Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner Entscheidung vom 15.10.2024, XI ZR 50/23 (WM 2024, 2184 m. Anm. Konow, BKR 2025, 45 f. sowie Brocker, ZIP 2024, 2980 f.), hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die auf Art. 19 Abs. 1 AGB-Banken gestützte ordentliche Kündigung durch eine Genossenschaftsbank auch gegenüber einem Kunden, der auch Mitglied der Genossenschaftsbank ist, rechtswirksam ist und nicht gegen AGB-rechtliche Regelungen verstößt.
Dabei stellt der Bundesgerichtshof zunächst fest, dass die Bereichsausnahme u. a. auch für das Gesellschaftsrecht gem. § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nicht einschlägig sei; dies deshalb, weil der Geschäftsverkehr der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft im Rahmen des Girokontos als Zahlungsdienstrahmenvertrag nicht korporationsrechtlicher Art sei, sondern allein auf vertraglicher Grundlage beruhe. Damit bewege sich der Geschäftsverkehr der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses, sodass rein schuldrechtliche Beziehungen entstehen und das Mitglied der Genossenschaft insoweit wie ein außenstehender Dritter gegenübertritt (Rn. 14).
Sodann erinnert der Bundesgerichtshof daran, dass er bereits in seiner Entscheidung vom 15.01.2013, XI ZR 22/12 (WM 2013, 316 Rn. 14 f.), festgehalten hat, dass das Giroverhältnis ein Geschäftsbesorgungsverhältnis ist, dass durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist und nach früherem Recht (bis zum 01.11.2009) nach §§ 627, 675 BGB rechtswirksam ordentlich gekündigt werden konnte, ohne dass nach diesen Regelungen ein Kündigungsgrund angegeben werden musste oder gesetzliche Vorschriften eine längere Mindestkündigungsfrist verlangten. Sodann stellt der Bundesgerichtshof klar, dass auch nach Einführung des § 675h Abs. 2 BGB die ordentliche Kündigung keiner Begründungspflicht unterliege. Demgemäß würde bei einer nach Nr. 19 Abs. 1 der AGB-Banken ausgesprochene ordentliche Kündigung kein Abweichen vom gesetzlichen Leitbild vorliegen; insofern sei es auch irrelevant, dass Nr. 19 AGB-Banken den Ausspruch der ordentlichen Kündigung nicht vom Vorliegen eines sachgerechten Grundes abhängig macht (Rn. 15 ff.).
Hieran anschließend hält der Bundesgerichtshof fest, dass ein relevantes Abweichen vom gesetzlichen Leitbild auch nicht mit einem Verweis auf die Satzungsregelungen oder auf die Regelungen des Genossenschaftsgesetzes hergeleitet werden könne. In diesem Zusammenhang erinnert der Bundesgerichtshof nochmals daran, dass sich die bankvertragliche Beziehung zwischen Genossenschaftsbank und Mitglied rein vertragsrechtlich gestaltet und damit außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses. Daher erfolge die Prüfung, ob Nr. 19 Abs. 1 der AGB-Banken einen Kunden i. S. v. § 307 Abs. 1, 2 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ohne Rücksicht darauf, ob der Kunde Mitglied der Genossenschaft ist oder nicht (Rn. 18–20).
Dies zu Grunde legend führt der Bundesgerichtshof sodann aus, dass sowohl der Förderzweck der Genossenschaftsbank, als auch die Rechte ihrer Mitglieder aus § 11 der Satzung als auch die Regelung des § 68 GenG, nach dem ein Mitglied nur zum Schluss eines Geschäftsjahres und nur aus in der Satzung der Genossenschaft bestimmten Gründen ausgeschlossen werden darf, dazu führen können, dass die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage von Nr. 19 Abs. 1 der AGB-Banken im konkreten Einzelfall gegen § 242 BGB verstößt (Rn. 21).
Hiervon ausgehend hält der Bundesgerichtshof sodann fest, dass die im konkret zu entscheidenden Fall von der Genossenschaftsbank ausgesprochene Kündigung nicht ohne sachlichen Grund erfolgte, weswegen unter diesen Umständen ein Verstoß gegen § 242 BGB im vorliegend konkreten Fall nicht damit begründet werden könne, die Genossenschaftsbank habe mit einer ohne jeden sachlichen Grund ausgesprochene Kündigung nach freiem Belieben die Voraussetzung für den Ausschluss des betroffenen Mitglieds aus der Genossenschaft wegen Nichtnutzung des Geschäftsbetriebes der Genossenschaft geschaffen. Hinzukomme im konkreten Fall weiter, dass die Kündigung zeitlich einige Monate vor dem Ausschluss des Mitglieds aus der Genossenschaft erfolgte, weswegen der spätere Ausschluss des Mitglieds auf die früher ausgesprochene Kündigung keinerlei Ausstrahlungswirkung haben konnte (Rn. 24).
Abschließend hält der Bundesgerichtshof noch fest, dass sich eine Einschränkung des Kündigungsrechts der Genossenschaftsbank in Bezug auf das Girokonto ihres Mitglieds weder aus der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum „Girokonto für jedermann" entnehmen lässt noch aus §§ 30 ff. ZKG. Letzteres schon deswegen nicht, weil sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass es sich bei dem gekündigten Vertrag um einen Basiskontovertrag gehandelt oder das Mitglied die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Abschluss eines Basiskontovertrages erfüllt hätte (Rn. 25).
PRAXISTIPP
Soweit ersichtlich hat der Bundesgerichtshof erstmals zur Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung eines Girovertrages einer Genossenschaftsbank gegenüber ihrem Mitglied Stellung genommen. Umso erfreulicher ist es, dass der Bundesgerichtshof im konkreten Fall mit klaren Worten zum Ergebnis gelangt, dass die ordentliche Kündigung eines Girokontos durch die Genossenschaftsbank gegenüber ihrem Mitglied rechtswirksam ist. Allerdings betont der Bundesgerichtshof auch, dass im Einzelfall stets geprüft werden muss, ob sich Kündigungseinschränkungen nicht doch aus dem Förderzweck der Genossenschaftsbank, aus den Satzungsrechten ihrer Mitglieder oder aber aus der Regelung des § 68 GenG ergeben.
Beitragsnummer: 22875