Thomas Kohlhase, Senior Credit Analyst, Fixed Income, Ampega Asset Management GmbH
Die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen in der Eurozone bleiben auch 2025 mit Blick auf geopolitische Herausforderungen, einer weiterhin schwachen Binnenkonjunktur nach zwei Rezessionsjahren in Folge sowie einer zuletzt gesunkenen Risikotoleranz der Banken bei der Kreditvergabe herausfordernd. Nach der historischen Nullzinsphase, die bis Juli 2022 dauerte, kam es zu einem Leitzinsanstieg bis auf 4,5 % und schließlich seit Sommer 2024 wieder zu einer Trendwende. Der EZB-Rat hat mit Wirkung zum 05.02.2025 eine abermalige Zinssenkung auf 2,9 % beschlossen, um der Inflationsentwicklung Rechnung zu tragen, wobei dies durch die jüngsten Renditeanstiege und Zinsbewegungen teilweise wettgemacht wurde.
Trotz weiterer von vielen Marktteilnehmern erwarteten Zinssenkungen, die auf den ersten Blick auch eine Entlastung für die Refinanzierung und Liquiditätslage von Unternehmen darstellen, bleiben vor allem für weniger bonitätsstarke Firmen die Hürden hoch und das Umfeld herausfordernd. Die interne Cash-Generierungskraft leidet teilweise unter einer weiter schwachen Binnenkonjunktur. Die traditionell starke Exportindustrie in Deutschland steht infolge globaler Handelskonflikte mit steigenden Zöllen und anderer protektionistischer Maßnahmen, insbesondere seitens USA und China sowie anhaltend hohen Energiepreisen, weiteren Belastungsproben gegenüber.
Die Umfragen der letzten Bundesbank-„Bank Lending Survey“ signalisierten zudem, dass die deutschen Banken im vierten Quartal 2024 bei Unternehmenskrediten strengere Vergaberichtlinien angelegt hatten und die Kreditbedingungen unterm Strich restriktiver wurden. Der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zufolge gab es 2024 mit rund 22.400 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland den höchsten Wert seit 2015. In diesem Jahr könnten die Zahlen demnach den Höchststand des Krisenjahres 2009 in der globalen Finanzkrise mit mehr als 32.000 Fällen sogar erreichen. Somit tragen diese Entwicklungen nicht unbedingt zu einer steigenden Risikoaversion der Banken mit Blick auf die Kreditvergabe in der Breite bei.
Geldpolitische Maßnahmen kommen nicht zwingend im Unternehmenssektor an
Die EZB verfügt in 2025 noch über einen geldpolitischen Spielraum für weitere Zinssenkungen infolge des Inflationsrückgangs, der sich in 2024 fortgesetzt hat und somit für etwas Entlastung bei den Zinskosten für Unternehmen sorgt. Dennoch droht angesichts des schwachen Umfeldes, dass sich die Kreditrisikoprämien ausweiten, gerade vor dem Hintergrund der zuletzt strikteren Kreditvergabe durch den Bankensektor.
Defensive Branchen leiden weniger als zyklische Sektoren
Dieses veränderte Zins- und Makroumfeld stellt sowohl die Unternehmen als auch die sie finanzierenden Banken vor neue Herausforderungen. So muss mit sukzessive steigenden Ausfallraten sowie entsprechender Ratingmigration gerechnet werden. Insbesondere Unternehmen, die schon in der Ausgangslage eine schwächere Bonität aufweisen, dürften von einem Abschwung stärker betroffen sein als solche, die über eine solide Kapital- und Liquiditätsbasis verfügen. Ebenso sind zyklische Sektoren, die traditionell als erstes spüren, wenn die Nachfrage rückläufig ist, für konjunkturelle Abwärtsrisiken anfällig. Da die privaten Haushalte unter dem Inflationsdruck und rückläufigen frei verfügbaren Einkommen leiden, sparen die Verbraucher eher an Dingen wie Reisen, größeren Investitionen (von Möbeln über Autos bis zum Immobilienerwerb) als an Gesundheit, Lebensmitteln oder Telekommunikationsdienstleistungen.
Cash is King – Maßnahmen zur Liquiditätssicherung
Viele Unternehmen greifen zunächst auf vorhandene Barmittel zurück, um Finanzierungslücken zu schließen. Die Statistik zeigt allerdings, dass die Bargeldbestände der Unternehmen zu sinken begonnen haben und sich auf dem niedrigsten Niveau seit 2019 bewegen. Im Stoxx 600, dem Aktienindex mit den 600 größten europäischen Unternehmen, lag die Cash-Quote per Ende 2024 bei 12,2 %, deutlich höher als 2008 (7,2 %), aber niedriger als 2021 (14,3 %). Zudem versuchen Unternehmen, ihr Working Capital abzubauen, um interne Liquidität freizusetzen. Denn bei anhaltend hohen Fremdkapitalkosten (unter der Annahme konstanter Verschuldung) im aktuellen Zinsumfeld sowie drohender Ertragsrückgänge, dürfte die Cashflow-Generierungskraft ohnehin schwächer ausfallen. Darüber hinaus ist auch aus Kreditgebersicht in Gesprächen mit Unternehmen kritisch zu hinterfragen, ob die Ausschüttungspolitik sowie entsprechende, nicht zwingend erforderliche Investitionen (einschließlich Unternehmensübernahmen) temporär zurückgestellt werden können. Aus Gläubigerperspektive ist außerdem der Blick auf die kurzfristige Liquidität der Unternehmen wichtiger denn je. Somit werden Kennzahlen wie der Zinsdeckungsgrad wichtiger als der Verschuldungsgrad. Im Rahmen einer zukunftsgerichteten Kreditvergabepraxis sollte die zugrundeliegende Kreditvertragsdokumentation, insbesondere wenn Refinanzierungen konkret anstehen, angepasst werden (z. B. mit Blick auf Financial Covenants). Nicht zuletzt gilt ein kritischer Blick auf das Fälligkeitsprofil der Unternehmen.
PRAXISTIPPS
- Begleiten und überwachen Sie Ihre Kreditnehmer in Sachen Liquiditätsmanagement sehr eng, insbesondere, wenn Sie nicht die kontoführende Bank sind. BWAs sollten kritisch und zeitnah geprüft werden.
- Prüfen Sie die Kreditdokumentation und passen diese ggf. an, z. B. mit Blick auf Financial Covenants etc.
- Mit Blick auf die Kennzahlenanalyse dürften liquiditätsbezogene Kennzahlen wie der Zinsdeckungsgrad gegenüber z. B. Verschuldungskennzahlen in der aktuellen Phase an Bedeutung gewinnen.
Beitragsnummer: 22917