Freitag, 13. April 2018

Keine Aufklärungspflicht über Schiffsgläubigerrechte

Dr. Eva Heinrich, Thümmel, Schütze & Partner, Frankfurt

In dem der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/M. vom 12.02.2018, Az. 2-10 O 169/17, zugrunde liegenden Sachverhalt nahm die Klägerin die beklagte Bank unter Berufung auf Beratungs- und Aufklärungsfehler im Wege des Schadensersatzes auf Rückabwicklung einer geschlossenen Schiffsbeteiligung in Anspruch, die ihr verstorbener Vater gezeichnet hatte. Dabei ließ sie von ihren Anwälten ausführen, dass ihr Vater falsch beraten wurde, obwohl sie bei dem Gespräch nicht anwesend war. Zu Recht hat sich das Gericht in diesem Zusammenhang auf den Standpunkt gestellt, dass der Vortrag der Klägerin sich ersichtlich in einer Vermutung erschöpft. Da weder eine nähere Begründung für ihre Behauptung des Geschehens noch andere Erkenntnisquellen benannt wurden, stellten sich die Behauptungen der Klägerin nach Auffassung des Gerichts als Behauptungen ins Blaue hinein dar. Weiter führt das Gericht in diesem Zusammenhang aus, dass der unsubstantiierte Vortrag der Klägerin auch nicht dadurch ersetzt werden konnte, dass die Klägerin für den Inhalt des Beratungsgesprächs den für die Vermittlung zuständigen Bankmitarbeiter als Zeugen benannte, da die Vernehmung mangels substantiierten Vortrags auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufen würde.

Die gleiche Begründung galt auch für die unterbliebene Aufklärung über die Rückvergütungen. In diesem Zusammenhang hatte die Klägerin den Vortrag der Bank, der Vater der Klägerin habe gewusst, dass die Bank für die Vermittlung von geschlossenen Beteiligungen Provisionen in unbekannter Höhe erhält, bestritten. Nach Auffassung des Gerichts erfolgte das Bestreiten ebenfalls ins Blaue hinein, da die Klägerin zuvor offengelegt hatte, dass sie beim Beratungsgespräch nicht anwesend war und somit keine Kenntnis davon haben konnte. Im Übrigen vertrat das Gericht die Ansicht, dass der Prospekt ausreichend darüber aufklärt, dass Rückvergütungen gewährt werden. Anhand des auf der Beitrittserklärung enthaltenen Vermittlervermerks wurde nach Meinung des Landgerichts die Funktion der beklagten Bank als Eigenkapitalvermittlerin zudem ausreichend deutlich gemacht.

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Auch einen Verstoß gegen die anlegergerechte Beratung vermochte das Gericht nicht festzustellen. Die Klägerin hatte in diesem Zusammenhang behauptet, dass ihr Vater zum Zeichnungszeitpunkt bereits 73 Jahre alt sei und zum frühesten Kündigungszeitpunkt der streitgegenständlichen Beteiligung 95 Jahre alt gewesen wäre. Das Gericht vertrat jedoch die Auffassung, dass die lange Laufzeit einer Beteiligung als solche nicht per se ein Indiz für eine nicht anlegergerechte Anlageempfehlung darstellt. Vielmehr müssten noch weitere Umstände hinzutreten. Da der Erblasser bereits vor Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung u. a. in Aktien, Aktienfonds und geschlossene Beteiligungen investiert hatte, habe die Bank nach Meinung des Gerichts dies zum Anlass nehmen dürfen, dem Vater der Klägerin eine weitere vergleichbare Beteiligung anzubieten.

Hinsichtlich der objektgerechten Beratung stellte sich das Landgericht auf den Standpunkt, dass eine ordnungsgemäße Anlageberatung durch Übergabe des Emissionsprospektes erfolgt sei. Die Bank habe in diesem Zusammenhang ein vom Erblasser unterzeichnetes Empfangsbekenntnis vorgelegt, in dem dieser bestätigte, vor der Unterzeichnung der Beitrittserklärung ausreichend Zeit gehabt zu haben, den Emissionsprospekt und insbesondere die Risikohinweise zu lesen. Soweit die Klägerin dies mit der Behauptung, es sei aus anderen Verfahren bekannt, dass das Empfangsbekenntnis immer erst nach dem Beratungsgespräch vorgelegt worden sei, ohne dass die Anleger die dort aufgeführten Unterlagen erhalten hätten, bestritten hatte, erfolge dies aus Sicht des Gerichts ebenfalls ins Blaue hinein.

Schließlich hat das Gericht mit Ausstrahlungswirkung für zukünftige Verfahren und damit entgegen einer weit verbreiteten Ansicht am Landgericht Frankfurt/M. entschieden, dass das im Rahmen von Schiffsgläubigerrechten geltend gemachte Risiko der Inanspruchnahme der Fondsgesellschaft durch Dritte, die ihre Ansprüche aus Vertragspflichtverletzungen von Vertragspartnern der Fondsgesellschaft herleiten, nicht aufklärungsbedürftig ist. Damit reiht sich die Entscheidung in die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung des OLG Hamburg (Urt. v. 22.12.2015 – Az. 6 U 78/14), OLG Hamm (Urt. v. 29.09.2016 – Az. 34 U 231/15), OLG München (Beschluss v. 23.02.2017 -– Az. 21 U 2838/16) und OLG Celle (Urt. v. 16.02.2017 – Az. 11 U 75/16) ein, wonach es sich bei dem Risiko der Schiffsgläubigerrechte nicht um ein weiteres, das allgemeine Risiko erhöhendes, spezielles Risiko handelt, welches über das Totalverlustrisiko hinausgeht.

PRAXISTIPP

Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/M. ist zu begrüßen. Wenngleich der Bundesgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung zu den Anlageberatungsfällen davon ausgeht, dass an die Substantiierung eines Sachvortrags keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, ist zur Substantiierung als Mindestmaß erforderlich, dass es irgendeinen Anhaltspunkt für die vorgetragenen angeblichen Gesprächsinhalte gibt. Dabei reicht es regelmäßig nicht aus, wenn ein Rückschluss aus der Vielzahl gleichgelagerter Fälle auf den konkreten Fall gezogen wird. Da die Beweiserhebungen zu den Inhalten der konkreten Einzelfallberatungsgespräche bei vergleichbaren Fällen grundsätzlich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist deshalb eine Schlussfolgerung auf angeblich immer gleich ablaufende Beratungen nicht möglich.

Zudem zeigt die vorstehende Entscheidung eindrucksvoll, dass der „Kampf“ gegen das von den Verbraucherkanzleien konstruierte Risiko der Schiffsgläubigerrechte am Landgericht Frankfurt/M. nicht aussichtslos erscheint, zumal sich immer mehr Richter auch am Landgericht Frankfurt mit den überzeugenden Argumenten der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung auseinandersetzen und sich diesen anschließen. Solange daher im Prospekt auf das Risiko der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Charterers und das Totalverlustrisiko hingewiesen wird, dürfte eine Aufklärungsbedürftigkeit hinsichtlich der Schiffsgläubigerrechte mithin zu verneinen sein.


Beitragsnummer: 511

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