Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
Wie bereits in der Banken-Times SPEZIAL Bankrecht (BTS), Ausgabe März 2025, S. 12 ff. ausgeführt, hat der Bundesgerichtshof die vom Grundsatz her als zulässig angesehene Vereinbarung von Verwahrentgelten bei Girokonten als im jeweiligen konkreten Fall für unwirksam angesehen, weil die Klausel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BGB verstößt. Ein Argument, welches in den Vorinstanzen kaum eine Rolle gespielt hat und welches der Bundesgerichtshof „als Ass aus dem Ärmel gezogen hat“, um damit die grundsätzlich als wirksam angesehene Vereinbarung von Verwahrentgelten bei Girokonten von Fall zu Fall für wirksam oder unwirksam zu erklären, ohne dass für Kreditinstitute vorhersehbar und abschätzbar ist, welche Klausel der Bundesgerichtshof für transparent oder intransparent ansehen wird.
In einer seiner „Verwahrentgelt-Entscheidungen" vom 04.02.2025, XI ZR 161/23 (BeckRS 2025, 4336), musste sich der Bundesgerichtshof am Rande auch mit Entgeltklauseln betreffend die Ausstellung einer Ersatz-Bank Card bzw. einer Ersatz-PIN auseinandersetzen (Rn. 54 ff.). Dabei gelangte der Bundesgerichtshof auch bei diesen Entgeltklauseln zum Ergebnis, dass diese zwar der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB entzogen und damit im Grundsatz rechtswirksam sind, gelangte jedoch auch hier unter Heranziehung des Transparenzgebots zum Ergebnis, dass die Klauseln wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sind.
Diesbezüglich stellt der Bundesgerichtshof zunächst klar, dass die streitrelevanten Klauseln bei der gebotenen objektiven, nicht am Willen der Vertragsparteien zu orientierenden Auslegung, für die in erster Linie ihr Wortlaut maßgebend ist, dahingehend auszulegen sind, dass das Entgelt für eine Ersatz-Bank Card bzw. für eine Ersatz-PIN nur dann vom Kunden zu zahlen ist, wenn dieser die zum Ersatz führenden Umstände zu vertreten hat und die Beklagte nicht zur Ausstellung einer Ersatz-Bank Card bzw. einer Ersatz-PIN verpflichtet ist (Rn. 62).
Hieran anschließend führt der Bundesgerichtshof aus, dass die in den beiden Entgeltklauseln geregelte entgeltpflichtige Ausstellung einer Ersatzkarte bzw. einer Ersatz-PIN eine rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung darstellt, welche der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen ist (Rn. 64).
Sodann prüft der Bundesgerichtshof, ob die beiden betroffenen Klauseln gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BGB verstoßen (Rn. 65 ff.). In diesem Zusammenhang erinnert der Bundesgerichtshof zunächst daran, dass notwendigerweise generalisierende Allgemeine Geschäftsbedingungen keinen solchen Grad an Konkretisierung erreichen müssen, dass alle Eventualitäten erfasst sind. Diese, so der Bundesgerichtshof weiter, müssten vielmehr ausreichend flexibel bleiben müssen, um künftigen Entwicklungen und besonderen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können, ohne dass von ihnen ein unangemessener Benachteiligungseffekt ausgeht. Demgemäß dürften die Anforderungen an die mögliche Konkretisierung einer Entgeltklausel nicht überspannt werden (Rn. 66). Insofern dürften, um den Kunden nicht hierdurch zu verwirren, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht mit Formulierungen oder sonstigen Erläuterungen überfrachtet werden. Auch sei es nicht notwendig, einschlägige Vorschriften in der AGB-Klausel abzudrucken oder mit einem umfassenden Kommentar zu versehen (Rn. 68). Vielmehr sei es ausreichend, wenn der Verwender die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen in der Klausel so genau beschreibt, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Zugleich müsse der Kunde ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird (Rn. 67).
Ungeachtet dieser Feststellungen führt der Bundesgerichtshof sodann aus, dass es zur formularmäßigen Bestimmung des Entgelts für die Ausstellung einer Ersatzkarte bzw. einer Ersatz-PIN nicht ausreichend ist, dass die Klausel lediglich abstrakt die Fälle von der Entgeltpflicht ausnimmt, in denen die Bank nicht zur Ausstellung einer Ersatzkarte/Ersatz-PIN verpflichtet ist. Zwar würde der durchschnittlich, rechtlich nicht gebildete, verständige Kunde bei den betroffenen Entgeltklauseln erkennen, dass er nach der Klausel nur dann zur Zahlung verpflichtet ist, wenn weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Verpflichtung der Bank zur Ausstellung einer Ersatzkarte bzw. einer Ersatz-PIN besteht. Allerdings würde in der jeweiligen Klausel jegliche Konkretisierung dazu fehlen, wann eine solche Verpflichtung der Bank besteht. Die betroffene jeweilige Klausel würde noch nicht einmal den Kern der in dem Zusammenhang maßgebenden Vorschriften der i. S. v. § 675 k Abs. 2 Satz 5 i. V. m. Satz 1 BGB und § 675 l Abs. 1 Satz 3 BGB erläutern. Zudem würde die Klausel keine Ausführungen über die typischen Fälle enthalten, in denen ein Ersatz der bepreisten Zahlungsinstrumente erforderlich wird (Verlust, Diebstahl und Missbrauch). Insofern könne sich der Kunde überhaupt kein Bild davon verschaffen, in welchen Fällen die Bank von Gesetzes wegen verpflichtet ist, eine Ersatzkarte bzw. eine Ersatz-PIN auszustellen. Die betroffenen Entgeltklauseln würden den Kunden auch nicht annähernd in die Lage versetzen, die Reichweite der Klauseln in ihrem praktischen Geltungsbereich zu bestimmen. Der Abstraktionsgrad der Klauseln sei vielmehr so hoch, dass er mit dem Verständlichkeitsgebot nicht zu vereinbaren ist (Rn. 68), was insgesamt die Klauseln intransparent werden lässt.
PRAXISTIPP
Auch wenn der Bundesgerichtshof mit seiner vorstehenden Argumentation nicht alleine dasteht (vgl. in diesem Zusammenhang Schmalenbach, BeckOK BGB, Hau/Poseck, 73. Edition, Stand 01.02.2025, § 675 l BGB Rn. 12 c, 13; KG Berlin, Urteil vom 09.08.2023, 26 U 129/21, VuR 2024, 105, 110 f. m. zust. Anm. Maier, VuR 2024, 112 und Toussaint, ZIP 2024, 929, 930), bestehen an der vom Bundesgerichtshof favorisierten sehr strengen Handhabung des Transparenzgebots erhebliche Bedenken.
So hatte das Oberlandesgericht Köln und ihm folgend auch ein Teil der Literatur (vgl. z. B. Lampe, in ihrer Anm. zu OLG Köln, WuB 6/2016, 346 ff. sowie Haertlein, in Münchener Kommentar zum HGB, 5. Auflage 2024, E. Bankkartenverfahren, Rn. 67) bereits im Jahr 2016 in seinem rechtskräftigen Urteil vom 10.02.2016, 13 U 45/15 (BeckRS 2016, 3961), eine identische Klausel auch unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebotes für rechtswirksam erachtet, wobei diese Rechtsprechung – soweit ersichtlich – jahrelang unbeanstandet blieb und bis zum Ergehen der vorstehend zitierten KG Berlin Entscheidung im Jahr 2023 als richtig und überzeugend erachtet wurde. Darauf, dass die für jedermann leicht verständliche und nachvollziehbare Klausel, wonach er, der Kunde, das Entgelt nur dann zu bezahlen hat, wenn er zum einen die Umstände, die zum Ersatz geführt haben, zu vertreten hat und zum anderen, wenn die Bank nicht zur Ausstellung einer Ersatzkarte/Ersatz-PIN verpflichtet ist, als intransparent angesehen werden könnte, konnte daher aus damaliger Sicht niemand erahnen. Dies gilt umso mehr, als ein mehr an Informationen als in der Klausel enthalten den Verbraucher mehr verwirrt als ihm weitergeholfen hätten. Insbesondere wäre die (unvollständige) Auflistung von typischen Beispielen oder die nicht ohne Weiteres hilfreiche Darstellung des Kerngehalts oder gar die Wiedergabe des Wortlauts der maßgeblichen Regelungen der § 675 k Abs. 2 S. 5 BGB und/oder § 675 Abs. 1 Satz 3 BGB für den Verbraucher weder weiterführender noch hilfreicher gewesen als der bisherige Wortlaut der betroffenen Klausel. Ganz im Gegenteil: Jeder Versuch einer weiteren Erläuterung oder Konkretisierung der Klausel hätte den Kunden verwirrt oder diesen zumindest nicht besser oder klarer darüber informiert, wann er zur Zahlung des Entgelts verpflichtet ist.
Hiervon unabhängig stellt sich für die Kreditinstitute nunmehr das Problem, welche Formulierung sie unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesgerichtshofs bei einer Entgeltklausel für die Ausstellung einer Ersatz-Bank Card bzw. einer Ersatz-PIN wählen sollen, damit diese den Anforderungen des Transparenzgebotes i. S. d. Bundesgerichtshofs genügt; eine vor dem Hintergrund der Tatsache, dass weder das Transparenzgebot noch die hierzu ergangene Rechtsprechung diesbezüglich konkret erkennbare oder erfassbare Anforderungen an die Formulierung einer solchen Klausel vorgeben, schlicht unmögliche Aufgabe.
Damit lässt der Bundesgerichtshof aber die Kreditinstitute ohne jedwede Rechtssicherheit „völlig im Regen stehen“, was nicht Sinn und Zweck einer höchstrichterlichen Rechtsprechung sein kann. Vielmehr müssen sowohl die Rechtsprechung als auch der Gesetzgeber den Kreditinstituten einen irgendwie gearteten sicheren Rahmen vorgeben, innerhalb welchen sich die Institute in zulässiger Weise bewegen können. Mit allgemeinen Floskeln, unbestimmten Rechtsbegriffen und dem Aufstellen von immer weniger einschätzbaren Grundsätzen und deren mehr oder weniger willkürliche Auslegung durch die Rechtsprechung wird demgemäß keinem geholfen.
Beitragsnummer: 22972