Mittwoch, 12. Februar 2020

Zulässigkeit von Bereitstellungszinsen(-entgelten)

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in seinem Urt. v. 17.09.2019, Az. 6 U 110/18, welches bereits in BTS Bankrecht 2020 S. 188, in einem anderen Zusammenhang besprochen wurde, festgehalten, dass die Vereinbarung über die Zahlung von Bereitstellungszinsen im Rahmen von Darlehensvertragsabschlüssen als kontrollfreie Preishauptabrede für eine zusätzliche vertragliche Leistung zu qualifizieren ist und daher gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen ist (BKR 2020 S. 37, 38 m. zustimmender Anm. Lühmann).

 

SEMINARTIPPS

VerbraucherKreditRecht 2020, 20.04.2020, Würzburg.

Aktuelle Praxisfragen WKR: Neue EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe!, 21.04.2020, Würzburg.

 

Hierzu führt das OLG aus, dass Bereitstellungszinsen keine „echten Zinsen“ i. S. eines Entgelts für die Überlassung des Kapitals darstellen, sondern vielmehr als die Gegenleistung für die von der Bank übernommene Verpflichtung anzusehen sind, dem Kunden die versprochenen Darlehensmittel während der vereinbarten Zeit auf Abruf zur Verfügung zu stellen (Rn. 7). Die Bank müsse sich bereits zum Zeitpunkt der Darlehenszusage refinanzieren bzw. das Risiko einer Zinserhöhung für die Refinanzierung bis zur Valutierung übernehmen, da der Darlehensnehmer unter Umständen von seinem Abrufrecht, mit dem mangels anderweitiger Vereinbarung keine entsprechende Abrufpflicht des Darlehensnehmers korrespondiert, kein Gebrauch macht. Insofern sei die Pflicht zur Zahlung der Bereitstellungszinsen eine Hauptpflicht des Kreditnehmers und stehe mit der Pflicht der Bank zur Bereitstellung des Kredits im Gegenseitigkeitsverhältnis (Rn. 7). Dabei stelle schon die Einräumung eines jederzeit abzurufenden Darlehenskapitals zu den im Vertrag fest vereinbarten Zins- und Rückzahlungsbedingungen eine nach Marktgrundsätzen geldwerte Option für den Darlehensnehmer und damit eine vertraglich vereinbarte Leistung des Darlehensgebers dar, für die eine Gegenleistung vereinbart wurde (Rn. 8). Diese Gegenleistung bestehe wiederum in der Zahlung der jeweiligen zeitabhängigen Bereitstellungszinsen, welche in der Regel niedriger seien als die nach Valutierung fälligen Zinsen.

 

BUCHTIPP

Nobbe (Hrsg.), Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018.

 


PRAXISTIPP

 

Die vom OLG Stuttgart vertretene Rechtsauffassung, dass es sich bei der Vereinbarung zur Zahlung von Bereitstellungszinsen um eine AGB-rechtlich nicht überprüfbare Preishauptabrede für eine zusätzliche nicht geschuldete vertragliche Leistung handelt, entspricht, soweit ersichtlich, der einhelligen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung. So hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12.12.1985, Az. III ZR 184/84, (NJW-RR 1986 S. 467, 468 = WM 1986 S. 165; so schon bereits BGH, Urt. v. 13.06.1978, Az. III ZR 112/76, M 1978 S. 422 f.) festgehalten, dass Bereitstellungszinsen die Gegenleistung für die von der Bank übernommene Verpflichtung darstellen, den Kunden die versprochenen Darlehensmittel während der vereinbarten Zeit auf Abruf zur Verfügung zu stellen, weswegen die Bereitstellungszinsen nicht als „echte Zinsen“, sondern als Gegenleistung für die Verpflichtung der Bank anzusehen sind, dem Kunden die versprochenen Darlehensmittel während der vereinbarten Zeit auf Abruf zur Verfügung zu stellen. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Kredit vom Darlehensnehmer später nicht in Anspruch genommen wird (BGH, NJW-RR 1986 S. 467, 468). Ähnlich entschied das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 25.11.2013, Az. I-14 U 116/13 (BeckRS 2015 S. 5.045). Denn in dieser Entscheidung hielt auch das OLG Düsseldorf fest, dass es sich bei den Bereitstellungszinsen um eine Vergütung handelt, die dafür berechnet wird, dass ein Kreditinstitut seinen Kunden die in dem Darlehensvertrag versprochenen Darlehensmittel während der vertraglich vereinbarten Zeit auf Abruf zur Verfügung stellt, weswegen gegen die AGB-rechtliche Wirksamkeit einer solchen Hauptpreisabrede, die weder von den gesetzlichen Bestimmungen abweiche noch eine unangemessene Benachteiligung des Darlehensnehmers beinhalte, auch dann keine Bedenken bestehen, wenn das Darlehen später nicht in Anspruch genommen wird. Ähnlich entschied auch das OLG Brandenburg in seinem Urt. v. 22.02.2019, Az. 4 U 8/17 (BeckRS 2019 S. 2.721 = WM 2020 S. 260), in dem es festhielt, dass schon die Einräumung eines jederzeit abzurufenden Darlehenskapitals zu den im Vertrag festvereinbarten Zins- und Rückzahlungsbedingungen eine nach Marktgrundsätzen geldwerte Option für den Darlehensnehmer und damit eine vertraglich vereinbarte Leistung des Darlehensgebers darstellt, für welche dieser eine Gegenleistung in Form der Bereitstellungszinsen/-provision vereinnahmen darf und weswegen hiergegen auch keine AGB-rechtlichen Bedenken bestünden. Schließlich besteht auch in der Literatur Einigkeit darüber, dass die Pflicht zur Zahlung von Bereitstellungszinsen/-provisionen eine Hauptpflicht des Kreditnehmers darstellt und mit der Pflicht der Bank zur Bereitstellung des Kredits im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, weswegen Vereinbarungen über die Zahlung von Bereitstellungszinsen/-provisionen als Hauptpreisabrede gem. § 307 Abs. 3 BGB AGB-rechtlich nicht überprüfbar und demgemäß nur am Maßstab des § 138 BGB zu messen sind (Becker/Dreyer, ZIP 2014 S. 2.057, 2.058 f.; Berger, in Münchener Kommentar, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 219; Fandrich, in v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klausel-Werke, Werkstand: 43. EL April 2019; Freitag, in Staudinger, BGB-Kommentar, Neubearbeitung 2015, § 488, Rn. 181 u. 208; Fuchs, in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Kommentar, 12. Aufl. 2016, Teil 2 Nr. 8, Banken (Kreditinstitute), Rn. 48b, S. 1.418; Krepold, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Band I., 5. Aufl. 2017, Rn. 124 f.; Nobbe, WM 2008 S. 185, 191; Rohe, in BeckOK, BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 52. Edition, Stand 01.11.2019). Insofern ist davon auszugehen, dass bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB Bereitstellungszinsen/-provisionen in der Praxis vereinnahmt werden dürfen. Dies gilt erst recht, wenn die in Ansatz gebrachten Bereitstellungszinsen/-provisionen marktüblich sind. Hiergegen spricht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelten, welche mit dem Entgelt für die Vorhaltung des Kapitals auf Abruf nicht vergleichbar sind (Becker/Dreyer, ZIP 2014 S. 2.057, 2.059).


Beitragsnummer: 5136

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