Montag, 13. Januar 2020

Zahlungsunfähigkeit im Anfechtungsprozess

Zum Wechselspiel von Darlegung und Widerlegung der Zahlungsunfähigkeit im Anfechtungsprozess

Andrea Neuhof, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

Mit Beschluss vom 12.09.2019, Az. IX ZR 342/18=NZI 2019 S. 850, hat der Bundesgerichthof abermals auf die Voraussetzungen einer ausreichenden Darlegung sowie eines wirksamen Bestreitens der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin im (Insolvenz-)Anfechtungsprozess hingewiesen.

Die Beklagte wurde seitens des klagenden Insolvenzverwalters nach erklärter Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO auf Rückgewähr erhaltener Zahlungen zur Insolvenzmasse in Anspruch genommen. Sowohl in erster als auch in zweiter Instanz hatte sie jeweils unter Beweisangebot eines Sachverständigengutachtens bestritten, dass die spätere Insolvenzschuldnerin im anfechtungsrelevanten Zeitraum zahlungsunfähig gewesen sei.

SEMINARTIPP

Gerichtsvollzieher, Insolvenzrichter und -verwalter in der Bankpraxis, 07.05.2020, Frankfurt/M.

  

Das OLG Zweibrücken hat dies übergangen und die Beklagte mit Urt. v. 23.11.2018, Az. 2 U 75/17, antragsgemäß verurteilt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Zur Begründung hat der BGH zunächst in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, dass der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Insolvenzverwalter die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin entweder mittels Liquiditätsbilanz oder – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – unter Zuhilfenahme der gesetzlichen Vermutung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO nachweisen könne (vgl. bereits BGH, Urt. vom 06.12.2012, Az. IX ZR 3/12=WM 2013 S. 174). Dem Anfechtungsgegner bliebe es unbenommen, dem mit dem Antrag auf Erstellung einer Liquiditätsbilanz durch einen Sachverständigen entgegenzutreten.

BUCHTIPP

Cranshaw/Paulus/Michel (Hrsg.), Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016.

  

Sodann hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass in diesem Zusammenhang nicht etwa ein besonderer Vortrag des Anfechtungsgegners zu Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Zahlungsfähigkeit erforderlich sei. Dies insbesondere, weil der Anfechtungsgegner regelmäßig keinen näheren Einblick in die finanziellen Verhältnisse des Schuldners habe.

PRAXISTIPP

Natürlich sollte der beklagte Leistungsempfänger im Anfechtungsprozess soweit möglich zunächst die seitens des Insolvenzverwalters behaupteten Anknüpfungstatsachen für die Vermutung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO substantiiert bestreiten, um dem durch den Insolvenzverwalter zu erbringenden Nachweis einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Möglichkeit bereits in diesem Verfahrensstadium entgegenzutreten. Im Übrigen wird man als Anfechtungsgegner im Prozess überdies bereits nach dem Grundsatz des sichersten Wegs etwaige im Raum stehende Tatsachen, die gegen eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sprechen könnten, unter Beweisantritt darlegen. Insbesondere soweit nicht gerade eine Einbindung des Gläubigers in einen vorinsolvenzlichen Sanierungsversuch o. ä. stattgefunden hat, bestehen für den außenstehenden Gläubiger jedoch oftmals erhebliche Schwierigkeiten, über die Existenz derartiger Gegenindizien Kenntnis zu erlangen. In derartigen Fällen stellt es für den Anfechtungsgegner eine erhebliche Erleichterung dar, wenn er die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im anfechtungsrelevanten Zeitpunkt als solche unter Beweisangebot eines Sachverständigengutachtens bestreiten kann. Ein Ausforschungsbeweis liegt hierin nach der Entscheidung des BGH nicht. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Rechtsprechung des BGH zu den Anforderungen an die Widerlegung der Zahlungsunfähigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO zu begrüßen.

Ob der BGH genauso entschieden hätte, wenn es sich beim Anfechtungsgegner nicht – wie vorliegend – um einen Sozialversicherungsträger, sondern um einen anderweitigen Gläubiger mit im Einzelfall tiefergehenden Kenntnissen über die Verhältnisse der Schuldnerin gehandelt hätte, ist wohl als offen zu bezeichnen. Höchstvorsorglich sollte der Anfechtungsgegner daher etwaige, ihm bekannte Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Zahlungsunfähigkeit vortragen und unter Beweis stellen, sofern er einen entsprechenden Einblick in die finanziellen Verhältnisse des Schuldners hat.


Beitragsnummer: 4891

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