Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
Wie bereits in Banken Times SPEZIAL Bankrecht (BTS), Ausgabe Februar 2025, S. 7 f. ausgeführt, hat der Bundesgerichtshof in seinem zwischenzeitlich veröffentlichen Urteil vom 04.02.2025, XI ZR 65/23, BeckRS 2025, 3878, entschieden, dass im Rahmen neu abgeschlossener Giroverträge die AGB-rechtliche Vereinbarung eines Verwahrentgelts für die Verwahrung von Einlagen auf Girokonten keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegt und daher rechtswirksam ist (so auch BGH, Urteil v. 04.02.2025, XI ZR 61/23, Rn. 20 u. BGH, Urteil v. 04.02.2025, XI ZR 161/23).
In diesem Zusammenhang erinnert der Bundesgerichtshof zunächst daran, dass die Frage, ob eine AGB-Klausel eine kontrollfähige Preisnebenabrede oder eine kontrollfreie Preisabrede im Sinne seiner Rechtsprechung darstellt, durch Auslegung zu ermitteln ist, die er selbst vornehmen könne. In diesem Zusammenhang erinnert der Bundesgerichtshof auch daran, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wie revisible Rechtsnormen zu behandeln sind, mit der Konsequenz, dass ihre Auslegung durch ihn, den Bundesgerichtshof, ohne Bindung an das Parteivorbringen zu erfolgen hat (Rn. 21).
Für die Beantwortung der Frage, ob es sich beim Verwahrentgelt um die Bepreisung einer Hauptleistung aus dem Girovertrag handelt, welche der Inhaltskorntrolle entzogen ist, seien, so der Bundesgerichtshof, im Wesentlichen die Eigenheiten des Girovertrages als typengemischten Vertrag ausschlaggebend (Rn. 25 ff.). So umfasse der Girovertrag regelmäßig noch weitere Leistungen der Bank, die dem Zahlungsdiensterecht nicht notwendig unterliegen würden. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die neben dem Zahlungsdienstrecht bestehenden Darlehns- und unregelmäßigen Verwahrungsverhältnisse, die auf der Grundlage des Girovertrages durch Ein- und Auszahlungen auf bzw. vom Girokonto begründet oder erfüllt werden (Rn. 25). So weit, so der Bundesgerichtshof weiter, das Girokonto überzogen ist, liege neben dem Zahlungsdienstrahmenvertrag ein Darlehensvertrag nach §§ 488 ff. BGB in der Form des Überziehungskredites vor. Sei demgegenüber auf dem Girokonto ein Guthaben vorhanden, würde neben dem Zahlungsdiensterahmenvertrag eine unregelmäßige Verwahrung nach § 700 i. V. m. §§ 488 ff. BGB vorliegen. Insofern sei die Darlehens- und Verwahrungsfunktion für den Girovertrag charakteristisch (Rn. 26) und die Verwahrung von Guthaben auf Girokonten neben der Erbringung von Zahlungsdiensten eine den Girovertrag prägende Leistung und damit eine Hauptleistung aus dem Girovertrag i. S. d. der AGB-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. (Rn. 27).
Der Qualifizierung der Vereinbarung eines Verwahrentgelts bei Girokonten als Hauptpreisabrede stünde, so der Bundesgerichtshof weiter, auch nicht entgegen, dass das betroffene Kreditinstitut neben dem Verwahrentgelt auch noch eine Kontoführungsgebühr vereinnahmt (Rn. 33). Dies deshalb, weil nach seiner ständigen Rechtsprechung der Klauselverwender in der konkreten Ausgestaltung seines Preisgefüges grundsätzlich frei sei und seine Leistung entweder zu einem Pauschalpreis anbieten oder den Preis in mehrere Preisbestandteile oder Teilentgelte aufteilen könne/dürfe. Dies folge daraus, dass die Festlegung der Preise zum Kernbereich der Ausübung privatautonomer Handlungsfreiheiten gehört und daher primär einer Kontrolle durch den Wettbewerb unterliege. Werde daher das für die verschiedenen Hauptleistungen des Girovertrages erhobene Entgelt, wie im konkreten Fall, in zwei Preisbestandteile aufgeteilt, dann unterliege dies weder der Inhaltskontrolle, soweit sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regelt, noch einer gerichtlichen Angemessenheitsprüfung (Rn. 34).
Obwohl damit der Bundesgerichtshof die Vereinbarung von Verwahrentgelten im Rahmen neu geschlossener Giroverträge für grundsätzlich AGB-rechtlich wirksam erachtet, gelangt er dennoch auf einem anderen Wege doch zur Unwirksamkeit des vereinbarten Verwahrentgelts. Dies deshalb, weil der Bundesgerichtshof der Auffassung ist, dass die AGB-rechtliche Regelung im konkreten Falle gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt (Rn. 35; ähnlich auch BGH, Urteil v. 04.02.2025, XI ZR 61/23, Rn. 21 ff. u. BGH, Urteil v. 04.02.2025, XI ZR 161/23, Rn. 17).
Dies zum einen deswegen, weil die betroffene Verwahrentgeltklausel entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht ausreichend klarstelle, dass das Verwahrentgelt ausschließlich im Rahmen neu abgeschlossener Giroverträge eingenommen werde. Durch die Verwendung der Begriffe „Neuanlage" und „Neuvereinbarung" in der konkret betroffenen Klausel suggeriere der Begriff der „Neuanlage" vielmehr aus Sicht eines durchschnittlichen, rechtlich nicht gebildeten und verständigen Kunden, dass auch auf solche Guthaben ein Verwahrentgelt zu bezahlen ist, welche durch Einzahlung eines Geldbetrags auf ein bereits bestehendes Girokonto entstehen. Die Einführung eines Verwahrentgelts für Guthaben auf bereits bestehende Girokonten sei jedoch, wie der Bundesgerichtshof bereits in seiner „Fiktionsänderungsklausel-Entscheidung" vom 27.04.2021, XI ZR 26/20 (BGHZ 229, 344, Rn. 38) festgestellt hat, nur durch Abschluss einer den Erfordernissen der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB genügenden Vereinbarung in Form z. B. eines Änderungsvertrages möglich (Rn. 39 f.), welcher im konkreten Fall nicht abgeschlossen wurde.
Zum anderen sei die konkret betroffene Verwahrentgeltklausel auch deswegen intransparent, weil sie nicht hinreichend genau darüber informiere, auf welches Guthaben sich das Verwahrentgelt bezieht (Rn. 43 f.; so auch BGH, Urteil v. 04.02.2025, XI ZR 161/23, Rn. 27) Auch bleibe bei der konkreten Klausel unklar, ob die Berechnung des Verwahrentgelts taggenau erfolgen soll und bis zu welchem Zeitpunkt Tagesumsätze auf dem Girokonto bei der Berechnung des maßgeblichen Guthabensaldos berücksichtigt werden (Rn. 45; ähnlich BGH, Urteil v. 04.02.2025, XI ZR 61/23, Rn. 25 f.).
In diesem Zusammenhang führt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 04.02.2025, XI ZR 61/23 Rn. 27 ergänzend noch aus, dass die insoweit intransparente Klausel nicht dadurch klar und verständlich wird, weil in einer weiteren Regelung außerhalb der angegriffenen Klausel möglicherweise Klarstellungen enthalten sind. Dies deshalb, weil Bestimmungen, die in gesonderten Urkunden niedergelegt sind und auf die die beanstandete Formularklausel nicht Bezug nimmt, bei der Auslegung der Klausel nicht heranzuziehen sind, was auch bei der Beurteilung der Transparenz einer AGB-Klausel gilt.
Im Übrigen hält der Bundesgerichtshof fest, dass die streitrelevante Verwahrentgeltklausel im Verfahren XI ZR 61/23 auch deswegen intransparent ist, weil sie im Preisverzeichnis unter der Rubrik „Verzinsung" positioniert war, womit mit ihr die für Verbraucher mit der Klausel verbundenen finanziellen Belastungen verschleiert würden (Rn. 28 ff.) Schließlich sei die Klausel auch deswegen intransparent, weil in sich widersprüchlich einmal von „-0,7 % p.a." die Rede ist und einmal ohne Minus-Zeichen von „0,70 % p.a." (Rn. 31).
Schließlich hält der Bundesgerichtshof im Anschluss an die Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 11.09.2024, I ZR 168/23, WM 2024, 1822 ff. fest, dass der auf § 8 Abs. 1 UWG gestützte Folgenbeseitigungsanspruch auf Rückzahlung geleisteter Verwahrentgelte an „alle Kunden, die Verbraucher sind", nicht hinreichend bestimmt ist (Rn. 49, so auch BGH, XI ZR 161/23, a. a. O., Rn. 49). Zudem hält der Bundesgerichtshof, ebenfalls im Anschluss an vorstehend erwähnte Entscheidung des I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vom 11.09.2024, fest, dass gestützt auf § 8 Abs. 1 S. 1 Fall 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gem. §§ 3, 3a UWG i. V. m. § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB, ein Anspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos vereinnahmter Entgelte an die betroffenen Verbraucher nicht begründet werden könne, weil dies mit der Systematik des kollektiven Rechtsschutzes nach dem geltenden Recht nicht in Einklang zu bringen ist (Rn. 52, so auch BGH, XI ZR 161/23, a. a. O., Rn. 52).
Wie ebenfalls bereits in BTS, Ausgabe Februar 2025, S. 7 f., ausgeführt, hat der Bundesgerichtshof in seiner zwischenzeitlich ebenfalls veröffentlichten Parallelentscheidung vom 04.02.2025, XI ZR 183/23, WM 2025, 481 = ZIP 2025, 634 in Abweichung zu seiner vorstehend besprochenen und zu Girokonten ergangenen taggleichen Entscheidung, XI ZR 65/23, festgehalten, dass die AGB-rechtliche Vereinbarung von Verwahrentgelten auf Spareinlagen AGB-rechtswidrig ist. Entsprechendes hat er auch für die AGB-rechtliche Vereinbarung von Verwahrentgelten auf Tagesgeldkonten entschieden (BGH, Urteil v. 04.02.2025, XI ZR 161/23, Rn. 28 ff.).
In diesem Zusammenhang verweist der Bundesgerichtshof zunächst auf seine ständige Rechtsprechung, wonach Hauptleistungspflichten nur die für die Eigenart des jeweiligen Schuldverhältnisses prägenden Bestimmungen sind, die für die Einordnung in die verschiedenen Typen der Schuldverhältnisse entscheidend sind. Bestimmungen wiederum, die diese Hauptleistungspflicht verändern, ausgestalten oder modifizieren, würde dagegen nicht zur eigentlichen Leistungsbeschreibung gehören. Vielmehr würden hiermit verbundene Tätigkeiten auf die Hauptleistungspflicht bezogene bloße Nebenleistungspflichten darstellen, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen (Rn. 41; so auch BGH, XI ZR 161/23, a. a. O., Rn. 35).
Sodann hält der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf seine vorstehende Parallelentscheidung vom 04.02.2025, XI ZR 65/23 fest, dass auch die Verwahrung von Spareinlagen durch die Bank eine den Sparvertrag prägende Leistung und damit eine Hauptleistung der Bank aus dem Sparvertrag darstelle, welche der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle grundsätzlich entzogen ist (Rn. 42–44; so auch BGH, XI ZR 161/23, a. a. O., Rn. 37).
Demgemäß würde das Verwahrentgelt bei Spareinlagen allein deswegen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen, weil mit der Vereinbarung eines Verwahrentgelt die als Hauptleistung der Bank aus dem Sparvertrag anzusehende Verwahrung der Spareinlagen abweichend von der nach Treu und Glauben geschuldeten Leistung verändert wird (Rn. 45). Dies deshalb, weil bei Spareinlagen aus Sicht der Kunden zwar die sichere Verwahrung der Gelder im Vordergrund stünde. Allerdings würden Spareinlagen zumindest auch Sparzwecken dienen, was sich nicht nur aus der Bezeichnung der Einlagen als Spareinlagen, sondern auch aus der kreditwesenrechtlichen Historie des Begriffs der Spareinlagen ergibt (Rn. 46). Dieser vom historischen Gesetzgeber vorgegebene und für Sparverträge nach wie vor prägende (Spar-)Zweck von Spareinlagen, das Vermögen von natürlichen Personen mittel- bis langfristig aufzubauen (Rn. 47), würde durch die Erhebung eines Verwahrentgelts entgegen den Geboten von Treu und Glauben verändert, da das laufzeitabhängige Verwahrentgelt mit dem den Sparvertrag kennzeichnenden Kapitalerhalt und Sparzweck nicht zu vereinbaren ist; dies insbesondere deswegen, weil das streitgegenständliche Verwahrentgelt dazu führt, dass die Höhe der Spareinlagen fortlaufend bis zu dem vereinbarten Freibetrag sinkt (Rn. 48, so auch BGH, XI ZR 161/23, a. a. O., Rn. 38 ff. für Tagesgeldkonten, denen keine Zahlungsverkehrsfunktion zukommt; dies deshalb, weil diese Konten durch das Verwahrentgelt gänzlich ihren ihnen immanenten Spar- und Anlagezweck verlieren würden.).
Sodann erinnert der Bundesgerichtshof daran, dass durch die Eröffnung der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle die Verwahrentgeltklausel bei Spareinlagen indiziert, unwirksam ist (Rn. 52). Umstände wiederum, die diese Vermutung widerlegen könnten, lägen nicht vor und seien auch nicht ersichtlich (Rn. 52). In diesem Zusammenhang betont der Bundesgerichtshof, dass die mit dem damaligen Marktzinsniveau (negative Zinsen) verbundenen Umstände es nicht rechtfertigen würden, vertraglich berechtigte Erwartungen von Verbrauchern, ihr in Spareinlagen gehaltenes Kapital mindestens zu erhalten, durch die Einführung eines Verwahr- oder Guthabenentgelt zu enttäuschen (Rn. 53, so auch BGH, XI ZR 161/23, a. a. O., Rn. 44).
PRAXISTIPP
Auch wenn man sich darüber streiten kann, ob die Parteien nicht doch gerade durch die Vereinbarung eines Verwahrentgelts bei Spareinlagen und Tagesgeldkonten den für sie prägenden Spar- und Anlagezweck sowie den Vermögenserhaltcharakter abgeändert haben, steht aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nunmehr fest, das ein Verwahrentgelt grundsätzlich nur bei Girokonten und nicht auch bei Spareinlagen und Tagesgeldkonten AGB-rechtlich wirksam vereinbart werden kann.
Fest steht darüber hinaus auch, dass die Einführung von Verwahrentgelten auch für Guthaben bei bestehenden Giroverträgen entsprechend den vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.04.2021, XI ZR 26/20 (Fiktionsänderungsentscheidung) aufgestellten Grundsätze möglich ist; d. h. durch ausdrücklichen Abschluss einer Änderungsvereinbarung.
Nachdem der Bundesgerichtshof bei der Vereinbarung von Verwahrentgelten im Rahmen der Eröffnung neuer Girokonten Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung des Transparenzgebots geäußert hat, muss nunmehr in jedem einzelnen Fall konkret geprüft werden, ob bei der konkret betroffenen Verwahrentgeltklausel die Transparenzbedenken des Bundesgerichtshofs ausgeräumt sind, was vielfach der Fall sein dürfte.
Selbst wenn man jedoch bei grundsätzlicher Wirksamkeit der Vereinbarung eines Verwahrentgelts bei neuen Girokonten zum Ergebnis gelangt, die konkrete Ausgestaltung der Verwahrentgeltklausel verstoße gegen das Transparenzgebot, dann würde sich aus hiesiger Sicht die Frage stellen, ob man nicht doch wie bei der Unwirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln bei Sparverträgen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dazu gelangen kann, dass ein Verwahrentgelt als vereinbart gilt, welches die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit vereinbart hätten. Denn immerhin entsprach es dem beiderseitigen Willen der Parteien, dass der Bankkunde auf sein Guthaben auf seinem Girokonto ein Verwahrentgelt bezahlt.
Insgesamt dürfte somit der Streit über die Rechtswirksamkeit der Vereinbarung von Verwahrentgelten bei Vertragsneuabschlüssen in Bezug auf Girokonten nach wie vor weitergehen und die Instanzgerichte weiterhin beschäftigen.
Beitragsnummer: 22952