Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner Entscheidung vom 04.04.2023, 19 U 1790/22 (WM 2024, 17110), hält das OLG München zunächst fest, dass es für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln nicht auf den inneren Willen des Handelnden oder die für die Vertragsparteien erkennbaren Umstände ankommt, sondern auf die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts (Rn. 27). Sodann erinnert das OLG München daran, dass die Beweislast für die Verbrauchereigenschaft bei der sich hierauf berufenden Partei liegt, weswegen der sich auf die Verbrauchereigenschaft Berufende darlegen und beweisen muss, dass nach dem objektiv zu bestimmenden Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt (Rn. 29).
Sodann konstatiert das OLG München, dass aus der negativen Formulierung des zweiten Halbsatzes des § 13 BGB zwar zu schließen ist, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person regelmäßig als Verbraucherhandeln anzusehen ist (Rn. 30). Allerdings bleibe, so das OLG München weiter, für diese Vermutungsregelung kein Raum mehr, wenn die Zweckrichtung eines Rechtsgeschäfts festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang verweist das OLG München darauf, dass die auf der genannten Negativ-Formulierung basierende Rechtsprechung nicht zu einer Beweislastumkehr zugunsten des als natürliche Person Handelnden führt, sondern allenfalls zu einer tatsächlichen Vermutung zu Gunsten des als natürliche Person handelnden. Ein non liquet bei der Frage der Verbrauchereigenschaft soll wiederum nach Auffassung des OLG München entgegen den üblichen Regeln nicht zulasten des Beweispflichtigen, sondern zugunsten des als natürliche Person Handelnden gehen (Rn. 31).
Sodann stellt das OLG München fest, dass eine Widerrufsbelehrung, die um eine vermeintliche gesetzliche Pflicht zu erfüllen oder rein vorsorglich erteilt wird, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts verstanden werden kann (Rn. 46). Werde wiederum das Widerrufsrecht mit „Widerrufsinformation" überschrieben, so bestünden bereits erhebliche Zweifel daran, ob in dieser Widerrufsinformation überhaupt ein Angebot auf Gewährung eines vorbehaltlosen Vertragswiderrufsrechts gesehen werden könne. Dies deshalb, weil die bloße Information über ein Widerrufsrecht bereits begrifflich das Bestehen eines solchen Rechts voraussetzt (Rn. 43).
Schließlich erinnert das OLG München daran, dass bei einer Mehrheit von Darlehensnehmern jedem von ihnen ein eigenes Widerrufsrecht zusteht, sofern dieser selbst den Vertrag als Verbraucher geschlossen haben (Rn. 51).
PRAXISTIPP
Vorstehende OLG München Entscheidung dokumentiert einmal mehr, dass die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln nicht ohne weiteres eine Selbstverständlichkeit ist, sondern im Einzelfall genau geprüft werden muss. Zudem stellt das OLG klar, dass eine in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht erteilte „Widerrufsinformation" grundsätzlich nicht auch als die Einräumung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts verstanden werden kann.
Beitragsnummer: 22771