unwirksam sei. Die klagenden Verbraucherzentralen bergründeten ihren jeweiligen Unterlassungsanspruch bzw. die behauptete wettbewerbswidrige Irrführung im Wesentlichen mit dem Argument, dass den beklagten Kreditinstituten die von diesen zur Begründung ihrer jeweiligen Kündigung angeführten Kündigungsrechte nicht zustünden und die ausgesprochenen Kündigungen daher zivilrechtlich als unwirksam zu bewerten seien. Den Umstand, dass sich die beklagten Kreditinstitute dennoch auf die von diesen jeweils angeführten Kündigungsrechte beriefen, qualifizierten die Verbraucherzentralen als eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3 und 7 UWG.

Dieser Auffassung sind alle vier Instanzgerichte bisher nicht gefolgt. Vielmehr schlossen sich sämtliche Instanzgerichte der von dem jeweiligen verklagten Kreditinstitut vertretenen Auffassung an, wonach es sich bei den ausgesprochenen Kündigungen nicht um eine irreführende geschäftliche Handlung i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3, 7 UWG handelt, weswegen sämtliche Klagen der Verbraucherzentralen in vorstehend erwähnten Verfahren vollumfänglich abgewiesen wurden. Nach Auffassung sämtlicher Instanzgerichte sollen nämlich im Rahmen des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG nur solche nachprüfbaren Behauptungen als irreführende Angaben in Betracht kommen, die sich bei einer Überprüfung als eindeutig richtig oder falsch erweisen könnten, über die man also eigentlich nicht streiten kann, wie etwa die Berufung auf eine eindeutig unwirksame AGB-Klausel. Die Begründung der streitgegenständlichen Kündigungen unter Berufung auf die Kündigungsrechte gem. §§ 313, 314 BGB bzw. auf das Kündigungsrecht gem. § 488 Abs. 3 BGB beinhaltet nach Ansicht aller Instanzgerichte jedoch keine Tatsache, sondern lediglich die Äußerung einer Rechtsansicht, die als solche nicht als Angabe i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG qualifiziert werden kann. Insoweit weisen die Gerichte völlig zu Recht darauf hin, dass es einem Unternehmen keinesfalls verwehrt sein kann, im Rahmen der Rechtsdurchsetzung oder -verteidigung eine bestimmte Rechtsansicht zu vertreten. Eine als solche geäußerte Rechtsansicht ist nach Meinung aller vorstehend erwähnten Instanzgerichte als Meinungsäußerung einer inhaltlichen Überprüfung gem. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG nicht zugänglich. Die Frage, ob sich die jeweils vertretene Rechtsansicht als richtig erweist oder nicht, kann nach dem übereinstimmenden Ergebnis aller Gerichte nicht im Wettbewerbsprozess geklärt werden, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entschieden werden, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht, also im zivilrechtlichen Prozess zwischen Kündigendem und Kündigungsempfänger.

PRAXISTIPP

Es ist erfreulich, dass das Oberlandesgericht Naumburg sowie die Landgerichte Aachen, Hamburg und Dessau-Roßlau in ihren hier dargestellten Urteilen ausdrücklich klarstellen, dass allein in der Ausübung eines Kündigungsrechts, dessen Wirksamkeit zivilrechtlich ggf. umstritten und höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt sein mag, noch kein wettbewerbswidriges Verhalten des das Kündigungsrecht ausübenden Kreditinstituts zu sehen ist. Begrüßenswert ist auch, dass in den hier dargestellten Entscheidungen verdeutlicht wird, dass den gem. den Regelungen des Unterlassungsklagegesetzes klagebefugten Verbraucherzentralen im Rahmen der Verbandsklage lediglich das Recht zusteht prüfen zu lassen, ob ein Verstoß gegen die Vorschriften des UWG vorliegt oder nicht. Ein Klagerecht zur Klärung der Kernfrage, ob die jeweils ausgeübten Gestaltungsrechte (Kündigungen) zivilrechtlich als rechtswirksam zu beurteilen sind oder nicht, steht Verbraucherzentralen dagegen nicht – jedenfalls nicht im Wege des Wettbewerbsprozesses – zu. Diese Frage darf richtigerweise lediglich von dem von der Kündigung selbst betroffenen Bankkunden auf dem Zivilrechtsweg im Prozess gegen seine Bank geklärt werden.

In den vergangen Jahren ist eine steigende Tendenz dahingehend zu verzeichnen, dass Verbraucherzentralen vor allem Kreditinstitute, welche von ihren gesetzlichen Kündigungsrechten Gebrauch machen, vermehrt abmahnen und schließlich im Wege der Verbandsklage auf Unterlassung verklagen. Verbraucherzentralen nehmen dabei erfahrungsgemäß jede auch nur ansatzweise wettbewerbswidrig erscheinende Formulierung in den Kündigungsschreiben oder sonstigen der Kündigung voraus- oder nachgegangenen Schreiben zum Anlass, um das die Kündigung erklärende Kreditinstitut abzumahnen und schließlich zu verklagen. Daher sollten Kreditinstitute besonders darauf achten, die Begründung ihres jeweiligen Kündigungsschreibens auf das Wesentliche zu beschränken und sich hierbei möglichst kurz zu halten, um Verbraucherzentralen insoweit keine wettbewerbsrechtlichen Angriffsmöglichkeiten i. S. d. UWG zu bieten.

Insgesamt lassen die hier besprochenen Entscheidungen eine Tendenz der Instanzgerichte betreffend die Frage der Abgrenzung des Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrechts auf der einen und des Zivilrechts auf der anderen Seite erkennen und zwar dahingehend, dass die Kernfrage, ob die jeweils ausgesprochene Kündigung zivilrechtlich als wirksam zu bewerten ist, allein in dem Rechtsverhältnis der Kündigungsparteien zivilrechtlich geprüft und entschieden werden muss.



Beitragsnummer: 517

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