Daniel Emmrich, Partner bei Dr. Wieselhuber & Partner GmbH
In den letzten Monaten sind grenzüberschreitende Sanierungsfälle stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Auch wenn es sich bei den medial bekannten Fällen um gerichtliche Sanierungsprozesse handelte, lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen der vorinsolvenzlichen Sanierung von grenzüberschreitenden Fällen. Diese können mit dem richtigen Mindset der Beteiligten, Kenntnis über die individuellen Anforderungen der jeweiligen Jurisdiktionen und dem passenden methodischen Ansatz erfolgreich gestaltet werden.
Das Mindset für Grenzüberschreitende Sanierungen ist entscheidend
Auch wenn sich Deutschland und Österreich geografisch und sprachlich sehr nah sind, so gibt es doch kulturelle Unterschiede, die von Beginn an zu beachten sind – nur so lassen sich „atmosphärische Störungen“ vermeiden. In der deutschen Sanierungskultur hat sich insbesondere an der Schnittstelle zu Österreich aus der Größe des Wirtschaftsraums, die Meinung entwickelt „mehr Erfahrung“ zu haben. Dies trifft aus nachvollziehbaren Gründen auf wenig Verständnis in Österreich. Dabei ist ein offener und respektvoller Umgang der entscheidende Faktor für eine erfolgreiche konsensuale Sanierung. Denn nur wenn die Interessen – angefangen bei den Emotionen und endend beim Inhalt – gleich ausgerichtet werden können, kann eine Sanierung erfolgreich gestaltet werden.
Unterschiedliche konzeptionelle Sanierungsinstrumente
Im Rahmen eines Restrukturierungs- und Sanierungsprozesses gibt es eine hohe Bandbreite an verschiedenen konzeptionellen Instrumenten, die in Abhängigkeit des Krisenstadiums genutzt werden können. Während in den frühen Krisenstadien die Instrumente meist deckungsgleich sind (bspw. Restrukturierungs-/Zukunftskonzept, Option Review, Planplausibilisierung, Independent Business Review), unterscheiden sich mit zunehmenden regulatorischen Anforderungen die Instrumente in Form und Inhalt. Während in Deutschland ein Sanierungskonzept gem. IDW S6 das Standardinstrument der Sanierung ist, so ist es in Österreich die Fortbestehensprognose. Diese beiden Konzepte unterscheiden allerdings nicht im inhaltlichen Aufbau, sondern insbesondere in der zugrunde liegenden Regulatorik. Im Rahmen der Regulatorik ist insbesondere die „Refinanzierungsfähigkeit“ hervorzuheben. Während in Deutschland bei einer Verschuldungsdauer von maximal drei bis vier Jahren und einer Eigenkapitalquote von 25–30 % von einer Refinanzierungsfähigkeit auszugehen ist, liegen die Kennzahlen in Österreich deutlich niedriger. Eine Verschuldungsdauer von bis zu 17 Jahren und ein positiven Eigenkapital kann in Österreich bereits für eine Refinanzierungsfähig und somit für die Sanierungsfähigkeit ausreichen.
Grundsätze für Restrukturierung in Österreich
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Ländern liegt in einem Regelwerk der Kommunikation. In Österreich wurde von einer Vielzahl von Banken gemeinsam mit verschiedenen Rechtsanwaltskanzleien eine „Guideline“ für den Umgang der Stakeholder miteinander geschaffen. Die „Grundsätze für Restrukturierung“ legen die Basis für die „Nutzenfunktion“ der Sanierung und erleichtern somit an verschiedenen Stellen die Kommunikation. Ein vergleichbares Regelwerk gibt es für Deutschland nicht – dadurch kann, je nach Positionierung des Stakeholders, auch innerhalb einer Stakeholdergruppe sowohl das Interesse als auch das Kommunikationsverhalten deutlich unterschiedlich sein. Die „Grundsätze für Restrukturierung“ empfehlen allen Beteiligten grundsätzlich eine konsensuale Lösung anzustreben, eine Empfehlung dieser Art besteht in Deutschland nicht – was je nach Stakeholderlandschaft den Sanierungsprozess komplex und aufwendig machen kann.
Die gestaltende Sanierung als zentrale Gemeinsamkeit
Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage zeigt sich, dass sich der Sanierungsansatz deutlich erweitert hat. In Zeiten von Hochkonjunktur und staatlicher Corona-Unterstützung haben Unternehmen primär auf leistungswirtschaftliche Maßnahmen zur Verbesserung der Performance (EBIT) fokussiert – kombiniert mit finanzwirtschaftlichen Maßnahmen zur Optimierung der Passivseite (Net Debt). Aktuell zeigt sich, dass diese Maßnahmen in vielen Fällen zu kurz springen. Die strategische Komponente mit einer kritischen Bewertung des Geschäftsmodells und einer damit einhergehenden strategischen Neuausrichtung werden wichtiger denn je. Dadurch wird die Sanierung nicht nur genutzt, um kurzfristig Symptome zu bekämpfen, sondern das betroffene Unternehmen am Markt insgesamt neu auszurichten. Entscheidend für die gestaltende Sanierung ist der operative Handlungsspielraum – je früher ein entsprechender Prozess eingeleitet wird, desto höher ist die Erfolgschance. Das Credo der gestaltenden Sanierung lautet deshalb: Mut zur Restrukturierung! Oder wie es ein deutscher Professor treffend sagte: „Wer nicht transformiert, wird restrukturiert“.
Fazit
Grenzüberschreitende Sanierungen hängen sowohl von einem kulturellen Verständnis als auch der Kenntnis über die jeweilige Regulatorik ab. Zu Beginn muss das richtige – dem Krisenstadium entsprechende – Instrument zur Sanierung gewählt werden. Doch auch das beste Konzept hat noch kein Unternehmen saniert und ohne eine konsequente Umsetzung wird der Erfolg ausbleiben.
PRAXISTIPPS
- Werden Sie sich der kulturellen Unterschiede bewusst. Gespräche auf Augenhöhe erhöhen die Chancen einer erfolgreichen Zusammenarbeit – und damit letztlich direkt den Erfolg der Restrukturierung/Sanierung.
- Machen Sie sich mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten in Deutschland und Österreich vertraut. Nur so können Missverständnisse sowie zeit- und kostenintensive Nacharbeiten vermieden werden.
- Auch für grenzüberschreitende Restrukturierungen gilt, dass Papier geduldig ist. Die eigentliche Restrukturierung/Sanierung gelingt nur mittels einer konsequent begleiteten Umsetzung.
Beitragsnummer: 22940