Samstag, 31. August 2019

Besonderheiten der Einnahmen-Ausgaben-BWA

Michael Leistenschneider, Steuerberater mit eigener Kanzlei (bis Ende 2013 Vorstand bei Datev eG, Nürnberg)

Für Gewerbetriebende und Freiberufler, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (EÜR) ermitteln, ist die Einnahmen-Ausgaben-BWA die ideale Form, unterjährig die Ergebnisentwicklung zu verfolgen und das Unternehmen entsprechend den Besonderheiten dieser Gewinnermittlungsart zu analysieren. Voraussetzung für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (statt Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG) ist, dass weder nach Handelsrecht[1] noch nach Steuerrecht[2] eine Buchführungspflicht besteht. Liegen diese Voraussetzungen vor und wird vom Wahlrecht einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Gebrauch gemacht sind folgende Besonderheiten zu beachten:

  • Es gilt das Zufluss-/Abflussprinzip (statt Verursachungsprinzip). Danach sind Einnahmen und Ausgaben erst dann gewinnwirksam, wenn sie durch Zahlung realisiert werden.
  • Einnahmen fließen brutto einschließlich Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) in die Gewinnermittlung ein.
  • Ausgaben fließen brutto einschließlich Umsatzsteuer (Vorsteuer) in die Gewinnermittlung ein.
  • Gezahlte Umsatzsteuerbeträge (z. B. aufgrund von Umsatzsteuer-Voranmeldungen) sind Betriebsausgaben.
  • Erstattete Umsatzsteuerbeträge sind Betriebseinnahmen.
  • Erhaltene Anzahlungen sind mit ihrem Zahlungsbetrag Betriebseinnahmen.
  • Geleistete Anzahlungen sind mit ihrem Zahlungsbetrag Betriebsausgaben.
  • Bestandsveränderungen werden weder beim Warenlager noch bei den fertigen/unfertigen Erzeugnissen gebucht und haben auch keinerlei Gewinnauswirkungen.
  • Die Führung eines Personenkontokorrents ist zwar möglich, allerdings sind für Zwecke der Gewinnermittlung die bisher nicht zahlungswirksam gewordenen Kundenforderungen sowie Lieferantenverbindlichkeiten rückgängig zu machen.

Die Einnahmen-Ausgaben-BWA berücksichtigt alle diese Besonderheiten, sofern eine systemgerechte Verbuchung erfolgt. Steht also fest, dass am Jahresende der Gewinn eines Unternehmens nicht nach § 4 Abs. 1 EStG (Bestandsvergleich mit Bilanz und G+V), sondern nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird, so würde eine BWA-Analyse mit Hilfe der kurzfristigen Erfolgsrechnung auf Basis der Standard-BWA zu unzutreffenden und möglicherweise auch falschen Ergebnissen führen. Je nach Zahlungsverhalten bei Kunden- und Lieferantenrechnungen und auch in Abhängigkeit von der Umsatzbesteuerung (Soll-/Ist-Versteuerung bzw. Umsatzversteuerung nach vereinbarten oder vereinnahmten Entgelten) kommt es zu größeren Abweichungen zwischen dem unterjährigen Ergebnis der Standard-BWA und der Einnahmen-Ausgaben-BWA.

SEMINARTIPPS

Analyse von Bankbilanzen, 04.11.2019, Wiesbaden.

Quick-Check BWA-Analyse, 05.11.2019, Wiesbaden.

Kredit-Jahrestagung 2019, 20.–21.11.2019, Berlin.

Dies soll an nachfolgendem Rechenbeispiel eines fiktiven und speziell konstruierten Falls aufgezeigt werden. In einer BWA-Abrechnungsperiode soll es zwei Ausgangsrechnungen über jeweils 595 € inklusiv 19 % Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) geben und zwei Eingangsrechnungen über jeweils 238 € inklusiv 19 % Umsatzsteuer (Vorsteuer). In allen Fällen ist die Lieferung oder sonstige Leistung im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung erbracht. Im BWA-Zeitraum sollen jeweils eine Eingangs- und eine Ausgangsrechnung bezahlt worden sein, während die andere Rechnung am Stichtag noch offen ist. Die sich zum BWA-Stichtag ergebende Umsatzsteuer-Zahllast wurde bereits in der BWA-Abrechnungsperiode gezahlt. Die Umsatzsteuer-Voranmeldung wird bei einer Soll-Versteuerung (Umsatzsteuer auf vereinbarte Entgelte) so berechnet, dass von der Mehrwertsteuer aus beiden Rechnungen in Höhe von 2 x 95 = 190 € die Vorsteuerbeträge aus beiden Eingangsrechnungen, also 2 x 38 = 76 € abgezogen werden. Es ergibt sich somit eine Umsatzsteuer-Zahllast in Höhe von 114 €.

INHOUSETIPP

Quick-Check BWA-Analyse.



Bei einer Ist-Versteuerung (Umsatzsteuer auf vereinnahmte Entgelte) wird die Mehrwertsteuer nur aus der bezahlten Rechnung gezogen und beträgt damit nur 95 €. Davon abgezogen werden dagegen die Vorsteuerbeträge aus beiden Eingangsrechnungen, also 2 x 38 = 76 €, da es beim Vorsteuerabzug nach § 15 UStG keinerlei Bindung an den Zahlungsvorgang gibt. Damit beträgt in diesem Fall die Umsatzsteuer-Zahllast lediglich 95 – 76 = 19 €.

Daraus ergibt sich nachstehendes Berechnungsschema, welches die unterschiedlichen BWA-Ergebnisse aufzeigt.

Abbildung: Berechnungsschema Einnahmen-Ausgaben BWA sowie Standard-BWA

FILMTIPP

Quickcheck Analyse BWA.



In diesem fiktiven Fall liegt das Ergebnis der Standard-BWA mehr als doppelt so hoch wie das der Einnahmen-Ausgaben-BWA bei einer Umsatzversteuerung nach vereinbarten Entgelten. Die Beispielsrechnung zeigt, dass bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die unterjährige BWA-Analyse auf Basis der Standard-BWA zu unzutreffenden Ergebnissen führen kann. Es ist daher ratsam für die laufende Analyse des Unternehmenserfolgs auf die Einnahmen-Ausgaben-BWA, statt auf die kurzfristige Erfolgsrechnung der Standard-BWA zurückzugreifen.

PRAXISTIPPS

  • Bei Freiberuflern und Gewerbetreibenden, bei denen feststeht, dass die steuerliche Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erfolgt, eignet sich eine monatliche Einnahmen-Ausgaben-BWA besser zur unterjährigen BWA-Analyse als die kurzfristige Erfolgsrechnung der Standard-BWA.
  • Die Einnahmen-Ausgaben-BWA ist sowohl bei Steuerpflichtigen einsetzbar, die ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten wie auch bei Steuerpflichtigen, die ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten versteuern.
  • Bei einer Einnahmen-Ausgaben-BWA ist auch die Führung von Personenkonten möglich. Bei dieser BWA-Form werden im vorläufigen monatlichen Ergebnis nur die bezahlten Eingangs- und Ausgangsrechnungen berücksichtigt.
  1. § 238 Abs. 1 HGB und § 241a HGB.
  2. § 140 AO und § 141 AO.


Beitragsnummer: 3039

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