Montag, 20. Januar 2025

Keine richtlinienkonforme Auslegung v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In seiner Entscheidung vom 02.01.2025, 2-10 O 188/24, in welchem es um die Rückzahlung einer im August 2019 gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung ging, hat das Landgericht Frankfurt die Klage mit der Begründung abgewiesen, etwaige bestehende Ansprüche seien zwischenzeitlich aufgrund der eingreifenden kenntnisunabhängigen Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verjährt. Dies deshalb, weil dem Beklagten bereits im Jahr 2019 bekannt gewesen sei, dass er sein Darlehen vorzeitig ablöst und hierfür eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss und gezahlt hat. Nicht erforderlich sei wiederum in der Regel, dass der Beklagte aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Nur ausnahmsweise könne die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen würde es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifende Voraussetzung für den Verjährungsbeginn fehlen. Ein solcher Ausnahmefall sei wiederum im betroffenen konkreten Fall nicht gegeben.

An dieser Rechtsprechung vermögen, so das LG Frankfurt weiter, anderslautende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, nach welchen auf die Rechtskenntnis des Verbrauchers abzustellen ist, nichts zu ändern. Denn entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 09.07.2024, XI ZR 44/23, BeckRS 2024, 16020 Rn. 47, sei § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass es für die Ingangsetzung des Verjährungslaufs nicht nur, wie es im Wortlaut der Vorschrift unmissverständlich zum Ausdruck kommt, auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von den Anspruch begründenden Umständen, sondern auch auf die rechtliche Würdigung des Anspruchsinhabers von dem Sachverhalt, mithin von den tatsächlichen Umständen, ankommt. Denn eine solche richtlinienkonforme Auslegung würde dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und dem Sinn und Zweck der Norm widersprechen.


PRAXISTIPP

Mit vorstehender Entscheidung hat das Landgericht Frankfurt am Main die vom Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 09.07.2024 vertretene Auffassung nochmals bestätigt, wonach eine richtlinienkonforme Auslegung der deutschen verjährungsrechtlichen Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht in Betracht kommt (so bereits Edelmann/Schultheiß/Weil, BB 2022, 1548; so auch Piekenbrock, WM 2024, 1101, 1103 sowie Fademrecht, WM 2024, 1107, 1114).


Beitragsnummer: 22873

Beitrag teilen:

Produkte zum Thema:

Produkticon
Kommentar zum Kreditrecht, 4. Auflage

269,00 € inkl. 7 %

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
BGH-Urteil vom 19.11.24 zur Verjährung von Rückforderungsansprüchen

Der BGH hat entschieden, dass auf Rückforderungsansprüche aufgrund unwirksamer Zustimmungsfiktionsklausel die dreijährige Regelverjährung greift.

14.03.2025

Beitragsicon
Notwendige Angaben zur Berechnung der VFE

In dem Beitrag geht es um hinreichende Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Darlehensvertrag wie bspw. bei Sondertilgungsmöglichkeiten.

23.09.2024

Beitragsicon
OLG Frankfurt macht Weg frei für Cum-Cum-Strafprozesse

Beschluss mit Signalwirkung: Strafrechtliche Aufarbeitung milliardenschwerer Steuervermeidungsmodelle rückt in den Fokus!

07.04.2025

Beitragsicon
Verjährung von Bürgschaftsforderungen/Anschriftenermittlung

Die Bank hat nach Fälligkeit der Bürgschaftsforderung asap zu prüfen, ob die im Bürgschaftsvertrag genannte Anschrift des Bürgen richtig ist.

20.06.2024

Beitragsicon
Verwahrentgelte auf Girokonten sind zulässig

Der BGH hat in seinen Entscheidungen vom 04.02.2025 die grundsätzliche Zulässigkeit der Vereinbarung von Verwahrentgelten bei Girokonten bestätigt.

18.02.2025

Beitragsicon
Die unabhängige Rolle der Revision bei Projekten

Best-Practice-Ansätze zur Abgrenzung zwischen Projektprüfung, -begleitung und -beratung unter Beachtung der Wesentlichkeit

07.04.2025

Beitragsicon
Neues Risikopotenzial bei offenen Immobilienfonds?

Drohende Prozesslawine gegen KAGs von offenen Immobilienfonds sowie gegen die solche vermittelnden KIs wegen zu niedrig angebender Risikoindikatoren?

27.03.2025

Beitragsicon
Grüneberg BGB Chat-Book 2025

Grüneberg BGB Chat-Book 2025

26.03.2025

Beitragsicon
Künstliche Intelligenz in der Bank: Effizienz und Innovation vereint

Wie KI-Prozesse den Bankenalltag verändern und neue Möglichkeiten für Mitarbeitende und Kunden schaffen

24.04.2025

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit dem Tool Matomo aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Matomo.