Donnerstag, 13. März 2025

Strengere Kreditvergabestandards: MaRisk und EBA-Leitlinien im Fokus

Kristin Viereck, Stellv. Fachbereichsleiterin Kredit, Immobilien, Sanierung, Insolvenz, FCH AG

 

Die regulatorischen Anforderungen an die Kreditvergabe und -überwachung in Deutschland und Europa haben sich mit der jüngsten MaRisk-Novelle und den EBA-Leitlinien (EBA/GL/2020/06) weiter verschärft. Banken müssen ihre Prozesse zur Kreditgewährung, -weiterbearbeitung und -kontrolle noch strikter ausrichten, um finanzielle Stabilität zu gewährleisten und notleidende Kredite zu minimieren.

Ein zentrales Element ist die klare Funktionstrennung zwischen Markt und Marktfolge, um Interessenkonflikte zu vermeiden und eine objektive Kreditentscheidung sicherzustellen. Zudem werden höhere Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung gestellt. Neben einer detaillierten Analyse der Kapitaldienstfähigkeit sind verstärkt ESG-Kriterien in die Risikobewertung einzubeziehen. Damit folgt die Bankenaufsicht der Entwicklung hin zu nachhaltiger Finanzierung und erhöhter Transparenz.

 

ESG-Risiken in der Kreditvergabe

Die Integration von ESG-Risiken (Umwelt, Soziales und Governance) in den Kreditvergabeprozess gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nach den MaRisk sind Nachhaltigkeitsrisiken ausdrücklich in die Kreditvergabeprozesse zu integrieren. ESG-Faktoren beeinflussen die Adressenausfallrisiken und müssen daher bei der Kreditentscheidung berücksichtigt werden. Die relevanten ESG-Risiken lassen sich in folgende Kategorien unterteilen:

  • Umweltfaktoren: Klimarisiken, CO-Reduktion, Energieeffizienz von Objekten/Projekten und regulatorische Anforderungen wie die EU-Taxonomie.
  • Soziale Faktoren: insb. Arbeitnehmerrechte, Datenschutz, Verbraucherschutz sowie gesellschaftliche Akzeptanz von Projekten.
  • Governance-Aspekte: u. a. Transparenz, Unternehmensführung, Einhaltung regulatorischer Vorgaben und Vermeidung von Interessenkonflikten.

Banken müssen für ihre Kreditnehmer ESG-Risiken bewerten und regelmäßig überwachen. Dies schließt auch die Sicherstellung der Energieeffizienz von finanzierten Objekten sowie die Berücksichtigung physischer Klimarisiken ein (z. B. Hochwassergefährdung). Zusätzlich wird empfohlen, ESG-Scorings und Nachhaltigkeitsanalysen in die Kreditwürdigkeitsprüfung zu integrieren.

 

Frühwarnsysteme zur Kreditüberwachung

  • Die Überwachung bestehender Kreditengagements spielt eine zentrale Rolle bei der Risikofrüherkennung. Nach MaRisk (BTO 1.3.1) und den EBA-Leitlinien (Kapitel 8.5) müssen Banken Frühwarnindikatoren implementieren, um Risiken frühzeitig zu identifizieren. Zu den wichtigsten Warnsignalen zählen:
  • Negative makroökonomische Entwicklungen: Wirtschaftliche oder regulatorische Veränderungen, die sich auf den Kreditnehmer auswirken können.
  • Finanzielle Verschlechterung: Umsatzrückgänge, erhöhte Verschuldung oder negative Entwicklungen in der Kapitaldienstfähigkeit.
  • Veränderungen im Zahlungsverhalten: Überziehungen, verzögerte Zahlungen, vermehrte Nutzung von Kreditlinien oder unerwartete Restrukturierungsanfragen.
  • Branchenspezifische Risiken: Probleme in bestimmten Sektoren, wie steigende Energiekosten in energieintensiven Industrien, Preissteigerungen bei Rohstoffen oder regulatorische Änderungen in ESG-relevanten Branchen. 

Eine laufende Überprüfung der Kapitaldienstfähigkeit ist dabei erforderlich. Banken sind verpflichtet, die Wirksamkeit ihrer Frühwarnsysteme regelmäßig zu validieren und bei Bedarf anzupassen.

Ein effektives Frühwarnsystem sollte abzeichnende Risiken frühzeitig identifizieren, um gezielt Gegenmaßnahmen ergreifen und das Risiko notleidender Kredite reduzieren zu können.

 

Kreditwürdigkeitsprüfung und zukunftsgerichtete Analysen

Die MaRisk-Novelle legt verstärkten Fokus auf eine präzisere Kreditwürdigkeitsprüfung. Neben klassischen Bonitätsprüfungen müssen Institute umfassendere Zukunftsanalysen durchführen:

  • Sensitivitätsanalysen: Prüfung der Auswirkungen von steigenden Zinsen oder veränderten Marktbedingungen auf die Kapitaldienstfähigkeit.
  • Szenarioanalysen: Bewertung plausibler negativer Entwicklungen wie Konjunkturabschwächungen oder steigende Betriebskosten.
  • Überprüfung der Werthaltigkeit von Sicherheiten: Banken müssen regelmäßig prüfen, ob die Sicherheiten noch angemessen bewertet sind. 

Die Institute müssen sicherstellen, dass ihre Kreditvergabestandards an die Geschäftsmodelle und spezifischen Risiken der Kreditnehmer angepasst sind.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die zunehmende Regulierung von Immobilienfinanzierungen. Die Bewertung von Sicherheiten muss unabhängig erfolgen und im Zeitverlauf regelmäßig überprüft werden, um Risiken durch schwankende Immobilienpreise frühzeitig zu erkennen. Besonders bei großvolumigen Projektfinanzierungen, wie etwa im Bereich erneuerbarer Energien oder Infrastruktur, müssen Banken strengere Anforderungen an die Risikoanalyse und an die Strukturierung der Finanzierung stellen.

Für Banken bedeutet dies einen erheblichen Anpassungsaufwand. Die Umsetzung der neuen Anforderungen erfordert nicht nur technische und prozessuale Anpassungen, sondern auch Schulungen für Mitarbeitende, um eine konsistente Anwendung der regulatorischen Vorgaben sicherzustellen.

 

PRAXISTIPPS

  • ESG-Risiken frühzeitig bewerten: Integrieren Sie Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien in Ihre Kreditentscheidungsprozesse. Nutzen Sie ESG-Kriterien als festen Bestandteil der Kreditwürdigkeitsprüfung und führen Sie regelmäßige Nachhaltigkeitsanalysen durch. Nutzen Sie nachhaltigkeitsbezogene Scorings, um potenzielle Risiken besser zu identifizieren und langfristige Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln.
  • Effektive Frühwarnsysteme implementieren: Überwachen Sie systematisch finanzielle und nicht-finanzielle Indikatoren, um Kreditrisiken rechtzeitig zu identifizieren.
  • Sensitivitätsanalysen nutzen: Simulieren Sie verschiedene wirtschaftliche Szenarien, um die Kapitaldienstfähigkeit Ihrer Kreditnehmer langfristig abzusichern.

Beitragsnummer: 22934

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