Daniel Kemter, Generalbevollmächtigter, Hoerner Bank und
Kristin Viereck, stv. Fach-BL Kredit, Immobilien, Sanierung, Insolvenz, FCH AG
Ende 2023 wurde im § 18a KWG der neue Abs. 8b ins Gesetz integriert.
(8b) Kreditinstitute müssen über geeignete Strategien und Verfahren verfügen, damit sie sich bemühen, sofern angebracht, angemessene Nachsicht walten zu lassen, bevor Zwangsvollstreckungsverfahren auf Grund eines Verbraucherdarlehensvertrags eingeleitet werden. Die gegebenenfalls zu ergreifenden Maßnahmen müssen unter anderem den individuellen Umständen des jeweiligen Verbrauchers Rechnung tragen und können unter anderem Folgendes umfassen:
1. eine vollständige oder anteilige Umschuldung des Darlehensvertrags oder
2. eine Änderung der Bedingungen des Darlehensvertrags, die unter anderem Folgendes umfassen kann:
a) eine Verlängerung der Laufzeit des Darlehensvertrags,
b) eine Änderung der Art des Darlehensvertrags,
c) einen Zahlungsaufschub für alle oder einen Teil der Rückzahlungsraten in einem bestimmten Zeitraum,
d) eine Änderung des Zinssatzes,
e) ein Angebot einer Zahlungsunterbrechung,
f) Teilrückzahlungen,
g) Währungsumrechnungen,
h) einen Teilerlass und eine Schuldenkonsolidierung.
Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag umfassen die Umstände, die bei den Bemühungen, Nachsicht walten zu lassen, zu berücksichtigen sind, insbesondere die Frage, ob der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag durch eine Wohnimmobilie besichert ist, bei der es sich um den Hauptwohnsitz des Verbrauchers handelt.
Mit Aufnahme des neuen Abs. 8b im KWG kam es nunmehr zu Unruhen in den betreffenden Bereichen. Fragen mit möglicherweise nicht ganz unerheblichen Auswirkungen standen plötzlich im Raum: Kann oder was kann ein Schuldner aus dem § 18a Abs. 8b KWG geltend machen, insbesondere in Bezug auf die Kreditkündigung & Zwangsversteigerung? Kann ein Anspruch dahingehend geltend gemacht werden, dass alle aufgeführten Punkte a–h seitens der Banken durchgespielt werden müssen? Kann ein Schuldner z. B. einen Teilerlass auf Basis des § 18a Abs. 8b Ziffer 2h KWG ausdrücklich verlangen, wenn die Immobilie den Hauptwohnsitz darstellt? Undenkbar oder vielleicht doch nicht?
Einschätzung und Klarstellung des Abs. 8b KWG
Nach erster Einschätzung dürfte dies nichts Neues für die Banken sein. Seit jeher sind entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, bevor es zu einer Kredit-/Darlehenskündigung kommt und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden (können). Entsprechende prozessuale Regelungen sollten in den Arbeitsanweisungen aufgenommen und verankert sein. Ist das tatsächlich so oder steckt noch mehr dahinter? NEIN!
Der Schuldner kann dies nicht materiell-rechtlich der Gläubiger Bank entgegenhalten. Es handelt sich um eine Organisationsvorschrift für die Bank und nicht um eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage für den Schuldner.
Die Formulierungen „sofern angebracht“ und „können ...“ zeigen einen Handlungsrahmen auf. Die Bank kann insoweit frei entscheiden. Die Banken haben klare Regelungen für die Intensivbetreuungen und Problemkreditbearbeitungen.
Wichtig ist, dass sich die Bank mit dem Verbraucherschuldner und der eigengenutzten Wohnimmobilie beschäftigt (und dies dokumentiert) hat.
Folgen bei Nichteinhaltung
Der Genoverband hat am 05.01.2024 zu dem § 18a Abs. 8b KWG eine entsprechende Veröffentlichung vorgenommen und verweist indes auf die Forbearance-Maßnahmen und geht auf die verpflichtende Forbearance-Prüfung bei Verbrauchern vor Zwangsvollstreckung ein. Infolgedessen handelt es sich zur Überwachung der Einhaltung der Forbearance-Maßnahmen um eine aufsichtsrechtlich relevante Pflicht, dies im Rahmen der Jahresabschlussprüfung nach § 29 KWG sowie in Sonderprüfungen der Aufsicht nach § 44 KWG mitzubetrachten und einzuwerten.
PRAXISTIPPS
- Nicht jeder neue Gesetzabschnitt bringt ein Anpassungserfordernis der Prozesse bzw. schriftlich fixierten Ordnung/Arbeitsanweisungen mit sich.
- Dennoch überprüfen Sie, ob entsprechende Anweisungen ordnungsgemäß integriert sind und passen Sie diese – sofern erforderlich – entsprechend an.
Links:
https://www.gesetze-im-internet.de/kredwg/__18a.html
https://www.genoverband.de/newsroom/blog/grundsatzblog/verpflichtende-forbearance-pruefung-bei-verbrauchern-vor-zwangsvollstreckung/#:~:text=Nach%20%C2%A7%2018a%20Abs.,Grund%20eines%20Verbraucherdarlehensvertrags%20eingeleitet%20werden
Beitragsnummer: 22815