Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner Entscheidung vom 19.09.2024, III ZR 299/23 (WM 2024, 1952 m. Anm. Assies, BKR 2024, 1009 ff.), hatte der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, wie weit die Verpflichtung des Anlagevermittlers geht, einem geschäftserfahrenen Anlageinteressenten über die Bonität des Emittenten zu informieren. Während die beiden ersten Instanzen der Klage der bayerischen Gemeinde und deren Kämmerei gegen die betroffene Bank mit der Begründung stattgegeben hatten, die Bank habe ihre Verpflichtung zur eigenständigen Bonitätsprüfung verletzt, gelangt der Bundesgerichtshof zum Ergebnis, dass ein Anlagevermittler seiner Pflicht zur Information über die Bonität des Emittenten jedenfalls gegenüber einem geschäftserfahrenen Anlageinteressenten wie der bayerischen Gemeinde und deren Kämmerei im Normalfall bereits dadurch genügt, dass er diesem eine im Anlagezeitpunkt aktuelle und einen Rating-Code zwischen „AAA" und „D" enthaltende Bewertung einer Ratingagentur mitteilt (Rn. 13). In diesem Zusammenhang hebt der Bundesgerichtshof hervor, dass sich der Anlagevermittler auf die Einschätzung der Ratingagentur grundsätzlich verlassen können muss und daher diese Bewertung weder einer eigenen Prüfung unterziehen noch weitere Ermittlungen anstellen muss, die das Ergebnis der Agentur stützen oder diesem entgegenstehen. Der Anlagevermittler dürfe dabei auch grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Ratingagentur den Markt beobachtet und aktuelle Entwicklungen – positiver oder negativer Art – in ihre Bewertungen mit einbezieht (Rn. 13). Weitergehende Ermittlungen müsse der Anlagevermittler somit nur dann vornehmen, wenn sich konkrete Zweifel an der Seriosität der Agentur oder der Richtigkeit oder Aktualität ihres Ratings ergeben oder sonstige konkrete Anhaltspunkte für eine von dem Rating in negativer Hinsicht abweichenden Bewertung vorliegen (Rn. 13).
Hiervon ausgehend hält der Bundesgerichtshof sodann fest, dass der Anlagevermittler seiner Pflicht, den Anlageinteressenten über die Bonität des Emittenten zu informieren, im konkreten Fall dadurch vollumfänglich genügt hat, dass er dem Anlageinteressenten die den Emittenten betreffende aktuelle Bewertung der Ratingagentur optisch herausgehoben zur Kenntnis gebracht hat (Rn. 14). In diesem Zusammenhang führt der Bundesgerichtshof noch aus, dass jedenfalls von einer Gemeinde und den in ihrer Kämmerei mit der Anlage von Geldern in Millionenhöhe befassten Personen zu erwarten sei, dass diese nicht nur das jeweilige Rating zur Kenntnis nehmen, sondern ihnen auch die Rating-Grade und ihre Bedeutung bekannt sind (Rn. 14).
Ob und inwieweit der Anlagevermittler, einem Anlageberater gleich, zusätzlich die Wirtschaftspresse verfolgen und auswerten müsse und welche Publikation er heranzuziehen hat, musste der Bundesgerichtshof wiederum nicht entscheiden. Dies deshalb, weil sich aus dem von der klagenden Gemeinde in Bezug genommenen Artikel eine falsche Einschätzung des Bonitätsrisikos durch die Ratingagentur und eine in Betracht zu ziehende Insolvenz der Bank nicht hinreichend deutlich ergaben (Rn. 15). Allein der Umstand, dass in verschiedenen Quellen – u. a. von dem Medienunternehmen Bloomberg und daran anknüpfend weiteren Informationsdiensten – von bloßen (bis dahin erfolglosen) Ermittlungen der BaFin bei der die Anlage vermittelnden Bank berichtet wurde, genügt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht, um die Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit der die Anlage vermittelnden Bank durch die Ratingagentur infrage zu stellen. Dementsprechend hätten diese Veröffentlichungen der die Anlage vermittelnden Bank auch keinen Anlass geben müssen, diesbezüglich weitergehende Informationen einzuholen oder gar davon abzusehen, der Gemeinde die Festgeldanlage anzubieten (Rn. 16).
PRAXISTIPP
Es ist zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung daran erinnert und hervorhebt, dass ebenso wie bei der Plausibilitätsprüfung auch an den Umfang der über die Bonität des Emittenten einzuholende Informationen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen und der damit verbundene Aufwand für den Anlagevermittler demgemäß zumutbar sein muss. Zu begrüßen ist auch, dass der Bundesgerichtshof daran erinnert, dass die Grenzen der den Anlagevermittler treffenden diesbezüglichen Pflicht sich auch insoweit nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls bestimmen, wobei insbesondere die Geschäftserfahrung und der konkrete Kenntnisstand des Anlageinteressenten von Bedeutung sind (Rn. 12). Denn unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war es nur konsequent, dass der Bundesgerichtshof jedenfalls bei der über nicht unerhebliche Anlageerfahrungen verfügenden Gemeinde die zur Verfügungsstellung aktueller Bewertungen einer Ratingagentur zur Erfüllung der Information über die Bonität des Emittenten als ausreichend erachtet und es als Sache der Gemeinde und deren Kämmerei angesehen hat, auf der Grundlage der aktuellen Ratingbewertung zu prüfen, ob ihr, der Gemeinde, die Bonität des Emittenten ausreichend ist, um das Kapitalanlagegeschäft zu tätigen.
Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die vom Bundesgerichtshof in vorstehender Entscheidung aufgestellten Grundsätze nur kapitalanlageerfahrene Anlageinteressenten betrifft, der Bundesgerichtshof bei geschäftsunerfahrenen Anlageinteressenten somit durchaus weitergehende Informationspflichten in Bezug auf die Bonität des Emittenten annehmen könnte.
Beitragsnummer: 22977