Mittwoch, 21. August 2019

Kündigungen und Zinsanpassungen von Prämiensparverträgen auf Prüfstand

Sabine Kröger, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und Handels- und Gesellschaftsrecht, SKW Schwarz Rechtsanwälte, München

Der BGH hat mit Urt. v. 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, über wesentliche Fragen zur Kündigung von Prämiensparverträgen zu Gunsten von Kreditinstituten entschieden. Schon kurz darauf wurde durch die Verbraucherzentrale Sachsen e.V. eine Musterfeststellungsklage zum OLG Dresden erhoben, Az.: 5 MK 1/19, welche am 17.06.2019 bekannt gemacht wurde und sich mit ihren Feststellungszielen gegen die in Prämiensparverträgen enthaltenen Zinsanpassungsregelungen wendet; der Verfahrensausgang bleibt abzuwarten.

Der BGH hat in seinem Urt. v. 14.05.2019 entschieden, dass Kreditinstitute Prämiensparverträge ohne Laufzeit nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ordentlich kündigen dürfen.

SEMINARTIPPS

Rechtsupdate Compliance – Regulatoriküberblick, 11.11.2019, Berlin.

Entgelte & Gebühren, 25.11.2019, Köln.


In dem vom BGH entschiedenen Fall begehrten die Kunden die Feststellung des Fortbestands dreier von der Kreissparkasse Stendal unter Hinweis auf das niedrige Zinsumfeld gekündigter Sparverträge „S-Prämiensparen flexibel“, die sie in den Jahren 1996 und 2004 geschlossen hatten. Im Jahr 1996 warb die beklagte Sparkasse dabei für die Sparverträge mit einer Werbebroschüre, in der u. a. eine Musterrechnung enthalten war, mit der die Entwicklung eines Sparguthabens über einen Zeitraum von 25 Jahren bei einer monatlichen Sparrate von DM 150,00 einschließlich der jährlichen Prämienzahlungen dargestellt wurde. Neben einer variablen Verzinsung des Sparguthabens sahen die Verträge erstmals nach Ablauf des dritten Sparjahres die Zahlung einer Prämie in Höhe von drei Prozent der im abgelaufenen Sparjahr erbrachten Sparbeiträge vor; vertragsgemäß stieg diese Prämie dann bis zum Ablauf des 15. Jahres auf 50 % der geleisteten Sparbeiträge an. Für alle Sparverträge galten die AGB-Sparkassen (Stand: 21.03.2016), welche in Nr. 26 Abs. 1 folgende Regelung zur ordentlichen Kündigung enthielten: „Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen“.

Der BGH befand, dass die beklagte Sparkasse die Sparverträge gem. Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ordentlich kündigen durfte. Die Sparkasse habe das ordentliche Kündigungsrecht für einen Zeitraum bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe (im BGH-Fall: 15 Jahre) ausgeschlossen. Die Sparkasse habe mit der vereinbarten Prämienstaffel einen besonderen Bonusanreiz gesetzt. Dieser Bonusanreiz habe einen konkludenten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts bis (in dem Fall) zum Ablauf des 15. Sparjahres bedingt, da ansonsten die Sparkasse den Kunden jederzeit den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien hätte entziehen können.

BUCHTIPP

Kontoführung & Zahlungsverkehr, 5. Aufl. 2017.



Der konkludente und zeitlich befristete Ausschluss des Kündigungsrechts sei wirksam, da Sparverträge dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 BGB) und nicht dem Darlehensrecht unterlägen. Einen über das Ende des 15. Sparjahres hinauswirkenden zeitlich unbegrenzten Ausschluss des Kündigungsrechts hätten die Parteien aber auch im Hinblick auf die unbefristete Laufzeit des jeweiligen Sparvertrags nicht vereinbart. Denn nach dem Inhalt der Vertragsantragsformulare habe die Sparkasse die Zahlung einer Sparprämie lediglich bis zum 15. Sparjahr versprochen. Ab diesem Zeitpunkt seien die Sparverträge zwar nicht automatisch beendet gewesen. Nach dem Vertragsinhalt habe der Sparkasse aber ab diesem Zeitpunkt ein Recht zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen unter Beachtung der in Nr. 4 Satz 1 der Bedingungen für den Sparverkehr geregelten Auslauffrist von drei Monaten zugestanden.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht – so der BGH weiter – aus dem von der Sparkasse konkret verwendeten Werbeflyer, da die in diesem enthaltene Musterrechnung, die auf einen Zeitraum von 25 Jahren bezogen war, lediglich ein Rechenbeispiel darstelle, mit dem keine verbindliche Aussage zur tatsächlichen Laufzeit des Vertrags verbunden wäre. Bei den weitergehenden Aussagen in dem Flyer handele es sich lediglich um eine werbende Anpreisung der Leistung, der ein durchschnittlicher Sparer eine Änderung oder gar Erweiterung der aus dem Sparvertrag folgenden Rechte und Pflichten nicht entnehmen könne.

Kurz nach dem BGH-Urt. v. 14.05.2019 hat die Verbraucherzentrale Sachsen e.V. gegen die Kreis- und Stadtsparkasse Leipzig das oben genannte Musterfeststellungsklageverfahren eingeleitet, allerdings mit einer anderen Zielrichtung: In dem Verfahren geht es um Feststellungswirkungen im Hinblick auf die von der Verbraucherzentrale angenommenen Unwirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln und unrichtigen Zinsberechnungen von Kreditinstituten für den variablen Zinssatz von Sparverträgen „S-Prämiensparen flexibel“, wobei insbesondere die vorformulierte Klausel „Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit … % verzinst“ in Streit steht. Dieses Verfahren soll es Sparern, die sich dem Verfahren als Anmelder anschließen, im Falle eines erfolgreichen Verfahrens erleichtern, in sich anschließenden (außer)gerichtlichen Verfahren ihre individuellen Ansprüche auf Zinsnachzahlungen gegen Kreditinstitute durchzusetzen. Die Feststellungsziele wurden im Musterfeststellungsklagenregister des Bundesamts für Justiz („www.bundesjustizamt.de“) veröffentlicht und können von jedermann kostenlos eingesehen werden.

PRAXISTIPPS

  • Der BGH hat Rechtssicherheit hinsichtlich wesentlicher Fragestellungen zu ordentlichen bankseitigen Kündigungsmöglichkeiten von Prämiensparverträgen geschaffen. Vor allem ist nach Ansicht des BGH das Recht der unregelmäßigen Verwahrung anwendbar und ein sachgerechter Grund für eine ordentliche Kündigung wegen des veränderten Zinsumfelds gegeben, da dieses es den Kreditinstituten erschwert, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötigen, um die Prämienzahlungen aufzubringen. Allerdings bleibt es den Kreditinstituten auch künftig nicht erspart, für jeden Einzelfall zu prüfen, ob der konkret in Streit stehende Sparvertrag und die Begleitumstände seines Zustandekommens die Kündigungsvoraussetzungen des BGH erfüllen.
  • Nachdem die Kreditinstitute aufgrund des zitierten BGH-Urteils zunächst aufatmen konnten, erhöhte sich beinahe zeitgleich das Risikopotential der Produktart „Prämiensparen“ aus ganz anderen Gründen: Denn für die oben genannte Musterfeststellungsklage vor dem OLG Dresden kommt es nicht darauf an, ob die Kündigung von Sparverträgen wirksam erfolgt ist oder erfolgen kann. Vielmehr geht es um Zinsnachzahlungen für die Sparer, falls die variablen Zinsen auf Basis unwirksamer Zinsanpassungsklauseln unrechtmäßig zum Nachteil des Kunden angepasst worden sein sollten, wobei die klagende Verbraucherzentrale im Durchschnitt von vierstelligen Beträgen für die betroffenen Sparer ausgeht. Im Fall der in Streit stehenden Sparverträge könnte sich also das am 01.11.2018 in Kraft getretene neue Klageinstrument des kollektiven Rechtsschutzes als neues Produktrisiko für die Kreditwirtschaft verwirklichen. Die Musterfeststellungsklage wurde vorwiegend dazu geschaffen, dem „rationalen Desinteresse“ des Verbrauchers entgegen zu wirken, indem er sich zunächst ohne finanzielles Risiko einem von einer qualifizierten Einrichtung geführten Verfahren kostenlos mittels wenig zeitaufwendiger Registrierung beim Bundesamt für Justiz anschließen kann. Der Ausgang des eingeleiteten Verfahrens steht aus und das rechtshängige Musterfeststellungsverfahren gegen die Kreis- und Stadtsparkasse Leipzig hindert qualifizierte Einrichtungen i. S. d. § 606 Abs. 1 ZPO nicht, weitere Musterfeststellungsverfahren gegen andere Kreditinstitute vor anderen Oberlandesgerichten mit derartigen oder ähnlichen Feststellungszielen rechtshängig zu machen.


Beitragsnummer: 3013

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