Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In einem Fall, in welchem sich Darlehensnehmer und Darlehensgeber über das Bestehen eines Darlehensrückzahlungsanspruchs aus einem gekündigten Darlehen gestritten hatten und in welchem der Darlehnsnehmer nach dem Übergang des Mahnverfahrens in das streitige Verfahren vor dem Landgericht die Forderung des Darlehensgebers anerkannt und seinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid zurückgenommen hatte, woraufhin der Darlehensgeber vor dem Landgericht einen Vollstreckungsbescheid erwirkte, widerrief der Darlehensnehmer vier Jahre nach Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides seine auf den Darlehensvertragsabschluss gerichtete Willenserklärung und erhob Klage auf Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt habe.
In seinem Beschluss vom 09.07.2024, XI ZR 78/23 (BKR 2024, 964), hat der BGH entschieden, dass dem Darlehensnehmer das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht von vornherein nicht mehr zustand. Dies deshalb, weil dem Bestehen eines solchen Widerrufsrechts die rechtskräftige Verurteilung zur Darlehensrückzahlung entgegenstünde (Rn. 9). Zwar erwachse die Entscheidung über die Einreden einer Partei nicht in Rechtskraft. Allerdings gehe von einer solchen Entscheidung eine präjudizielle Wirkung insoweit aus, als für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung in dem zugrunde liegenden Verfahren binden festgestellt ist, dass der betreffenden Partei Einreden nicht zustehen (Rn. 10). Ließe man ein anderes Ergebnis zu, könnte die Entscheidung nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in einem Folgeprozess der Sache nach auf das kontradiktorische Gegenteil des im Vorprozess zuerkannten Anspruch gestützt werden, was mit der Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils unvereinbar wäre (Rn. 10). Einem solchen Ergebnis stehe auch der unionsrechtliche Grundsatz der Effektivität nicht entgegen. Zwar falle der streitgegenständliche Darlehensvertrag in den Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie. Allerdings sei das autonome Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten allein maßgebend, weil die Verbraucherkreditrichtlinie eine Präklusion von Ansprüchen aus Verbraucherdarlehensverträgen nicht regele. Dies gelte auch im Falle der hier vorliegenden präjudiziellen Wirkung, die von einem rechtskräftigen Vollstreckungstitel ausgehe. Dies deshalb, weil die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs es einem nationalen Recht nicht gebiete, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Entscheidung Rechtskraft erlange, abzusehen, selbst wenn dadurch ein Verstoß dieser Entscheidung gegen Gemeinschaftsrecht abgestellt werden könnte (Rn. 14). Hiervon unabhängig sei der Grundsatz der Effektivität im vorliegenden konkreten Fall nicht tangiert. Dies deshalb, weil die betroffene Partei ausreichend Gelegenheit hatte, das von ihr nunmehr reklamierte Widerrufsrecht im Vorprozess geltend zu machen. Statt dies zu tun, habe der betroffene Verbraucher erklärt, die Darlehensforderung des Kreditinstituts anzuerkennen und zahlen zu wollen (Rn. 15).
Beitragsnummer: 22807