Freitag, 13. April 2018

Widerrufsrecht bei Darlehensaufstockung bei Konditionenanpassungen

Tilman Hölldampf, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

In einem Fall, in welchem die Parteien im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung die Konditionen eines bereits bestehenden Darlehensvertrags angepasst hatten, der Darlehensgeber zudem zugleich dem Darlehensnehmer für einen Aufstockungsbetrag ein neues Kapitalnutzungsrecht gewährt und im Zuge der Konditionenanpassung und Aufstockung dem Darlehensnehmer über sein Widerrufsrecht informiert hatte, stellte der Bundesgerichtshof in seinem Urt. v. 23.01.2018, Az. XI ZR 359/16, zunächst fest, dass gemäß seiner zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung sowie entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Ausübung eines etwaig bestehenden Widerrufsrechts nicht schon deshalb rechtsmissbräuchlich sei, weil sie nicht durch den Schutzzweck des Widerrufsrechts motiviert ist.

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Sodann stellt der Bundesgerichtshof in Fortführung seiner Senatsrechtsprechung im Urt. v. 28.05.2013, Az. XI ZR 6/12, den weitergehenden Grundsatz auf, wonach dann, wenn die Parteien im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung die Konditionen eines bereits bestehenden Darlehensvertrages anpassen und der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer zugleich für einen Aufstockungsbetrag ein neues Kapitalnutzungsrecht gewährt, der Darlehensgeber nach der gebotenen objektiven Auslegung dem Darlehensnehmer für die Konditionenanpassung die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrecht auch dann nicht anbietet, wenn er dem Darlehensnehmer im Zuge der Konditionenanpassung und Aufstockung eine einheitliche Widerrufsbelehrung erteilt. Zudem stellt er klar, dass der Widerruf der die Vereinbarung über das neue Kapitalnutzungsrecht betreffenden Willenserklärung in solchen Fällen regelmäßig nicht dazu führt, dass auch die Konditionenanpassung rückabzuwickeln ist.

PRAXISTIPP

Die durch den Bundesgerichtshof entschiedene Konstellation ist in der Praxis gar nicht so selten. Es kommt durchaus häufiger vor, dass Banken im Rahmen der Prolongation eines im Wege der unechten Abschnittsfinanzierung abgeschlossenen Darlehensvertrags einen Aufstockungsbetrag, etwa für Modernisierungsmaßnahmen, gewähren.

Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urt. v. 28.05.2013, Az. XI ZR 6/12, festgehalten, dass bei einer Konditionenanpassung innerhalb einer unechten Abschnittsfinanzierung trotz Erteilung einer Widerrufsbelehrung ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht begründet wird, da der Verbraucher kein neues Kapitalnutzungsrecht erhält. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof auch – insoweit unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung – festgehalten, dass die Erteilung einer gesetzlich nicht erforderlichen Widerrufsbelehrung nicht automatisch zur Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts führt. Vielmehr ist nach der objektiven Auslegung danach zu fragen, ob ein durchschnittlich verständiger Verbraucher davon ausgehen darf, die Bank wolle ihm unabhängig von den gesetzlichen Regelungen ein vertragliches Widerrufsrecht einräumen. Dies sei bei einer reinen Konditionenanpassung nicht der Fall, da die Bank damit gerade zum Ausdruck bringe, dass das Darlehen fortgesetzt werden soll.

Diese Rechtsprechung setzt der Bundesgerichtshof nunmehr in seinem Urt. v. 23.01.2018, Az. XI ZR 359/17, konsequent fort. Denn auch dann, wenn bei einer Konditionenanpassung eine Aufstockung des Darlehensbetrages erfolgt, sodass insoweit ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird, ist für einen objektiv verständigen Verbraucher offenkundig, dass die Bank das bereits bestehende Kapitalnutzungsrecht, für welches lediglich eine Konditionenanpassung erfolgt, fortsetzen will. Dementsprechend kann ein objektiv verständiger Verbraucher auch nicht davon ausgehen, die Bank wolle ihm diesbezüglich ein voraussetzungsloses Widerrufsrecht einräumen.

In der Praxis empfiehlt es sich daher aus Sicht der darlehensgebenden Bank in Fallkonstellationen wie der Vorliegenden, dem Verbraucher klar zu machen, dass er sich durch den Widerruf allenfalls im Umfang des Aufstockungsbetrages von dem Darlehensvertrag lösen kann, nicht jedoch von dem ursprünglich gewährten, lediglich prolongierten Darlehen. Häufig dürfte der Widerruf dann für den Verbraucher, so er nicht aus Eigenmitteln den Aufstockungsbetrag zurückführen kann, keinen Sinn mehr machen. Denn einer ablösenden Bank könnte der Verbraucher lediglich eine nachrangige Grundschuld als Sicherheit bieten.


Beitragsnummer: 513

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